Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 9,99 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Die Carl-Zeiss-Stiftung wurde 1889 in Jena aus der Taufe gehoben. Ihr Gründer Ernst Abbe brachte seine Anteile an der Optischen Werkstätte Carl Zeiss und dem Glasbetrieb Schott & Genossen in die Stiftung ein. In diesem Buch wird ihre 125jährige Geschichte erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet. Mit der Revolution 1918 wurde die Stiftung zum vollständigen Eigentümer beider Betriebe, der sie bis heute geblieben ist. Nach Abbes Willen sollten sich die Stiftungsunternehmen, ohne einem Aktionär verpflichtet zu sein, ganz ihrer wissenschaftlich-technischen Aufgabe widmen. Die Erträge der…mehr

Produktbeschreibung
Die Carl-Zeiss-Stiftung wurde 1889 in Jena aus der Taufe gehoben. Ihr Gründer Ernst Abbe brachte seine Anteile an der Optischen Werkstätte Carl Zeiss und dem Glasbetrieb Schott & Genossen in die Stiftung ein. In diesem Buch wird ihre 125jährige Geschichte erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet. Mit der Revolution 1918 wurde die Stiftung zum vollständigen Eigentümer beider Betriebe, der sie bis heute geblieben ist. Nach Abbes Willen sollten sich die Stiftungsunternehmen, ohne einem Aktionär verpflichtet zu sein, ganz ihrer wissenschaftlich-technischen Aufgabe widmen. Die Erträge der Unternehmen sollten zudem zur Förderung der Universität und der sozialen Infrastruktur der Stadt Jena verwendet werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stiftung geteilt; seither gibt es sie in Oberkochen und in Jena, doch der Stiftungszweck, nunmehr auf die Länder Baden-Württemberg und Thüringen bezogen, blieb erhalten. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde zwar die Stiftung reformiert, aber ihre gemeinnützige Ausrichtung wurde nicht verändert. Die Geschichte der Carl-Zeiss-Stiftung bietet daher einzigartige Einblicke in die Möglichkeiten des Stiftungsmodells, über dessen Leistungsfähigkeit gegenwärtig wieder intensiv debattiert wird.
Autorenporträt
Werner Plumpe ist Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Goethe Universität Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2014

Eine erfolgreiche Vision
Die Carl-Zeiss-Stiftung wird 125 Jahre alt

Stiftungen entstanden oft, wenn alte Ordnungen brüchig wurden. Eine Zeit des Umbruchs war ohne Zweifel die Epoche fortschreitender Industrialisierung im deutschen Kaiserreich Ende des 19. Jahrhunderts. Mitten in diesen sozialpolitisch bewegten Jahren gründete der Physiker Ernst Abbe (1840 bis 1905) im Mai 1889 die Carl-Zeiss-Stiftung in Jena. Zwei Jahre später übertrugen er und Roderich Zeiss, Sohn und Erbe des Unternehmensgründers, ihre Anteile an der Optischen Werkstätte Carl Zeiss und den Glastechnischen Laboratorien Schott & Gen. auf die Stiftung. Auch Otto Schotts Anteil am Glaslabor ging 1919 in die Stiftung ein. Sie wurde damit Alleineigentümerin der Betriebe und ist es bis heute geblieben.

Die Carl-Zeiss-Stiftung war neu und richtungsweisend. Denn das von Ernst Abbe eigenständig verfasste Statut regelte in insgesamt 117 Paragraphen nicht nur detailliert und weit in die Zukunft vorausschauend Schutz und Förderung der Mitarbeiter und verpflichtete die Stiftungsbetriebe zu sozialverträglichem Handeln. Es disponierte zugleich einen beträchtlichen Teil der Unternehmenserträge zum Nutzen der Wissenschaften an der seinerzeit finanziell klammen Universität Jena. Einzelheiten zur Entwicklung und dem Inhalt des unternehmensgeschichtlich höchst interessanten, später mehrfach ergänzten Statuts finden sich in der vom Frankfurter Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe herausgegebenen Festschrift zum 125. Geburtstag der Carl-Zeiss-Stiftung.

Gleich zu Beginn befassen sich der emeritierte Politikwissenschaftler Peter Steinbach und der junge Historiker Sebastian Demel ausführlich mit der Gründung der Carl-Zeiss-Stiftung. Offenbar dachte Abbe bereits seit 1875 an eine großzügige Stiftungsinitiative. Damals übertrug ihm Carl Zeiss die Hälfte der Unternehmensanteile, weil seine 1846 gegründete Werkstatt für wissenschaftliche Geräte dank Abbes Berechnungen erfolgreich neuartige Mikroskope produzieren und vertreiben konnte. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Abbe wollte seinen Unternehmensgewinn nicht für sich behalten, sondern der Allgemeinheit zurückgeben. Der beste Weg dazu schien ihm eine Stiftung.

Dass der zum bedeutenden Wissenschaftler avancierte Arbeitersohn nicht nur die rechtliche und soziale Stellung der Beschäftigten in den Stiftungsunternehmen verbessern und Sozialprojekte am Standort Jena finanzieren, sondern vor allem die Forschung an der dortigen Universität fördern wollte, hatte mit seinem eigenen Werdegang zu tun. "Allein die Universität Jena hätte eine natürliche Anwartschaft auf den Ertrag aus den Zeiss'schen Unternehmen", so Abbe 1887 in seiner Eingabe an das für Stiftungen zuständige Kulturdepartment in Weimar. "Sie ist die eigentliche Nährmutter derselben; wenn die Universität nicht wäre, bestünde auch nichts von diesen Unternehmen." Bereits zwischen 1895 und 1905 überwies die Carl-Zeiss-Stiftung über 2 Millionen Mark an ihren Universitätsfonds.

Bei der Gründung der Stiftung zählte die Zeiss-Belegschaft 360 Mitarbeiter. Ende 2012 waren es mehr als 24 000. Seit 2004 ist der Zeiss-Konzern eine Aktiengesellschaft und ihr Alleinaktionär die Carl-Zeiss-Stiftung, die zugleich alleinige Inhaberin der Schott AG mit 17000 Beschäftigten ist. Die Carl Zeiss AG macht ihren Jahresumsatz von zuletzt mehr als 4 Milliarden Euro mit feinmechanisch-optischen Geräten und inzwischen auch mit Medizin- und Messtechnik sowie Halbleitertechnologie. Neben klassischen Produkten wie Linsen, Objektiven und Brillengläsern werden Fernrohre, Spiegelteleskope und Ausrüstungen für Observatorien sowie Geräte zum Umweltschutz und für die Unterhaltungselektronik hergestellt. Der Umsatz der Schott AG von knapp 3 Milliarden Euro resultiert unter anderem aus technischen Gläsern, Glaskeramik, Optoelektronik und Solarenergie.

Der Erfolg der Stiftungsunternehmen hatte Schattenseiten, die nicht verschwiegen werden. In beiden Weltkriegen gehörte sie zu den wichtigsten deutschen Rüstungsproduzenten. Während des Dritten Reiches beschäftigten sie Hunderte Zwangsarbeiter und verdrängten sukzessive jüdische Mitarbeiter. Es ist bitter, was der Frankfurter Wirtschaftshistoriker Johannes Bähr über diese Zeit schreibt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Teilung: Die in der sowjetischen Zone gelegenen Unternehmen wurden enteignet und als Staatskombinat weitergeführt. Über Form und Schwerpunkte referiert Rainer Karlsch ausführlich im Kapitel über Jena 1945 bis 1989. Die Betriebe im Westen wählten das in Württemberg gelegene Heidenheim als neuen Sitz der Stiftung. Jahrzehntelange Rechtsstreite folgten, weil sich beide Stiftungsteile für den eigentlichen Rechtsnachfolger, Namens- und Warenzeicheninhaber hielten. Erst die Wiedervereinigung führte die Unternehmen und die Stiftungen - nun mit Doppelsitz in Jena und Heidenheim - wieder zusammen. Der Kraftakt gelang mit großen Schwierigkeiten und einer nachfolgenden Statutenreform zur Aktiengesellschaft, die mehr unternehmerischen Freiraum im globalen Wettbewerb erlaubt. Seitdem sind die Unternehmen ausgegliedert und treten als eigenständige juristische Personen auf. Die Gesamtverantwortung liegt beim Stiftungsrat, dessen Vorsitzender zugleich der Carl Zeiss AG und der Schott AG vorsitzt.

Die Stiftungsunternehmen gehören in Umfragen immer wieder zu den arbeitnehmerfreundlichsten in Deutschland, und 10 Prozent ihres Umsatzes gehen in Forschung und Entwicklung. Die Reform von 2004 verkörpere eine Renaissance der Abbeschen Vision "kooperativer Interessengemeinschaft" von Stiftung und Stiftungsunternehmen, resümiert Rolf Walter, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Jena. Abbe hat erreicht, was im deutschen Recht für eine natürliche Person nur auf dem Weg über eine Stiftung möglich ist: noch viele Jahre nach dem Tod seinen Willen durchzusetzen. "Und es spricht nichts dagegen", so Walter, "dass dieses Lehrstück der deutschen Unternehmensgeschichte auch in Zukunft erfolgreich fortgeschrieben wird."

ULLA FÖLSING

Werner Plumpe (Hrsg.): Eine Vision - zwei Unternehmen. 125 Jahre Carl-Zeiss-Stiftung. 472 Seiten, Verlag C.H.Beck, München 2014, 472 Seiten, 38 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr