Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 15,00 €
  • Gebundenes Buch

Sparking a long-overdue debate about the future of American education, "The Marketplace of Ideas" examines traditional university institutions, assessing what is worth saving and what is not.

Produktbeschreibung
Sparking a long-overdue debate about the future of American education, "The Marketplace of Ideas" examines traditional university institutions, assessing what is worth saving and what is not.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2010

Die Rede von der Interdisziplinarität macht für die Universität alles nur noch schlimmer

Warum neigen alle Professoren zu den gleichen politischen Ansichten? Das ist eine der suggestiven Fragen in Louis Menands Buch über die amerikanische Universität.

Louis Menand gehört zu jenen bunten Hunden des akademischen Betriebs, die an amerikanischen Eliteuniversitäten starke Duftmarken setzen. Zu einer "academic celebrity" aufgestiegen ist der in Harvard lehrende Englisch-Professor und Journalist beim "New Yorker" dank seiner pulitzerpreisgekrönten Monographie "The Metaphysical Club" von 2001, einer Kulturgeschichte des philosophischen Pragmatismus in den Vereinigten Staaten. Auch in Menands jüngstem Buch "The Market Place of Ideas", in dem er die Geschichte der höheren Bildung mit Blick auf die geisteswissenschaftlichen Fächer kritisch rekapituliert, spiegelt sich seine Position als etablierter Außenseiter, der mit einem Fuß in der Redaktionsstube und dem anderen auf dem Katheder steht.

Die vier Fragen, denen er je ein Kapitel widmet, lauten: "Warum ist es so schwierig, ein Curriculum für die Grundausbildung (general education) von Undergraduates einzurichten? Warum haben die Geisteswissenschaften eine Legitimationskrise durchlaufen? Warum ist Interdisziplinarität ein Zauberwort geworden? Und warum neigen alle Professoren zu den gleichen politischen Ansichten?"

Gerade für europäische Leser dürfte das Buch insofern aufschlussreich sein, als es Einblicke in die Andersartigkeit des amerikanischen Universitätssystems gewährt. Menands Betrachtungen zur Geschichte der "general education"-Curricula verdeutlichen etwa, dass "undergraduate studies" in den Vereinigten Staaten auch mit dem Bachelor-Studium à la bolognese wenig gemein haben. Menand beschäftigt sich mit jenem Zweig der universitären Grundausbildung, der am ehesten auf ein geisteswissenschaftliches Studium vorbereitet: dem "liberal arts"-Curriculum. Es umfasst gewöhnlich einen Fächerkatalog von den Literaturwissenschaften über die Philosophie und Bürgerkunde bis zu den Naturwissenschaften.

Vor allem aber gibt es zwei gegensätzliche Ausbildungsmodelle: das "distribution model" und das "core model". Beruht Ersteres auf dem Prinzip, die Studenten aus einem breiten Angebot ein persönliches Programm zusammenstellen zu lassen, so liegt Letzterem die Überzeugung zugrunde, es gebe einen für alle Studenten unerlässlichen Kanon.

Wie nicht anders zu erwarten, wird das "core model" heute fast nur noch an wenigen Eliteuniversitäten aufrechterhalten, darunter an der Columbia University, wo es die wohl größte Tradition hat. Wie Menand darlegt, ermöglicht es zwar einen in sich abgerundeten, pädagogisch fundierten Ausbildungsgang, hat aber den Geruch ideologischer Voreingenommenheit. Das "distribution model" dagegen stellt oft einen uninspirierten Themensalat dar, in den jedes Universitätsdepartment seine Lieblingsingredienzien kippt, ist aber organisatorisch flexibler und wirkt ideologisch unverfänglicher. Damit, so Menand, entspreche es dem gegenwärtigen Gesamtzustand der Geisteswissenschaften.

Überzeugend müht sich Menand um den Nachweis, dass der Ruf nach Interdisziplinarität die Probleme der Geisteswissenschaften eher vergrößere als verringere. Denn interdisziplinären Kredit könne nun einmal nur erwerben, wer zuvor disziplinäres Kapital angehäuft habe. So aber sorge das Interdisziplinaritätsgebot dafür, dass Disziplinarität als alternativloser Weg zur akademischen Profession zugleich praktisch untermauert und ideologisch untergraben werde. In dieser Widersprüchlichkeit sieht Menand einen Ausdruck geisteswissenschaftlicher "anxiety".

Am interessantesten dürfte das letzte Kapitel über die hohe politische Konformität der amerikanischen Professorenschaft sein. Menand stützt sich hier auf vieldiskutierte Statistiken, die zeigen, dass die Mehrheit der Hochschuldozenten "mainstream liberal" sind und damit viel weiter links politisieren als der amerikanische Durchschnitt. Noch ausgeprägter ist dieses Phänomen an Eliteuniversitäten und Elitecolleges: 2004 holte Kerry bei der sozial- und geisteswissenschaftlichen Professorenschaft dieser Institutionen 95 Prozent, Bush 0 Prozent der Stimmen.

Menand, der ebenfalls dem sozialliberalen Spektrum angehört, mag nicht in die konservativen Verschwörungstheorien einer politisch diskriminierenden Professorenschaft einstimmen, akzeptiert aber ebenso wenig die selbstgerechte Akademikerthese, dass der Liberalismus das politische Äquivalent zur Wissenschaftskultur sei. Er hält vielmehr die Dauer der akademischen Ausbildung für ausschlaggebend.

Dabei argumentiert er mit einem anderen Datensatz, wonach ein Student in den Vereinigten Staaten im Schnitt drei Jahre brauche, um Anwalt zu werden, vier, um als Arzt zu praktizieren, und neun, um eine Poetik-Dozentur zu erhalten. Menand sieht in diesen Zahlen erstens einen Beleg dafür, dass die Studiendauer eines Faches in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seiner öffentlichen Anerkennung stehe, und zweitens, dass diese Investitionslogik in den "humanities" bereits vor Studienbeginn für eine soziale Auslese sorge, deren Ergebnis das liberale Profil der meisten Abgänger sei. Das klingt zwar nicht ganz unplausibel, aber doch etwas weit hergeholt. Würde, fragt man sich, ein Verweis auf den konservativen Antiintellektualismus nicht genügen, um zu erklären, warum junge Republikaner selten von einer Laufbahn als Literaturprofessoren träumen?

CASPAR HIRSCHI

Louis Menand: "The Marketplace of Ideas". Reform and Resistance in the American University. Norton Press, New York/London 2010. 176 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr