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Sonntagmorgen. In den Weiten des Dschungels vor dem Fenster erwachen die Zootiere. Der Schlafgefährte liegt noch in seinen Männerträumen. Auf dem Boden tappt ihr Kastanorka entgegen, ein Elefant, der in eine Schachtel paßt. Das Leben, die Liebe, die Zukunft. Wie weiter? Früher war es immer von allein weitergegangen, als Zukunft nur ein anderes Wort für Märchen gewesen war. Bis zum Revolutionsherbst 1989, als die Geschichte sich überschlug und alles Vorstellbare Vergangenheit wurde. Die Zukunft gehörte nicht dazu. Läßt sie sich berechnen? Kann man vorbereitet sein? "Mit jedem meiner…mehr

Produktbeschreibung
Sonntagmorgen. In den Weiten des Dschungels vor dem Fenster erwachen die Zootiere. Der Schlafgefährte liegt noch in seinen Männerträumen. Auf dem Boden tappt ihr Kastanorka entgegen, ein Elefant, der in eine Schachtel paßt. Das Leben, die Liebe, die Zukunft. Wie weiter?
Früher war es immer von allein weitergegangen, als Zukunft nur ein anderes Wort für Märchen gewesen war. Bis zum Revolutionsherbst 1989, als die Geschichte sich überschlug und alles Vorstellbare Vergangenheit wurde. Die Zukunft gehörte nicht dazu. Läßt sie sich berechnen? Kann man vorbereitet sein? "Mit jedem meiner Liebesmenschen führe ich ein anderes Leben, eins von den vielen, die noch in mir bereitliegen. " Leben als Zwiesprache mit "der weiten Welt ringsum, voller Tausendfüßler aller Art" und mit drei Liebesmenschen: mit Leo, dem damals, als es schon mal ganz falsch weitergegangen war, Amerika das Leben gerettet hat, mit Toma, der tatarischen Nomadin, die immer weiter gen Osten zieht, und mit dem Mann an ihrer Seite: "Eröffne ihm nur klar umrissene Ausschnitte deiner Sehnsucht. Halte das wahre Ausmaß deiner Erwartungen geheim. Es liegt jenseits seiner Möglichkeiten.
" Das Leben, die Liebe, die große Geschichte alles zieht Angela Krauß in den Zauber ihres neuen Prosakunststücks, aus ihm leuchtet jene Ahnung von Glück, die das Weitermachen beflügelt.
Autorenporträt
Angela Krauß lebt in Leipzig. Ihre Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Ingborg-Bachmann-Preis (1988), dem Berliner Literaturpreis und der Bobrowski-Medaille (1996). 2007 erhielt sie den Hermann-Lenz-Preis, 2011 den Rainer-Malkowski-Preis und im Jahr 2013 den Wilhelm-Müller-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2007

Mikado für eine Seiltänzerin
Angela Krauß im Literaturhaus

Er schläft, sie wacht. Das Trompeten der Elefanten im benachbarten Zoo hat sie geweckt. Nun sitzt sie kerzengerade im Bett und weiß nicht weiter. Wen soll sie fragen. Roman träumt gerade ein Heldenepos. Also ruft sie Leo an. Der Wiener Emigrant, den sie in New York auf einem der Twin Towers kennengelernt hatte, ist um Mitternacht hellwach und rät ihr zu einer beliebigen Handlung, die sie wieder neugierig und zu einer Entscheidung frei mache.

Die Ich-Erzählerin in dem ersten "Roman" von Angela Krauß hat sich das Bett als Basislager eines Lebens zwischen zwei historischen Epochen gewählt. Hier sitzt sie sonntagmorgens und spielt Mikado, um die Zartheit einzuüben, das Gleichgewicht zu beschwören, das ihr mit der deutsch-deutschen Wende abhandengekommen ist. Sie wünscht sich "Stillstand, Sammlung, die Erfahrung der reinen Substanz".

"Wie weiter" hat der Suhrkamp Verlag den 117 Seiten schmalen Band genannt, auf dem die Stäbchen des chinesischen Kaiserspiels prangen. Die Autorin aus Leipzig, die 1988 den Ingeborg-Bachmann-Preis erhalten und 2004 die Frankfurter Poetik-Dozentur innehatte, war nicht zum ersten Mal Gast im Frankfurter Literaturhaus. Abermals stellte sie nun ein Buch vor, in dem die Protagonistin zwischen der untergegangenen Gesellschaft der DDR und der ungewohnten westlichen Lebensform Orientierung sucht.

Schwerelos wie eine Seiltänzerin bewegt sie sich zwischen ihren "Liebesmenschen" in Ost und West: dem Bettgefährten daheim, dem jüdischen Freund in Amerika und der Freundin Toma in Moskau, einer Nomadin, die an nichts hängt und sich weltweise gibt wie die Mutter, die kluge Ratschläge für die Liebe erteilt und sich wundert, warum eine Gesellschaft so rasch altert, die doch zwölf Jahre gebraucht hatte, um dem letzten Bauern sein Land zu nehmen.

Mit dem Mikado-Spiel hat die Schriftstellerin ein geniales Bild gefunden für den Schwebezustand ihres monologisierenden Ichs. Zwischen dem regressiven Stillstand im Bett und dem offensiven Weitermachen wird die behutsame Übung mit den Stäbchen zu einem Exerzitium der Achtsamkeit. So schließt sich der Kreis von der Anrufung eines Allwissenden am Anfang bis zur Offenheit für das Offene: "Sei nicht vorbereitet, warte, was geschieht."

c.s.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.11.2006

Der Elefant und die Libelle
Ferngespräche DDR-New York: „Wie weiter” von Angela Krauß
Wie weiter? Solche Fragen malt niemand an die Wand, der eine Antwort erwartet. Solche Fragen stellt, wer Möglichkeiten erkundet und auch Irrwege interessant findet. Angela Krauß tut das. Sie stellt sich seit mehr als zwanzig Jahren, seit dem Erscheinen ihres ersten Buchs „Das Vergnügen” (1984) den Fragilitäten des Lebens, Denkens, Handelns und Schreibens. Das Bett, die Bettdecke, die Zimmerdecke sind die Basisstationen der Ich-Erzählerin ihrer schmalen Bücher. Von diesem exterritorialen Aussichtsplatz, zwischen Schlaf und Wachsein, sieht sie der Welt ins Auge. Beides, der Schlaf und das Wachsein, sind zweischneidige Angelegenheiten und sie werden in den Büchern von Angela Krauß, die alle auf eine Gattungsbezeichnung verzichten, auch so behandelt.
Nie erzählt Angela Krauß eine Geschichte von A bis Z, vom ordinären Alltag höchstens ein paar Happen. Dennoch ist sie eine politische Schriftstellerin, denn die Reflexionen über die realen Verhältnisse sind der Ausgangspunkt ihrer Poesie. Und wie oft bei ihr und auch jetzt wieder sind die ehemalige DDR und ihr westliches Gegenüber das Herzstück.
Drei Personen sind die Fixpunkte in diesem klug komponierten, auf die alte und die neue Welt ausgreifenden System: Toma, eine Nomadin aus den Steppen Sibiriens, Leo ein alter nach New York emigrierter Jude und Roman, der im Bett neben der Ich-Erzählerin liegt. Roman hat, wie alles in diesem Buch über Ost und West, die Stadt und die Wüste, die Vergangenheit und die Zukunft, zwei Seiten. Der blonde Roman ist die Kippfigur. Er trug die Ich-Erzählerin schon im Kindesalter wie Christopherus über den Fluss. Ist Roman wirklich ein Mann, oder legt sich die Autorin mit dem „Roman” ins Bett? Ist der Text des Romans der Fleisch gewordene „Liebesmensch”? Das kann jeder sehen, wie er möchte. Denn beide Antworten sind richtig. Unübersehbar ist jedoch die stabile, durch keine Heirat zu gefährdende Liebe dieser Autorin zur Literatur. Angela Krauß reflektiert mit federleichten Sätzen die Tiefe des Daseins und die Verwirrung, die Geschichte auslöst. In „Wie weiter” wird das alte Haus in der alten DDR und die Komik der katastrophalen Gespräche im alten Treppenhaus so beschrieben, dass der Wettlauf zwischen einem gelben Kinderspielauto und einer Schildkröte dafür ein Spiegelbild ist.
Ein Blick auf Lenins Glassarg
Es ist Strategie dieses formal genauen Konzepts, dass harte Tatsachen auf ein weiches Gegenüber treffen. Das fordert die Sprache heraus und bremst die Kraußschen Libellenflügel. Das Schwere gewinnt sein Volumen am Leichten. Die Trompetenstöße der Elefanten aus dem nahegelegenen Zoo gegen das leise „Darling” aus Leos Mund an das nächtliche Ohr. Diskrepanz und Dissonanz sind die eingesetzten Störfaktoren. Fingerzeige auf kochende Heizkörper oder Lenins Glassarg reichen zur Erhellung des wahnsinnigen Weltsystems. Und Leo, der Zeuge des Schreckens aus dem Alten Europa, brummt: „Höhepunkt und Abgrund liegen gleich nebeneinander”.
Unbedingte Autorität über dieses Beziehungsgeflecht ist die Mutter, Sprecherin herrlicher Sätze. Ihre weisen Bemerkungen und nicht zu Ende gesprochene Ermahnungen über den schonenden Umgang mit Männern, sind Pragmatismus pur. Mit ihm hält sich die Erzählerin in Schräglagen aufrecht. Mehrere „Liebesmenschen”, rät zum Beispiel die Mutter, seien stets besser als ein einziger.
Angela Krauß, dieser Prinz Jussuf aus Leipzig, gibt in ihrem neuen Buch über zentrale Fragen Auskunft: über die Zeit, den Westen („zu hastig, überhitzt, zu klein und zu konkret”), über die Irrtümer der Wahrnehmung – und klar und klug über die Liebe. „Wie weiter” ist ein Buch über die „gewagte Gesellschaftsepoche” DDR. Weil die Autorin aber für ihr Leben genug vom Konkreten hat, wirft sie nur ein paar Spots auf die neuralgischen Punkte wie die Revolution zum Beispiel. Ihre Antworten sind immer überraschend. Sie hebt das Unerwartete hervor, bittet um „Stillstand, um Sammlung, Verdichtung, um die Erfahrung der reinen Substanz!”
Das ist zugleich die Erläuterung ihrer Poetologie und die Erklärung für den zurückhaltenden Umfang ihrer kostbaren Texte. Angela Krauß verbindet in „Wie weiter” romantische Skepsis und poetische Bilder mit zeitscharfer Analyse. Und das Schönste ist: Die hoffnungslosen Fragen werden in schönster Heiterkeit umkreist.VERENA AUFFERMANN
ANGELA KRAUSS: Wie weiter. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 117 Seiten, 14,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andrea Neuhaus gibt sich zunächst ratlos. Sie kann nicht sagen, ob sie einen Roman, ein Gebet oder eine Reflektion gelesen hat. Der schmale Band kreist um Erinnerungen, Monologe und Freundschaften einer Frauenfigur, die auf der Suche nach einem Plan für die Zukunft ist. Diesen findet sie am besten in der Vergangenheit, die sie sich aus Teilen als Ganzes konstruiert. Im Grunde sei die Heldin eine Romantikerin, die sich nach "verlorener Einheit", reiner Substanz oder etwas anderem sehnt. Daher braucht sie auch nicht in die Ferne, die Beschwörungsformeln der Klage gehören bereits zur Selbstfindung. Die "elegante und geschmeidige" Prosa, die viel Platz für Gedanken lässt, imponiert der Rezensentin,die das Buch schlussendlich auch empfehlen kann, was auch immer es nun ist.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ist es lautes Meditieren oder gar ein Sprechgesang? Jedenfalls ist es betörend, wenn Angela Krauß ihre Texte liest ... Sehr individuelle Romane, die zu poetischen Kraftzentren werden, magisch inszeniert von der Autorin.