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Ein Zeuge des Jahrhunderts erzählt sein Leben - ohne Nostalgie, ohne Pathos, nachdenklich und mit trockenem Humor. Dieter Hildebrandt prägt wie kein anderer das politische Kabarett in Deutschland. Er hat Kultrollen in Filmen gespielt, viele erfolgreiche Bücher geschrieben und zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeit erhalten. Aus Anlass seines 80. Geburtstages ermöglicht er den Lesern, persönliche Einblicke in sein Leben zu nehmen.

Produktbeschreibung
Ein Zeuge des Jahrhunderts erzählt sein Leben - ohne Nostalgie, ohne Pathos, nachdenklich und mit trockenem Humor. Dieter Hildebrandt prägt wie kein anderer das politische Kabarett in Deutschland. Er hat Kultrollen in Filmen gespielt, viele erfolgreiche Bücher geschrieben und zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeit erhalten. Aus Anlass seines 80. Geburtstages ermöglicht er den Lesern, persönliche Einblicke in sein Leben zu nehmen.
Autorenporträt
Dieter Hildebrandt, geboren 1927 in Bunzlau, Niederschlesien, studierte in München Theaterwissenschaften. Zusammen mit Sammy Drechsel gründete er die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, deren Ensemble er bis 1972 angehörte. Von 1974 bis 1982 arbeitete er mit dem Kabarettisten Werner Schneyder zusammen. Seine TV-Serien Notizen aus der Provinz und Scheibenwischer wurden große Erfolge. Berühmtheit erlangte er auch durch seine Rollen in Kinoproduktionen wie Kir Royal und Kehraus. Hildebrandt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Grimme-Preis in Gold, Silber und Bronze. Viele erfolgreiche Bücher bei Blessing, darunter Nie wieder achtzig! (2007) und Letzte Zugabe (2014). Bis zu seinem Tod im November 2013 lebte Dieter Hildebrandt mit seiner zweiten Frau, der Kabarettistin Renate Küster, in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2007

Da lachen ja die Wölfe
Kraftakt am Schreibtisch: Wenn Schauspieler zu Autoren werden

Man steigt nicht zweimal in denselben Morast. Wer sich einmal durch harte Arbeit an die Spitze gekämpft, wer den langen Atem in einer Kunstform bewiesen hat, der überspringt diese Zeit der Entbehrungen in allen weiteren Disziplinen gerne. Das Publikum ist ja schon da. Schriftsteller, die als bildende Künstler oder Musiker reüssieren, Darsteller, die Regie führen, Schauspieler, die sich an die Literatur wagen. Im letzten Fall handelt es sich allerdings um einen besonderen Kraftakt: die Emanzipation vom Drehbuch. Die Meister der Verkörperung literarisch geformter Sprache, die, wie der Schallanalytiker Eduard Sievers meinte, nur die eingesenkte Melodie und Stimme des Autors erklingen lassen, begeben sich einen Schritt zurück, werden sich autopoietisch zur Bedingung der eigenen Möglichkeit. Das darf einen Zug ins Große haben, zumal bei Artisten jenseits der siebzig. Schnell geht es dabei ums Ganze oder gar um mehr: um das Ganze inklusive seiner Möglichkeiten, um Utopie. Beliebt ist die Gattung der Parabel.

Das alles ist der Fall in Dietmar Schönherrs literarischem Versuch "Liberté und die Wölfe". Am Ende steht hier eine "Verfassung der Kinder" ("Nichts gehört jemand, alles gehört allen"), aber wie es dahin kommt, ist fast ein wenig peinlich: Der österreichische Fernsehstar hat sich einen Klassiker zum Vorbild genommen und erzählt eine fröhlich kalauernde Heilsgeschichte. Ähnlich wie bei Dostojewskis "Großinquisitor" landet die zurückgekehrte Jesus-Figur - hier "Liberté" geheißen, weil die ersten Worte des Kaffee verschmähenden Kindes "Lieber Tee" waren - im Kerker; anders als bei Dostojewski ist sie jedoch unverwundbar und setzt bei König Hadramauz im Hauruck eine kriegsfreie Gesellschaft durch. Die Philosopheme hotzenplotzen vor sich hin: "Ich will wie die Schafe sein, nicht wie der Wolf." Aber die böse Welt siegt schließlich doch, den Wolf hungert, die Freiheit stirbt einen weiteren Tod. Nur die Hoffnung überlebt und, nun ja, der Kitsch.

Umfassender ist die literarische Produktion von Armin Müller-Stahl, der sich vom Filmgeschäft weitgehend zurückgezogen hat, weil es diesem heute an Qualität mangele. Widmen möchte er sich nun vor allem der Malerei, der Musik und der Literatur; mit "Kettenkarussell" legt er eine Sammlung von Erzählungen vor. Auch hier Protagonisten von Rang: die Menschheit, der Krieg und der Tod, erstaunlich oft der Tod. Einem Priester entfällt Wesentliches: "Die Automatik des Atems, ich habe vergessen, wie man atmet." Ein Mann verkleidet sich als Möwe, seine pathologischen Gedanken kreisen, nur er selbst vermag nicht zu fliegen: "Eine Möwe, die auf Kopfsteinpflaster aufschlägt." Dominiert wird der Band von der Titelerzählung über die magische oder nur imaginierte Rettung dreier junger jüdischer Männer vor der Deportation im Jahre 1942, indem deren Tod - prätentiös auf einem nicht mehr stoppenden Kettenkarussell - von dem Illusionskünstler Machuleit inszeniert wird. Man ahnt: Mit weniger als der Frage nach dem Leben gibt sich dieser Autor nicht zufrieden. Rhetorisch umständlich herausgemeißelt die skeptische Antwort: "Leben heißt, den anderen misszuverstehen, immer wieder und immer wieder misszuverstehen, um dann, nach reiflichen Gedanken, noch mal misszuverstehen" Das muss man nicht verstehen.

Ein weiterer Altstar, der uns im Hardcover-Panzer begegnet, hat prinzipiell etwas gegen den "Hauch von Todesnähe": "Nein, dachte ich, du musst das anders machen, du musst gut gelaunt hereinkommen, du musst ein bisschen Lebensfreude verbreiten." Dieter Hildebrandts Autobiographie heißt nicht umsonst "Ich musste immer lachen". Nirgends ist dieses Buch pathetisch, immer akribisch genau. Das Lachen konnte sich der spätere Bühnenlöwe schon nicht verkneifen, als man ihn 1943 anschrie: "Rechts um!" oder "Stillgestanden!" Befolgt hat er die Befehle trotzdem. Er beschönigt nicht, gedacht zu haben, "es kann gar nichts schiefgehen, weil wir so ein unglaublich starkes Volk sind". Den Eintritt in die NSDAP, den unlängst ein Archivfund zu belegen schien, hat Hildebrandt entschieden bestritten (F.A.Z. vom 2. Juli). Sein Rückblick auf das eigene Leben und auf das zwanzigste Jahrhundert ist von anderem Kaliber als die vorgenannten Alterswerke. Vor allem ist er von poetischen Allüren gänzlich frei. Vielmehr hat der Kabarettist, obwohl im Umgang mit der Sprache bestens geübt, seine Gedanken Bernd Schroeder, einem renommierten Autor, zur Niederschrift anvertraut.

So ist ein sehr lesenswertes Buch entstanden, das zahlreiche Details in Bezug auf die frühe bundesrepublikanische Medien- und Theaterwelt enthält, aber auch manche ergreifende, sehr persönliche Passage. Die alten Gegner und Lieblingsfeinde, allen voran Adenauer, wandeln sich nun fast zu Freunden. Vielleicht lassen sich Hildebrandts Aufstieg und Abschied zuletzt doch - und viel mehr als manche raunend oder weise verkündete Weltformelnovelle - als Parabel verstehen: auf den so eigenen und ernsten Humor der alten Bundesrepublik, dessen Konturen allmählich verblassen.

OLIVER JUNGEN

Dietmar Schönherr: "Liberté und die Wölfe". Ephelant Verlag, Wien 2006. 192 S., geb., 22,- [Euro].

Armin Müller-Stahl "Kettenkarussell". Erzählungen. Aufbau Verlag, Berlin 2006. 152 S., geb., 18,50 [Euro].

Dieter Hildebrandt mit Bernd Schroeder: "Ich musste immer lachen". Dieter Hildebrandt erzählt sein Leben. Verlag Kiepenheuer&Witsch, Köln 2006. 238 S., 18,90 [Euro].

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