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Ja, die Wörter sprechen; man muß sie nur fragen. Dann zeigt sich zum Beispiel, daß im 'Clown' ein dummer Bauerntölpel und im 'Strolch' ein schlauer 'Astrologe' steckt, daß der 'Tourist' aus einer griechischen Drechslerwerkstatt kommt und das 'Porzellan' aus einem römischen Saustall, daß hinter der 'Rakete' ein Spinn-'Rocken' steht und hinter dem 'Kanzler' ein Lattenzaun, daß im 'Atelier' die Späne fliegen und die alte Königin Berenike auf jeder 'Vernissage' Ehrengast ist. Die zuerst 1996 vorgelegte Sammlung von 77 Wortgeschichten erscheint in dieser dritten, durchgesehenen Auflage erstmals in einer Buchhandelsausgabe.…mehr

Produktbeschreibung
Ja, die Wörter sprechen; man muß sie nur fragen. Dann zeigt sich zum Beispiel, daß im 'Clown' ein dummer Bauerntölpel und im 'Strolch' ein schlauer 'Astrologe' steckt, daß der 'Tourist' aus einer griechischen Drechslerwerkstatt kommt und das 'Porzellan' aus einem römischen Saustall, daß hinter der 'Rakete' ein Spinn-'Rocken' steht und hinter dem 'Kanzler' ein Lattenzaun, daß im 'Atelier' die Späne fliegen und die alte Königin Berenike auf jeder 'Vernissage' Ehrengast ist. Die zuerst 1996 vorgelegte Sammlung von 77 Wortgeschichten erscheint in dieser dritten, durchgesehenen Auflage erstmals in einer Buchhandelsausgabe.
Autorenporträt
Prof. Dr. Klaus Bartels, Klassischer Philologe, ist einer der tätigsten Vermittler der antiken Kultur. Für seine jahrzehntelang laufenden Kolumnen in großen deutschsprachigen Tageszeitungen ('Streiflichter aus der Antike', 'Wortgeschichten') und für seine Standardwerke 'Veni, vidi, vici' und 'Roms sprechende Steine' wurde er 2004 mit dem Preis der Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.1996

Hat Krallen, aber keinen Kopf
Kater und andere Dinge: Klaus Bartels folgt den Wortbedeutungen

Der Titel soll nicht etwa andeuten, wie es sich zutrug, daß jene Königin aus hellenistischer Zeit, deren Locke sichtbar am Nachthimmel prangt, an der feierlichen Eröffnung einer Gemäldeausstellung teilnahm. Es geht in diesem Buch weniger um Sachen als um Bezeichnungen, zum Beispiel darum, daß das Wort "Vernissage" von dem Namen "Berenike" abstammt. Der Verfasser führt ausgewählte Etymologien vor. Hierbei befaßt er sich nur beiläufig mit all den lautlichen Veränderungen, denen die Sprachforscher so viel Aufmerksamkeit zu widmen pflegen; ihm kommt es vor allem auf die Rösselsprünge der Bedeutungen an sowie auf deren kulturgeschichtlichen Hintergrund.

Beim Beispiel der Titel-Etymologie sieht das so aus: Berenike war auch der Name einer Stadt in der Cyrenaica, der des heutigen Bengasi, und dort produzierte man eine lackartige Substanz, die - da sich im Griechischen b zu v verschoben hatte - "veronice" genannt wurde. Hieraus aber ging im Französischen "vernis" und im Deutschen "Firnis" hervor; der Ausdruck "Vernissage" besagt somit von Hause aus, daß der Maler durch Auftragen des Firnis letzte Hand an seine Bilder zu legen gedenkt.

Man kann die Wortgeschichten, die Bartels zusammengetragen hat (sie kamen zunächst stückweise in der "Stuttgarter Zeitung" ans Licht), großenteils auch in den gängigen etymologischen Lexika, etwa im Kluge-Götze, finden, dort aber nur skelettartig und inmitten eines Wustes von Vokabeln, die einer kulturgeschichtlich bedingten Tiefendimension ermangeln. Die Auswahl also macht die Würze des Bandes aus und zudem die elegante essayistische Darstellungsweise, die sich gern zu Aus-und Seitenblicken herbeiläßt und über den Metamorphosen der Bezeichnungen die jeweils zugrundeliegenden Sachverhalte nicht vergißt.

Die Blickrichtung ist gleichsam vertikal: Alle Wortgeschichten der Sammlung haben antike Wurzeln, gehen also auf sei es griechische, sei es lateinische Ursprünge zurück. Hiermit kommt zweifellos der wichtigste Bereich zu seinem Recht, aus dem sich die Fremd- und Lehnwörter sowie die Lehnübersetzungen der modernen europäischen Sprachen gespeist haben und noch stets speisen: analog zu der Tatsache, daß die europäische Kultur im wesentlichen aus der Hinterlassenschaft der Griechen und Römer hervorgegangen ist. Andererseits aber fehlen die Nebenwege unserer Überlieferung, etwa Beispiele, die der nicht geringen Zahl von Anleihen aus dem Hebräischen oder Arabischen entnommen sind.

"Akademiker, Amethyst, Ampel, Arzt, Asphalt und Beton, Atelier, Automat, Bilanz": mit diesen Stichwörtern beginnt die alphabetisch geordnete Sammlung. Wenn man versucht, Sachgruppen zu unterscheiden, erkennt man leicht, daß Gebrauchsgegenstände und technische Errungenschaften den Löwenanteil beanspruchen, wobei auch Modernstes - wie "Bits, Computer, Digital, Diskette" - berücksichtigt ist. Auch der Mensch und sein Wesen ("Charakter, Charme, Sympathie") sowie seine Tätigkeiten und Berufe ("Schule, Sport, Arzt, Clown, Pilot, Tourist") sind reichlich vertreten; hinzu kommen etliche Wortmonographien aus den Bereichen der Politik ("Euro, Kader, Kanzler"), des Handels und der Wirtschaft ("Bilanz, Büro, Embargo, Finanzen, Giro") sowie der Medizin ("Dosis, Herzinfarkt, Penicillin"). Wie diese Aufzählungen zeigen, sucht die Sammlung einem Interesse zu dienen, das sich jetzt auch in der historischen Forschung hervortut: dem Interesse am Zivilisatorischen und Alltäglichen, an historischer Anthropologie.

Wer gern den nicht selten verzwickten Wegen des Kulturaustauschs nachspürt, von denen unsere Sprache zeugt, wer die dort gespeicherte kollektive Erinnerung zu seiner eigenen zu machen wünscht, oder wer bisweilen plötzlich stutzt und sich über die Lautgestalt oder Bedeutung eines Wortes wundert, das ihm bislang nie sonderlich aufgefallen ist: Sprachfreunde dieser Art kommen bei Bartels auf ihre Rechnung. Sie erfahren dort, daß der "Kater" nach reichlichem Alkoholgenuß nichts mit unserem Haustier zu tun hat oder daß der "Strolch" direkt vom "Astrologen" abstammt - und ganz nebenbei wird ihr Sinn dafür geschärft, daß die Welt, in der wir leben, überaus vielfältig bedingt ist. MANFRED FUHRMANN.

Klaus Bartels: "Wie Berenike auf die Vernissage kam". 77 Wortgeschichten. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996. 190 Seiten, geb., 38,- DM.

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