Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 4,00 €
  • Broschiertes Buch

Hans Keilsons Essays und Reden verbinden die Reflexion mit der Poesie, das Nachdenken mit dem Erzählen. Bereits als Schüler in den zwanziger Jahren hat Hans Keilson kurze Texte geschrieben, er blieb der Form des Essays treu bis heute. Thematisch bewegen sich seine Texte vom Porträt bis zur Landschaftserkundung, von der Psychoanalyse bis zum Nachdenken über Sprache und Schreiben. Immer wieder steht die Trauer über die deutsche Katastrophe des letzten Jahrhunderts im Mittelpunkt, der Schmerz angesichts der Verfolgung und Vernichtung der Juden. Auf der Grundlage der 2005 erschienenen Werkausgabe…mehr

Produktbeschreibung
Hans Keilsons Essays und Reden verbinden die Reflexion mit der Poesie, das Nachdenken mit dem Erzählen. Bereits als Schüler in den zwanziger Jahren hat Hans Keilson kurze Texte geschrieben, er blieb der Form des Essays treu bis heute. Thematisch bewegen sich seine Texte vom Porträt bis zur Landschaftserkundung, von der Psychoanalyse bis zum Nachdenken über Sprache und Schreiben. Immer wieder steht die Trauer über die deutsche Katastrophe des letzten Jahrhunderts im Mittelpunkt, der Schmerz angesichts der Verfolgung und Vernichtung der Juden.
Auf der Grundlage der 2005 erschienenen Werkausgabe hat Heinrich Detering für diesen Band eine Auswahl getroffen und zahlreiche Texte hinzugefügt, die in den letzten Jahren entstanden oder bisher nur entlegen publiziert worden sind.

Gleichzeitig erscheinen von Hans Keilson der Erinnerungsband 'Da steht mein Haus' und die Neuausgabe des frühen Romans 'Das Leben geht weiter'. Lieferbar sind außerdem die Novelle 'Komödie in Moll' und der Roman 'Der Tod des Widersachers'.
Autorenporträt
Keilson, HansHans Keilson wurde 1909 in Bad Freienwalde geboren. Der Arzt und Schriftsteller emigrierte 1936 in die Niederlande, wo er bis zu seinem Tod 2011 lebte. Sein erster Roman 'Das Leben geht weiter' erschien 1933 bei S. Fischer. Die Novelle 'Komödie in Moll' wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und 2010 zum Weltbestseller. Hans Keilson wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, zuletzt mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis, der Moses-Mendelssohn-Medaille, der Humboldt-Medaille und dem »Welt«-Literaturpreis.Literaturpreise:"Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay" der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 2005Moses-Mendelssohn-Medaille 2007

Detering, HeinrichHeinrich Detering ist Professor für Deutsche und Vergleichende Literatur an der Universität Göttingen. Über Thomas Mann liegen zahlreiche Veröffentlichungen von ihm vor, u.a. sein Buch »Thomas Manns amerikanische Religion. Theologie, Politik und Literatur im amerikanischen Exil«. Er ist Mitherausgeber der »Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe« der Werke Thomas Manns.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.05.2011

Gebleicht im Strom der Zeit
Die Erinnerungen des Arztes und Schriftstellers Hans Keilson gehören zu den wichtigen Büchern deutscher Juden
Es ist ein schmales Buch, in dem ein langes Leben enthalten ist. Es trägt Verse als Motto, wie sie früher in Deutschland in die Wäsche eingestickt waren oder gerahmt an den Kleiderschränken hingen: „Geblüht im Sommerwinde, / gebleicht auf grüner Au, / liegt weiß es jetzt im Spinde / als Stolz der deutschen Frau.“ Der Spruch hat hier eine Überschrift, die er an den Kleiderschränken nicht hatte: „Als ich Deutschland verließ.“ Der Titel des schmalen Buches „Da steht mein Haus“ meint das Haus in Holland, in dem der Verfasser seit über einem halben Jahrhundert lebt. Inzwischen ist er 101 Jahre alt.
Hans Keilson, 1909 in Bad Freienwalde an der Oder geboren, hat als deutscher Jude das von den Nationalsozialisten beherrschte Deutschland 1936 verlassen. Da war er bereits ausgebildeter Mediziner und staatlich geprüfter Turn-, Sport- und Schwimmlehrer, hatte an jüdischen Schulen in Berlin und im Landschulheim Caputh unterrichtet. Und er hatte 1933, gefördert von dem bedeutenden Lektor und Lyriker Oskar Loerke, im Fischer Verlag den Roman „Das Leben geht weiter“ veröffentlicht.
Im niederländischen Exil, in dem er nach der Besetzung durch die Deutschen zeitweilig in den Untergrund ging, setzte er beides fort: Er kümmerte sich um jüdische Kinder, und er begann 1942 den Roman „Der Tod des Widersachers“ zu schreiben, der erstmals 1959 erschien. Das Buch war eine Frucht des tiefen Eintauchens in die Erfahrung der Shoa, hervorgegangen aus den therapeutischen Sitzungen Keilsons mit traumatisierten jüdischen Kindern der Opfer.
Ein Schriftsteller, der sich durch einen Brotberuf finanziert, wollte er nie sein. Seine Arbeit als Arzt und Psychoanalytiker hat er der Literatur immer übergeordnet, seine psychoanalytische Praxis hat er erst vor fünf Jahren aufgegeben. Aus den Nebenstunden ist dieses Buch seit 1990 hervorgegangen, in gelegentlichen Notizen, bis die Augen schwächer wurden, dann als Diktat; beides wurde weggelegt, fast vergessen und erst wieder hervorgezogen, als der Autor aus seiner Nebenrolle unübersehbar hervorgetreten war: durch die 2005 bei S. Fischer erschienene zweibändige Werkausgabe und durch den großen Erfolg seiner Erzählung „Komödie in Moll“ und seines Romans „Der Tod des Widersachers“ in den Vereinigten Staaten im Herbst 2010.
Kommen wir auf das Motto zurück, das dem Leser nicht mehr aus dem Sinn geht. Es zeigt eine deutsche Landschaft so, wie sie von den Deutschen in einen Haushaltsspruch hineingemalt wurde, der das Lob der Reinheit singt. In anderen Büchern könnte das wie Ironie wirken. Hier nicht. Hier ist der Spruch von Spind und Stolz eine Verlustanzeige, in der die Aufeinanderfolge von „geblüht“ und „gebleicht“, obwohl sie doch ins strahlende Weiß münden soll, eine dunkle Färbung erhält.
„Die Landschaft, in der man geboren und aufgewachsen ist, kann man nicht hassen.“ In Sätzen wie diesen ist der erfahrene alte Psychoanalytiker anwesend, der diese Erinnerungen verfasst hat. Aber er scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Er schreibt über seine Kindheit und sein Heranwachsen, über die Lebensalter, in denen Sigmund Freud zufolge zurückkehren muss, wer das Ich verstehen will, zu dem er geworden ist. Aber er räumt dabei der Terminologie seiner Zunft nur eine Nebenrolle ein. Und eine Hauptrolle der Einsicht: „Es sind nicht nur die Erlebnisse und Schrecknisse der Kinderstube – es ist das Zeitalter, das mein Leben geprägt hat.“
Aus 22 knappen Kapiteln, die manchmal nur eine Seite umfassen, besteht dieses Erinnerungsbuch. Die Form der großen, in epischem Bogen ein ganzes Jahrhundert umspannenden Autobiographie schlägt es souverän aus. Und gewinnt stattdessen durch seine Neigung zum Aussparen, Andeuten und Verdichten eine Prägnanz, die ganz aus der einzelnen Episode, dem scharf umrissenen Erinnerungsbild hervorgeht: der Oderlandschaft um Bad Freienwalde mit dem Schlittschuhfahren im Winter, den Doktorspielen der Kindheit oder dem zufälligen Blick, den der Junge auf die Brüste der halb entkleideten Mutter erhascht, Szenen in der Schule oder der Synagoge.
Nie geht die Kinderlandschaft verloren, und nie war sie eine Idylle. Von beginn an liegen über ihr die Drohungen des Zeitalters, das hier besichtigt wird. Im Rückblick zeigen sich die Vorboten der Vertreibung und Vernichtung schon im Bad Freienwalde des 17. Jahrhunderts. Bereits in den frühen 1920er Jahren, im Umkreis des Hitler-Putsches, macht der junge Hans Keilson seine ersten Begegnungen mit dem Antisemitismus.
Der Vater, aus Ostpreußen stammend, ein liberaler Mann, beherrscht die hebräischen Gebetsformeln kaum noch, seine orthodox erzogene Frau, die aus Schlesien, aus dem Riesengebirge kommt, muss ihm aufhelfen. Und langsam, während Hans Keilson eine Schlüsselszene erzählt, in der ihn die Schüler für Jahre in den „Klassenschiß“ tun, weil er Heines Gedicht „Die schlesischen Weber“ zur Rezitation und Interpretation ausgewählt hat, begreift man, warum das Motto des schmalen Buches an alte deutsche Wäscheschränke erinnert. Es gehört zur „Kaddisch“-Seite dieser Erinnerungen, zum Gedenken an die Eltern, die beide aus der Welt der Textilkaufleute kamen und in Birkenau ermordet wurden.
Die andere Seite ist das Ankommen des Autors in Holland, das Annehmen des Exils als „Heimat in der Fremde“. Das Ganze gehört in seiner schlichten, ruhigen Sprachgestalt zu den großen Erinnerungsbüchern deutscher Juden, die der Vernichtung entkamen. Es wird dankenswerterweise ergänzt durch Essays und Interviews, die in die Praxis des Psychoanalytikers Hans Keilson hineinführen – und in seine Biographie.
LOTHAR MÜLLER
HANS KEILSON: Da steht mein Haus. Erinnerungen. Herausgegeben von Heinrich Detering. Mit einem Gespräch zwischen Hans Keilson und dem Herausgeber. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 143 Seiten, 16,95 Euro.
HANS KEILSON: Kein Plädoyer für eine Luftschaukel. Essays, Reden, Gespräche. Herausgegeben von Heinrich Detering. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 168 Seiten, 9,99 Euro .
Nie geht die Kinderlandschaft
verloren, nie war sie eine Idylle
„Ich bin kein großer Trompeter gewesen, aber die Holton-Trompete hatte einen wunderschönen, warmen und auch lauten Klang, der an Silversterabenden den Sportpalast in Berlin füllte. Ich spielte auf allen großen Bällen der Reichshauptstadt. Wir spielten auch in einem der kleineren, gemütlichen Säle der Krolloper. Wir übten wöchentlich zwei bis drei Stunden an einem Abend in einer Grunewald-Villa.“
Hans Keilson, ca. 1930
Foto: Privatarchiv
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr