Die Fähnchen schwingende EM- und WM-Begeisterung und die aktuellen Debatten über einen deutschen Wertekanon zeigen vor allem eines: Das Land der Dichter und Denker ist auf der Suche nach der verlorenen Identität. Eigentlich gibt es sie gar nicht, die Deutschen. Die eigensinnigen Regionen im Land in der Mitte Europas haben lange gebraucht, um zusammenzufinden. Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, klagt der zerrissene National-Held Faust, unmoralisch und wissensdurstig zugleich. Das gespaltene Selbstbewusstsein begleitet die deutsche Geschichte, fruchtbar und zerstörerisch. Doch gerade aus diesen Kontrasten beziehen die Künstler bis heute ihr Ideenpotential. In ihrer musikalisch illustrierten Hörreise fügt die ARD-Kulturjournalistin Corinna Hesse Informationen, Quellentexte und Musik aus zwei Jahrtausenden wie Mosaiksteine zu einem vielgestaltigen Gesamtbild zusammen. Der Schauspieler Rolf Becker erzählt, wie Luther und Kant den Glauben und das Denken revolutionierten. Bach, Beethoven und Wagner prägten die europäische Musikgeschichte ebenso wie Albrecht Dürer, Caspar David Friedrich und das Weimarer Bauhaus die Kunst, die Architektur und die Lebenswelt. In der Stunde Null nach dem Zweiten Weltkrieg gaben Schriftsteller und Künstler Impulse für die kritische Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte und für eine Identitätsfindung im geteilten und dann wiedervereinigten Deutschland. Mit Tiefsinn und Ironie spiegeln die Künstler bis heute die Suche der Deutschen nach kultureller Identität in einer pluralistischen Gesellschaft.
| CD | |||
| 1 | Der geschmiedete Himmel: Sternenkult der Bronzezeit | 00:02:19 | |
| 2 | Im Spiegel des Feindes - derrömische Schriftsteller Tacitus erfindet "Germania" | 00:02:50 | |
| 3 | Auf Wodans Fährte: die Merseburger Zaubersprüche und das Hildebrandslied | 00:04:22 | |
| 4 | Bildung mit System: Karl der Große und die Kultivierung des "Deutschen" | 00:02:36 | |
| 5 | Schöner Schein und blutiger Ernst: der Waderdichter Walther von der Vogelweide und das Nibelungenlied | 00:03:46 | |
| 6 | Der brennende Gott: mystische Liebesdichtung und der Isenheimer Altar | 00:03:28 | |
| 7 | Von Büchernarren und gefallenen Engeln: Sebastian Brant und Albrecht Dürer | 00:03:45 | |
| 8 | Die Kraft des Wortes und die dienstbare Freiheit des Christenmenschen: Martin Luther | 00:04:25 | |
| 9 | Stimmen des Volkes: die Meistersinger und das gräuliche Ende des Doktor Faust | 00:03:36 | |
| 10 | Die Tränen des Vaterlandes und die Spottlust des Simplicissimus: der Dreißigjährige Krieg | 00:03:52 | |
| 11 | Alles nach Maß und Zahl: der harmonische Kosmos von Kepler bis Bach | 00:05:18 | |
| 12 | Maximen des Willens: der Preußenkönig Friedrich der Große - und ein Philosoph im Abseits | 00:04:22 | |
| 13 | Menschheitsdramen: Lessings Nathan und Goethes Faust | 00:04:09 | |
| 14 | Bettler werden Fürstenbrüder: Friedrich Schiller und Ludwig van Beethoven | 00:04:01 | |
| 15 | Zeichen und Wunder: eine Nixe auf dem Felsen und eine Abtei im Eichenwald | 00:03:17 | |
| 16 | Der Fluch des Goldes: das Kommunistische Manifest und Wagners Ring | 00:05:11 | |
| 17 | Der Übermensch und der Untertan | 00:04:02 | |
| 18 | Tätowierte Bäuche und die Schule des Sehens: die Berliner Dadaisten und das Weimares Bauhaus | 00:04:42 | |
| 19 | Notzeiten für Blechtrommler - oder: Wählen wir ein anderen Volk! | 00:06:02 | |
| 20 | Von Zimmerspringbrunnen und Hobbygärtners: Deutschland nach der Wiedervereinigung | 00:03:44 | |
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Christian Deutschmann findet dieses "Deutschland-Hörbuch" von Corinna Hesse gar nicht so abwegig. Es erzähle die deutsche Geschichte von der Bronzezeit bis in die Nachkriegsjahre des 20. Jahrhunderts in gedrängter Form bündig, konzentriert und vor allem "klischeefrei". Deutschmann imponiert die "visuelle Machart": Die Aufbereitung der Szenen folge dem Prinzip der Collage ganz im Sinne der älteren Generation von Radioproduzenten und ersetze einen allzu weitschweifigen Kommentar. Mit Leichtigkeit verbindet der Erzähler Rolf Becker, so Deutschmann, mit seiner einprägsamen Stimme die einzelnen Szenen. Deutschmann missfällt allerdings deren auditive Verfremdung und die zuweilen zu opulente Musikuntermalung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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