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Produktdetails
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 16. August 2013
  • Hersteller: BVW / RED TELEPHONE BOX,
  • EAN: 5055667602765
  • Artikelnr.: 38520056
Trackliste
CD
1Mother00:03:58
2Moving00:04:32
3Reminder00:03:21
4Where you stand00:03:39
5Warning sign00:03:51
6Another guy00:03:41
7A different room00:03:58
8New shoes00:03:33
9On my wall00:02:52
10Boxes00:04:22
11The big screen00:04:15
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2013

Immer schön den Teller leer essen
Schwelgeschotten mit vollem Körpereinsatz: Travis werden euphorisch

Fran Healy, wir erinnern uns, war der Mann, der immer im Regen stand, der dem Treibholz im Fluss hinterhersah und der Trost fand an den Blumen im Fenster. Um die Jahrtausendwende schrieb er als Sänger der Schmacht- und Schwelgeschotten Travis seine größten Hits. Beim zweiten Album, "The Man Who" (1999), hatte Healy zwar in "Writing to Reach You" noch geklagt, das Radio spiele immer nur all das Übliche. Doch dann waren es mit jener Platte und mit der darauffolgenden "The Invisible Band" (2001) freilich Travis selbst, die das Übliche im Radio definierten und einen gleich am Haken hatten mit ihrem Talent für einnehmende Melodien.

Der Ruf als Weichspüler verdeckte allerdings, wie vielseitig die in Glasgow gegründete Band durchaus war. Auf "The Man Who" etwa gab es neben den Hits und dem mäßigen "The Last Laugh of the Laughter" noch "Blue Flashing Light", das wütende versteckte Stück mit einem Sozialrealismus nach Art der Filme von Ken Loach. Und auf dem weniger erfolgreichen "12 Memories" (2003) standen die Songs "Peace the Fuck Out" und "The Beautiful Occupation" im Zeichen des Irak-Einsatzes; "How Many Hearts" hob hymnisch ab und musste einen Noel Gallagher neidisch machen; für das brüchige "Paperclips" hätte sicher mancher Indie-Slacker seine halbe Comicheftsammlung hergetauscht. Nach einer längeren Pause folgten in kurzem Abstand zwei ganz gegensätzliche Werke: Während "The Boy With No Name" (2007) dem alten Sehnsuchtssound nachspürte, bot das kompaktere "Ode To J. Smith" (2008) aufgerauhte Gitarrenklänge und, nun ja, lateinischen Chorgesang.

Bis zum heute erscheinenden Album, "Where You Stand", hat es nun wiederum eine Weile gedauert. Nachdem der Gitarrist Andy Dunlop und der Bassist Dougie Payne bereits bei den letzten beiden Platten auch am Songwriting mitgewirkt hatten, setzte Healy diesmal noch stärker auf die Beteiligung der Kollegen. Dass ihm das ein Bad in der novemberkalten Nordsee einbrocken würde, dürfte er wohl kaum erwartet haben. Die hohen Lagen bei Paynes Liedern verlangten dem Sänger aber einiges ab, und Healy behalf sich deshalb bei den Aufnahmen in Norwegen mit einem Kniff. In einem Making-of-Mitschnitt, den die Band ins Netz stellte, spricht er über den Effekt von Adrenalin auf die Stimme. Man sieht, wie er ins kühle Wasser geht, vom Strand zum Studio spurtet und, noch in der Badehose, "Moving" einsingt.

Der volle Körpereinsatz hat sich gelohnt, "Moving" ist eine schöne euphorische Popnummer geworden - das Kopfhängenlassen des vielleicht bekanntesten Travis-Stücks "Why Does It Always Rain on Me?" liegt da recht fern. Nach einminütigem Anlauf zeigt auch der Auftakt "Mother" schwungvoll klimpernd und hell heulend seine heitere Wucht. Ein Schelm, wer den geschmetterten Refrain "Why did we wait so long?" als Selbstbezug auf die Band versteht. Und wenn sich in "On My Wall" ein einsamer Einbrecher sein Leben mit der Bestohlenen ausmalt, könnte man eigentlich an einen Stalker denken, nur dass ihn das sonnige Stück wenig bedrohlich erscheinen lässt, eher etwas naiv und sprachlich leicht unsicher: "Sometimes I think you know / That in the end / That you and I are us". Das muss wohl an der Aufregung liegen! Was uns zu den weiteren Texten bringt: Im lahmen "Boxes" soll ein ganzes Leben in drei Sorten Kisten passen: Kinder spielen in Pappkisten, Erwachsene leben in Betonkisten, Tote ruhen in Holzkisten. Eine Kiste fehlt: das Box-Set, in dem blöde Lieder landen, die mit Baukastenlyrik von der "Zeitverfluggeschwindigkeit" (Tocotronic) erzählen wollen. Pfeifend, pulsierend und putzig kommt "Reminder" daher: "Celebrate / Don't be late / Finish what's on your plate".

Wie man auf den alten Alben die Spuren all der Bands findet, zu denen Travis hätten werden können, so gibt es auf "Where You Stand" ebenfalls einen solchen Moment. Das von Healy verfasste "New Shoes" beginnt düster brodelnd, er springt schlafwandlerisch sprechsingend vom Baby im Bauch zum Mann im Mond, nimmt noch einen Schluck aus der angeknacksten Tasse und findet keine Ruhe, weil der Wasserhahn tropft. Die Sonne sinkt, die Sonne steigt, die Gitarre quengelt. Von den Bands, zu denen Travis noch werden könnten, wäre die in diesem Lied anklingende gewiss die spannendste.

THORSTEN GRÄBE

Travis: Where You Stand.

Red Telephone Box/ Kobalt 010 (Rough Trade)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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