Was Karl Johaentges, mehrfach ausgezeichneter Fotograf, mit "Dächer über Berlin" vorlegt, ist eine faszinierende Reise durch eine Stadt, welche viele zu kennen meinen - die sie so jedoch noch nie gesehen haben. Fünf Jahre hat sich Johaentges auf Spurensuche über und unter den Dächern Berlins begeben, fünf Jahre hat er das Wesen der stark zerstörten, lange geteilten, nun wieder im Aufbruch befindlichen Stadt ergründet. Von der Kuppel des Reichstags bis zu Dachwohnungen in Kreuzberg, von Hallenbädern, Fabrikhallen und Toilettenhäuschen über Museen und Ateliers bis zum Bundeskanzleramt, von Bibliotheken bis zu futuristischen Hotellobbys - entstanden ist ein Portrait voller Facetten, mit überraschenden Perspektiven, die selbst eingefleischte Berliner nicht kennen dürften und in der Regel nie kennen lernen werden.Karl Johaentges Buch macht Lust. Lust auf Architektur, Lust auf Geschichten erzählende Stadträume, Lust auf spektakuläre und legendäre Dächer, Lust auf neue Sichten - und vorallem Lust auf diese Stadt: Berlin.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2009Weit oben in Berlin
An der Ecke Reinhardtstraße, Albrechtstraße, gleich neben dem Deutschen Theater, steht in Berlin der "Reichsbunker Friedrichstraße". Im Zweiten Weltkrieg sollte er zweitausend Personen Schutz bieten. Als man ihn nach dem Krieg abreißen wollte, kam man nicht einmal mit Sprengungen weiter. So diente er als Lager für Südfrüchte und auch als Diskothek, bis Christian Boros kam und und dort seine Sammlung zeitgenössischer Kunst unterbrachte. Auf das Dach des grauen Hauses setzte er als Kontrast einen Bau aus Glas. Darin wohnt er. Der Blick über Berlin ist - darf man sagen: himmlisch. Der Fotograf Karl Johaentges, der von Beruf Architekt ist, durfte hinauf auf dieses Dach. Zwei Bilder von dem Kunstbunker nahm er in seinen Bildband "Dächer über Berlin" auf. Der Betrachter würde gern mehr sehen. Aber noch bevor er sich beim Umschlagen über die Häppchenware ärgern kann, wartet schon die nächste Überraschung: die 1400-Quadratmeter-Dachwohnung von Erica Hoffmann, ebenfalls eine Kunstsammlerin. Jahrelang kletterte Johaentges auf den Dächern der Hauptstadt herum, auf Türmen, Kirchen, Dach-, Schnür- und Archivböden sowie in Dachwohnungen von ganz reich bis ganz arm. Ist Berlin womöglich am schönsten auf seinen Dächern? Sind nicht die Türme der klotzigen Karl-Marx-Allee, der sozialistischen Vorzeigemagistrale, großartige Orte, von denen man gar nicht mehr weg möchte? Und wie schafft es die FDP-Bundestagsfraktion zu arbeiten - angesichts des wunderschönen Ausblicks aus dem Sitzungssaal? Wie schön ist doch eines der kommunalen Hauptprobleme, die Stadtbäder. Und erst der Blick auf den Flughafen Tempelhof - aber das ist Geschichte.
F.P.
"Dächer über Berlin" von Karl Johaentges, mit einer Einleitung von Falk Jaeger. Hinstorff Verlag, Rostock 2008. 240 Seiten, etwa 240 Fotos. Gebunden, 44 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
An der Ecke Reinhardtstraße, Albrechtstraße, gleich neben dem Deutschen Theater, steht in Berlin der "Reichsbunker Friedrichstraße". Im Zweiten Weltkrieg sollte er zweitausend Personen Schutz bieten. Als man ihn nach dem Krieg abreißen wollte, kam man nicht einmal mit Sprengungen weiter. So diente er als Lager für Südfrüchte und auch als Diskothek, bis Christian Boros kam und und dort seine Sammlung zeitgenössischer Kunst unterbrachte. Auf das Dach des grauen Hauses setzte er als Kontrast einen Bau aus Glas. Darin wohnt er. Der Blick über Berlin ist - darf man sagen: himmlisch. Der Fotograf Karl Johaentges, der von Beruf Architekt ist, durfte hinauf auf dieses Dach. Zwei Bilder von dem Kunstbunker nahm er in seinen Bildband "Dächer über Berlin" auf. Der Betrachter würde gern mehr sehen. Aber noch bevor er sich beim Umschlagen über die Häppchenware ärgern kann, wartet schon die nächste Überraschung: die 1400-Quadratmeter-Dachwohnung von Erica Hoffmann, ebenfalls eine Kunstsammlerin. Jahrelang kletterte Johaentges auf den Dächern der Hauptstadt herum, auf Türmen, Kirchen, Dach-, Schnür- und Archivböden sowie in Dachwohnungen von ganz reich bis ganz arm. Ist Berlin womöglich am schönsten auf seinen Dächern? Sind nicht die Türme der klotzigen Karl-Marx-Allee, der sozialistischen Vorzeigemagistrale, großartige Orte, von denen man gar nicht mehr weg möchte? Und wie schafft es die FDP-Bundestagsfraktion zu arbeiten - angesichts des wunderschönen Ausblicks aus dem Sitzungssaal? Wie schön ist doch eines der kommunalen Hauptprobleme, die Stadtbäder. Und erst der Blick auf den Flughafen Tempelhof - aber das ist Geschichte.
F.P.
"Dächer über Berlin" von Karl Johaentges, mit einer Einleitung von Falk Jaeger. Hinstorff Verlag, Rostock 2008. 240 Seiten, etwa 240 Fotos. Gebunden, 44 Euro.
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