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Werner Scholem ging immer den schweren Weg. 1895 in Berlin in den jüdischen Mittelstand hineingeboren, heiratete er eine Frau aus einfachsten Verhältnissen und verdiente sein Geld als Redakteur der "Roten Fahne". Wegen seiner Kritik an Stalin wurde er von der KPD verstoßen, den Nationalsozialisten war er - Kommunist und Jude - Feind schlechthin. 1940 wurde er im KZ Buchenwald ermordet. Werner Scholems Lebensgeschichte handelt von einer ganzen Epoche: Sie steht exemplarisch für die inneren Brüche der deutschen Gesellschaft und die Lebenslage der Juden in Deutschland zwischen den beiden…mehr

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Produktbeschreibung
Werner Scholem ging immer den schweren Weg. 1895 in Berlin in den jüdischen Mittelstand hineingeboren, heiratete er eine Frau aus einfachsten Verhältnissen und verdiente sein Geld als Redakteur der "Roten Fahne". Wegen seiner Kritik an Stalin wurde er von der KPD verstoßen, den Nationalsozialisten war er - Kommunist und Jude - Feind schlechthin. 1940 wurde er im KZ Buchenwald ermordet. Werner Scholems Lebensgeschichte handelt von einer ganzen Epoche: Sie steht exemplarisch für die inneren Brüche der deutschen Gesellschaft und die Lebenslage der Juden in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen. Mirjam Zadoffs kenntnisreiche Biographie stützt sich auf Gespräche mit Zeitzeugen und erstmals veröffentlichte persönliche Zeugnisse.
Autorenporträt
Zadoff, Mirjam
Mirjam Zadoff, geboren 1974 in Innsbruck, studierte Geschichte und Judaistik an der Universität Wien und promovierte in Neuerer und Neuester Geschichte in München. Sie war Privatdozentin am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist seit Sommer 2014 Alvin H. Rosenfeld Professorin für Jüdische Studien an der Indiana University in Bloomington, USA. Ihr Buch "Nächstes Jahr in Marienbad" wurde mehrfach ausgezeichnet. Für "Der rote Hiob. Das Leben des Werner Scholem" erhielt sie 2014 den Fraenkel Prize in Contemporary History.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014

Berliner Ultralinker und jüdischer Märtyrer

Über Werner Scholems Rolle in der Weimarer Republik wird viel spekuliert. Jetzt erscheinen gleich zwei Biographien des überzeugten Kommunisten, der im Konzentrationslager ermordet wurde.

Von Lorenz Jäger

Das Bild Werner Scholems in der politischen Geschichte Deutschlands ist widersprüchlich. Sein Martyrium nach 1933 und seine Ermordung in Buchenwald im Jahr 1940 verlangen von den Nachgeborenen, auch seine Irrtümer und Irrwege mit einem gewissen Respekt zu bewerten. Zwei Momente haben zu einem besonderen Interesse an seiner Person beigetragen: Werner war der Bruder von Gershom Scholem, dem Erforscher der jüdischen Mystik. Zudem haben sich in den vergangenen Jahren über Werner Scholems vermeintliche Verwicklung in die Spionageaffäre um die Töchter des Generals Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord, dem Chef der Reichswehr in der späten Weimarer Republik, alle möglichen Vermutungen gesponnen. Hans Magnus Enzensberger gab Scholem einen Auftritt in seinem Buch über Hammerstein, auch Alexander Kluge phantasierte über den Fall.

Schließlich war Werner ein Klassenkamerad Ernst Jüngers gewesen, der sich im hohen Alter in seinem Briefwechsel mit Gershom Scholem erinnerte: "Sein Bild hat sich mir schärfer als das der übrigen Klassenkameraden eingeprägt. Das mag daher kommen, dass er im Vergleich zu uns Pubertären ein Erwachsener war, und wie ich jetzt zu meinem Erstaunen aus seiner Vita erfuhr, bereits in politischer Aktion. Nur der Lehrer hatte es bemerkt, offenbar in einer Art von angstvoller Sympathie. Ich kann mir denken, welche Sorgen es Ihrem Vater bereitet hat."

In der Familie Scholem finden wir unter den Brüdern drei exemplarische geistig-politische Optionen, die sich jungen Juden im Kaiserreich und in der Weimarer Republik eröffneten. Gershom wurde ein Zionist von mystischer Radikalität. Er hielt die Geschichte der Juden in Deutschland schon früh für beendet und wanderte Anfang der zwanziger Jahre nach Palästina aus. Blieb man aber hier, dann konnte man ein Ende der Diskriminierung, wie Erich Scholem, vom politischen Liberalismus erwarten, der die Gesellschaft durchlässiger machen würde.

Er schloss sich der konservativ-liberalen DVP an, der Partei Stresemanns. Oder man konnte schließlich, wie Werner, in eine sozialistische oder kommunistische Zukunft die Hoffnung setzen, mit allen anderen Ungleichheiten werde auch die von Juden und Nichtjuden ein Ende finden.

Werner Scholem gehörte innerhalb der Kommunistischen Partei zur Berliner "Ultralinken", der die Zentrale nicht militant genug war. 1924 wurden Scholem, Arthur Rosenberg, Ruth Fischer (die Schwester des Komponisten Hanns Eisler) und Arkadi Maslow in die Parteiführung gewählt, Ernst Thälmann war der einzige Nichtjude in diesem Gremium; nur bis zum Oktober 1925 konnte sich die Ultralinke dort halten.

1923 hatte der "Deutsche Oktober" stattfinden sollen, es kam zum "Hamburger Aufstand". Nach Waffenfunden bei Kommunisten erklärte Scholem im Preußischen Landtag, an den sozialdemokratischen Innenminister gewandt: "Herr Severing, wenn Sie wirklich hier und da Waffen beschlagnahmt haben, die die Kommunistische Partei für sich beschafft hat - damit setzen Sie die Kommunistische Partei in den Augen der Arbeiterschaft nicht herab! (Sehr wahr! bei den Kommunisten)." Für Mirjam Zadoff, die diesen Aufstand nicht erwähnt, haben die Kommunisten eigentlich nur Rosen gestreut, für Schulreform und gegen Antisemitismus gekämpft, ansonsten aber waren sie in ihren Augen wohl eine Art früher Spaßguerilla: "So brachten die jungen Kommunisten etwas mit in die Landtage, was wie ein anarchistisches, clowneskes Straßentheater anmutete."

Andere, wie Friedrich Stampfer, Sozialdemokrat vor 1933 und nach 1945, konnten nicht darüber lachen: "Die Kommunisten behaupteten, erregt zu sein, weil viele ihrer Genossen in den Kerkern säßen, aber sie selber waren es gewesen, die durch ihre wahnwitzige Putschtaktik ihre Anhänger in die Gefängnisse getrieben hatten. Von echter Erregung war nichts zu spüren. Man hörte gröhlende Witze und gellendes Gelächter. Führer in diesem Treiben waren zwei junge Menschen, Werner Scholem und Ruth Fischer..." Weder bei Ralf Hoffrogge noch bei Zadoff wird Stampfers sehr ungünstige Beurteilung auch nur erwähnt.

Sie blieb indes nicht die einzige. Auch Walter Benjamin, Gershom Scholems Freund, sah mit der Wahl Werners in den Reichstag die "Hefe" des Volkes auf der Tribüne angekommen: "Eine Soldateska auf der einen Seite und gegenüber Lausejungens wie der ,Abgeordnete Scholem', den ich kenne . . . Mich stimmt sein Aufstieg zu Ruhm und Ehren ziemlich traurig." Was die politische Geschichte angeht, ist Mirjam Zadoff in ihrer Biographie unklar bis widersprüchlich. Einmal heißt es bei ihr, in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre sei in der KPD noch eine "lebendige Diskussionskultur" gepflegt worden, aber dann erwähnt sie auch, wie Scholem Ruth Fischer als "Ratte" bezeichnete; bei Hoffrogge finden wir die Formulierung eines anderen KPD-Führers, die Opposition - also auch Scholem - solle "eins aufs Maul bekommen." Und plötzlich weiß auch Mirjam Zadoff, die eine Seite zuvor noch die kommunistische Diskussionskultur gerühmt hatte, dass in der KPD ein "Freund-Feind-Schema" herrschte. Man atmet auf, wenn man die kristallhellen Worte Gershom Scholems über seinen Bruder liest: "Sie haben ihn sechs Jahre später als Trotzkisten ,hinausgeworfen', wie einen großen Teil der Juden in der kommunistischen Bewegung (in der Tat waren die führenden Trotzkisten zum überwiegenden Teil Juden, was man heute zu vertuschen sucht, wie man es immer tut mit unangenehmen Dingen.)"

Mag Mirjam Zadoffs Buch das leichter lesbare, zugänglichere, erzählerischere sein - in der Forschung durchsetzen und halten wird sich die gediegenere Leistung von Ralf Hoffrogge. An seine Rekonstruktion wird man sich auch halten müssen, wenn man Scholems Verhaftung und seinen Prozess bewerten will. Marie-Luise von Hammerstein hatte Scholem in der Tat gekannt. Sie hatte wie ihre jüngere Schwester Helga für die Sowjets spioniert, aber ihr Agentenführer war nicht Scholem gewesen, sondern der junge Leo Roth, der später seinerseits ein Opfer des Stalinismus wurde. Herbert Wehner kannte ihn gut. Und die "Hansa-Zelle", die zur Einflussnahme auf Soldaten der Reichswehr gedacht war, gab es zwar vermutlich - auch Werners Frau Emmy erwähnte sie in ihren schriftlichen Einlassungen gegenüber den Ermittlern -, Werner Scholem wurde indes vom Volksgerichtshof im März 1935 freigesprochen. Aber nun folgte der Leidensweg durch die Konzentrationslager. In die Freiheit kam Werner Scholem nicht mehr.

Mirjam Zadoff: "Der rote Hiob". Das Leben des Werner Scholem.

Carl Hanser Verlag, München 2014. 384 S., geb., 24,90 [Euro].

Ralf Hoffrogge: "Werner Scholem". Eine politische Biographie (1895-1940).

UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2014. 496 S., Abb., geb., 24,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Mirjam Zadoffs Biografie über Werner Scholem, seinen Weg vom streitbaren KPD-Mitglied über seinen Ausschluss aus dem ZK bis zu seiner Ermordung in Buchenwald verfolgt L. Joseph Heid mit großem Interesse. Zwar bleiben die Umstände von Scholems Tod für Heid auch nach der Lektüre unklar, als großen Netzwerker und weniger über sein Judentum als durch sein politisches Engagement selbst definierten Trotzkisten vermag Zadoff ihm Scholem aber eindringlich vorzustellen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein moderner Hiob: Mirjam Zadoff beschreibt Werner Scholems kurze Karriere und sein tragisches Ende im KZ." L. Joseph Heid, Die Welt, 03.01.15

"Aufschlussreich auch Zadoffs Darstellung der intellektuellen Auseinandersetzung Werner Scholems mit seinem Bruder Gerhard sowie der 'Alchimie' der Familie Scholem - dadurch nimmt die Gestalt des kommunistischen Politikers komplexere Konturen an. Inhaltlich können die beiden Biografien gut nebeneinander bestehen, besser lesen lässt sich das Buch von Zadoff." Andreas Kilcher, Neue Zürcher Zeitung, 07.01.15

"...äußerst informativ..." Wolfgang Walkiewicz, Der Freitag, 30.10.14

"Ein deutscher Antiheld." Sabine Reithmaier, Süddeutsche Zeitung, 27.11.14