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"Grausame Willkür, Kindesmissbrauch, Menschenrechtsverletzungen - wie konnte all das geschehen? Wie konnte ein Niemand wie Paul Schäfer ein solches Unrechtsregime aufbauen - im Namen Gottes? Wie konnten die Menschen diesem pädophilen Sadisten so blind vertrauen? Wie konnten sie ihren Tyrannen für den Stellvertreter Gottes halten? Wie konnte er mehr als vierzig Jahre lang die Welt zum Narren halten und ungestraft bleiben? Die Sekte Colonia Dignidad war eine Kolonie der Versuchskinder, ein Laboratorium der Big-Brother-Welt von morgen. Ich komme aus dieser Welt. Und ich habe mich entschlossen,…mehr

Produktbeschreibung
"Grausame Willkür, Kindesmissbrauch, Menschenrechtsverletzungen - wie konnte all das geschehen? Wie konnte ein Niemand wie Paul Schäfer ein solches Unrechtsregime aufbauen - im Namen Gottes? Wie konnten die Menschen diesem pädophilen Sadisten so blind vertrauen? Wie konnten sie ihren Tyrannen für den Stellvertreter Gottes halten? Wie konnte er mehr als vierzig Jahre lang die Welt zum Narren halten und ungestraft bleiben?
Die Sekte Colonia Dignidad war eine Kolonie der Versuchskinder, ein Laboratorium der Big-Brother-Welt von morgen. Ich komme aus dieser Welt. Und ich habe mich entschlossen, Zeugnis abzulegen."

Die deutsche Sekte Colonia Dignidad in Chile sorgte jahrzehntelang für Schlagzeilen. Seit 1996 auf der Flucht, konnte ihr Gründer Paul Schäfer erst 2005 verhaftet werden. 2006 wurde er wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern und illegalem Waffenhandel zu zwanzig Jahren Haft verurteilt.

Die "Kolonie der Würde", organisiert nach totalitärem System, war ein Staat im Staate, geschützt von der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet. Dessen Geheimdienst stellte sie ihre Bunkeranlagen zur Verfügung - zu Folterung an Oppositionellen. Die Sekte war ein Mikrokosmos, der von Angst und Misstrauen lebte, von Schuldgefühlen, gegenseitigen Bespitzelungen und ständiger Demütigungen durch drastische Strafmaßnahmen. Und vom alles überschattenden Zorn eines strafenden Gottes, als dessen Stellvertreter sich Paul Schäfer sah.

Ohne Tabu berichtet Klaus Schnellenkamp über seine Kindheit ohne Eltern, von Zwangsarbeit, Strafwillkür und eisener Erziehungsdisziplin, von Psychoterror und Folter. Sein schonungsloser Bericht ist ein mutiges Zeugnis und der sprachlich eindrucksvolle Versuch, die Schrecken einer Jugend unter Gewaltherrschaft aufzuverarbeiten.
Mit 35 Fotos.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2007

Martyrium in Chile
32 Jahre in der „Colonia Dignidad” – der Bericht eines Sklaven
Als Klaus Schnellenkamp im Oktober 2005 seinen Vater Kurt in chilenischer Untersuchungshaft besuchte, wollte der ihm immer noch einreden, Paul Schäfer sei vom Heiligen Geist inspiriert und habe ihn zu Christus gebracht – trotz des 32-jährigen Martyriums, das der Sohn in der Colonia Dignidad erdulden musste. Er wurde in der 1961 von Schäfer unweit des südchilenischen Städtchens Parral gegründeten „Kolonie der Würde” geboren, erst im März 2004 gelang es ihm, sich den Fängen der Sekte zu entziehen. Jetzt hat er die Erlebnisse seiner qualvollen Kindheit und Jugend aufgeschrieben.
Vater Kurt und Mutter Elisabeth zählten zu den 250 Deutschen, die dem in Deutschland schon damals steckbrieflich gesuchten Kinderschänder Schäfer nach Chile gefolgt waren. Klaus und seine sechs Geschwister erfuhren erst als Jugendliche, dass die beiden ihre Eltern waren. Gleich nach der Geburt hatte man sie voneinander getrennt. Die wenigen Fotos der glücklichen Familie, die man Verwandten schickte, waren gestellt.
Seit dem Fall der Diktatur General Augusto Pinochets 1990 ist viel veröffentlicht worden über die Colonia Dignidad. Man weiß, dass Pinochets Geheimdienst auf dem 15 000 Hektar großen Gelände Oppositionelle gefoltert und ermordet hat. Spätestens seit Schäfers Verurteilung zu 20 Jahren Haft 2006 ist verbrieft, dass er mindestens 26 Jungen sexuell missbraucht hat, nachdem er sie unter dem Vorwand in die Kolonie gelockt hatte, sie bekämen dort eine gute Ausbildung. Einige der Jungen haben über ihre Leiden berichtet. Ein Geständnis der Ärztin des Kolonie-Krankenhauses erhärtete den Verdacht, dass dort Menschen mit Elektroschocks und Psychopharmaka misshandelt worden waren.
Schnellenkamp bestätigt all dies, doch im Mittelpunkt seines sehr persönlichen Berichts steht das tägliche Leben sowie Schäfers System, die Menschen zu willenlosen Marionetten zu machen. Sie gehorchten ihm blind, selbst wenn er verlangte, nicht nur dabei zuzuschauen, wie ihre eigenen Kinder gefoltert wurden, sondern dazu auch noch zu applaudieren, weil es angeblich deren Seelenheil diente. Für diese „Brautgemeinde Christi” war Schäfer ein Messias, der sie glauben machte, berufen zu sein, sich den Attacken des Teufels, der sexuellen Lust, zu widersetzen. Man lebte strikt nach Geschlechtern getrennt, bekämpfte sexuelle „Anfechtungen” mit Spagat, während Schäfer sich an kleinen Jungen verging.
„Beten, Singen, wenig Schlaf, viel Arbeit, ständiges Rechtfertigen gegenüber dem Seelsorger”, so beschreibt Schnellenkamp das geforderte „vollkommene Leben”. Freundschaften wurden unterbunden, jeder bespitzelte und verriet jeden, niemand widersetzte sich, aus Überzeugung, aber auch aus Angst, selbst Opfer der furchtbaren Strafen zu werden.
Schnellenkamp musste arbeiten bis zum Umfallen – er wurde bis zur Bewusstlosigkeit verprügelt und ausgepeitscht, erlitt drei Schädeltraumata und eine -fraktur, die nicht behandelt wurden, sodass er ständig unter Migräne litt. Er wurde zu Hungerstrafen verurteilt und erhielt ein Jahr lang absolutes Sprechverbot, weil er ein Gedicht geschrieben hatte. Damit galt er als „widerspenstiger Geist”. Mit zwölf Jahren versuchte Schnellenkamp zu fliehen, wurde geschnappt und daraufhin monatelang mit Psychopharmaka traktiert. Einer Vergewaltigung Schäfers entging er knapp, weil er sich erbittert wehrte – was er erneut mit Folter bezahlte.
Schnellenkamps Vater wurde als Mittäter Schäfers zu fünf Jahren Haft verurteilt, die Versuche des Sohnes, sich mit ihm zu versöhnen, blieben erfolglos. Das Buch ist keine analytische Auseinandersetzung mit der Schäfer-Sekte, Schnellenkamp trägt aber dazu bei, über den Alltag in der deutschen Enklave aufzuklären, mit der Chiles Justiz auch nach der Rückkehr zur Demokratie viel zu lange Nachsicht zeigte. EVA KARNOFSKY
KLAUS SCHNELLENKAMP: Geboren im Schatten der Angst. Ich überlebte die Colonia Dignidad. Herbig Verlag, München 2007. 238 Seiten, 20,50 Euro.
„Die Brautgemeinde Christi” nannte der skrupellose Herrscher der „Colonia Dignidad”, Paul Schäfer, die Mitglieder seiner Sekte. Im Bild ein Musikensemble im traditionell deutschen Habitus, aufgenommen am 9. Februar 1991. Foto: picture- alliance/dpa
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