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Provides a guide to reading with deeper insight, better understanding, and greater pleasure, revealing how to provide due attention to formal aspects of literary works as well as to such elements as character, plot, and narrative.

Produktbeschreibung
Provides a guide to reading with deeper insight, better understanding, and greater pleasure, revealing how to provide due attention to formal aspects of literary works as well as to such elements as character, plot, and narrative.
Autorenporträt
Terry Eagleton, geb. 1943 im englischen Salford, ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.08.2013

Geschichten sind wie gedungene Mörder
Was macht eine Interpretation plausibel? Was kann der Autor nur gemeint haben? Der englische Literaturtheoretiker Terry Eagleton plädiert für das langsame Lesen

Warum in aller Welt verfasst einer der renommiertesten britischen Literaturtheoretiker eine Anleitung zum Lesen von Literatur? Terry Eagleton, Autor von mehr als vierzig wissenschaftlichen und literarischen Werken, Universitätsprofessor und Marxist, begründet dies in der Einleitung zu seinem Buch "How to Read Literature" damit, dass die schon von Nietzsche propagierte Kunst des "langsamen Lesens" völlig daniederliege, obwohl jede Textinterpretation unter politischen oder theoretischen Aspekten "ohne sprachliche Sensibilität" scheitern müsse - und er möchte seinen Beitrag dazu leisten, dass sich dies wieder ändert.

Was Eagleton unter "langsamem Lesen" versteht, führt er dem Leser in seinem ersten Kapitel anhand von detaillierten Analysen der Anfänge bekannter literarischer Werke vor. Klug und unterhaltsam seziert er die ersten Zeilen so unterschiedlicher Texte wie der Bibel, Shakespeares "Macbeth", Melvilles "Moby-Dick" und O'Brians "Der dritte Polizist" und lenkt die Aufmerksamkeit dabei auf Klangstrukturen, Grammatik und Syntax, signifikante Mehrdeutigkeit, aufschlussreiche Widersprüche, leicht zu übersehende Implikationen oder den emotionalen Bezug des Erzählers zu seiner Geschichte. Selbst der geübte Leser staunt über die reiche Ausbeute.

Den uralten Streit, was vorrangig sei, Handlung oder Figur, löst Eagleton historisch: bis zur Romantik die Handlung, danach die Figur. Er betont den ontologischen Unterschied zwischen "realen Personen" und "literarischen Figuren", die Determiniertheit Letzterer durch den literarischen Kontext und veranschaulicht seine Aussagen mit Hilfe zahlreicher Analysen kurzer Textausschnitte. Immer wieder weist er auf den grundlegenden Unterschied zwischen realistischer und älterer oder moderner Literatur hin. So laden realistisch konzipierte Figuren häufig zur Identifikation ein, Charaktere anderer Epochen dagegen sollen durchaus mit einer gewissen Distanz betrachtet werden. Sätze wie "Sophokles fordert uns nicht zur Identifikation mit Ödipus auf" prägen sich ein und machen den Text amüsant.

Das Kapitel "Narratives" (Geschichten) geht darauf ein, wie unterschiedliche Erzählertypen, beispielsweise ein allwissender oder ein unzuverlässiger Erzähler, die Wirkung eines Textes beeinflussen, und zeigt dann sehr ausführlich, welche Möglichkeiten jenseits des Erzählers oder der Figuren ein Roman hat, dem Leser eine "Botschaft" zu vermitteln, beispielsweise durch die Diskrepanz zwischen dem, was gesagt, und dem, was gezeigt wird. "Geschichten sind wie gedungene Mörder, die den schmutzigen Job erledigen, vor dem sich die Figuren drücken." Portias berühmte Gnadenrede im "Kaufmann von Venedig" wird als Trick entlarvt, und am Beispiel von Lawrence Sternes "Tristram Shandy" führt der Autor vor, dass diskontinuierliches Erzählen keine Erfindung der Moderne ist.

Im Gegensatz zu alltäglichen sprachlichen Äußerungen bedürfen literarische Texte der Interpretation, weil der determinierende Kontext fehlt. Eagleton liefert eine hinreißende marxistische Interpretation des englischen Kinderlieds "Baa baa, black sheep", nur um dann die Frage zu stellen, warum seine Auslegung am Kern der Sache vorbeigeht. Was macht eine Interpretation plausibel? Die Autorenintention ist irrelevant - und oft unbekannt.

Andererseits ist Textinterpretation nicht beliebig: Da Bedeutung hier durch Sprache entsteht, wird sie zur öffentlichen Angelegenheit. Der Sinn eines Textes erschließt sich im historischen Kontext und in der Rezeption durch den Leser: "Man sollte einen literarischen Text nicht als Text mit einer unveränderlichen Bedeutung sehen, sondern eher als eine Matrix für die Erzeugung einer ganzen Reihe von möglichen Bedeutungen." Die folgende Interpretationen von Dickens "Große Erwartungen" und "Oliver Twist" sowie von "Harry Potter" konzentrieren sich auf eine thematische Analyse und kommen gerade für Dickens zu überraschenden Schlussfolgerungen.

Das fünfte und letzte Kapitel "Value" zu dem leidigen Problem literarischer Wertung beginnt mit einem historischen Abriss: Nach welchen Kriterien wurde Literatur im Neo-Klassizismus, in der Romantik, der Moderne und der Postmoderne beurteilt? Eagleton zeigt, wie sich Wertvorstellungen im Lauf der Zeit ändern und wie eng die Rezeption mit historischen und kulturellen Faktoren verknüpft ist. Dabei greift er zahlreiche traditionelle Bewertungskriterien auf, nur um sie durch geschickt gewählte Gegenbeispiele wieder in Frage zu stellen. Schließlich setzt er sich mit gängigen Kriterien der Literaturwissenschaft auseinander: Vielschichtigkeit, Tiefe, Kohärenz, Handlung oder sprachliche Qualitäten. Doch auch diese Elemente finden sich nicht in allen Werken, die generell als "gute Literatur" eingestuft werden.

Zum Abschluss betätigt sich der Autor als Literaturkritiker: Romanpassagen von John Updike, Evelyn Waugh, William Faulkner und Carol Shields, Gedichtauszüge von Charles Swinburne und Amy Lowell werden einer kritischen Würdigung unterzogen. Das Urteil ist subjektiv, ausschlaggebend ist aber immer die Sprachverwendung: Der Leser wird sich vielleicht nicht jeder Wertung anschließen wollen, aber die Begründungen sind in allen Fällen nachvollziehbar.

Obwohl das meiste von dem, was der Autor ausführt, nichts grundsätzlich Neues ist, eröffnen sich auch dem Kenner immer wieder unerwartete Blickwinkel auf das, was man zu kennen glaubte - wobei man die reflexartig eingestreuten Kostproben britischen Humors mögen muss. Der Leseanfänger, für den das Buch in erster Line konzipiert ist, sollte eine gehörige Portion Frustrationstoleranz mitbringen, wenn ständig von Unbekanntem die Rede ist. Aber vielleicht kann das ein Anreiz sein, das eine oder andere Buch ganz langsam und genussvoll zu lesen.

GLORIA BUSCHOR

Terry Eagleton: "How to Read Literature".

Yale University Press, New Haven und London 2013. 216 S., geb., 20,95 [Euro].

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