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Damon Galgut folgt dem britischen Autor E.M. Forster vom prüden England der Jahrhundertwende ins sinnliche Indien und zur Entstehung eines Meisterwerks.
Im Oktober 1912 nähert sich die SS City of Birmingham Indien. An Bord ist auch der 33-jährige Edward Morgan Forster, Autor von vier Romanen, die ihm in seiner Heimat bereits einigen Ruhm eingetragen haben. Nun ist er, beflügelt vom Erfolg seines jüngsten Werks "Wiedersehen in Howards End", zu einer Reise ins Unbekannte aufgebrochen. Fern der Enge der englischen Kleinstadt Weybridge in Surrey zeichnet sich das Versprechen einer…mehr

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Produktbeschreibung
Damon Galgut folgt dem britischen Autor E.M. Forster vom prüden England der Jahrhundertwende ins sinnliche Indien und zur Entstehung eines Meisterwerks.

Im Oktober 1912 nähert sich die SS City of Birmingham Indien. An Bord ist auch der 33-jährige Edward Morgan Forster, Autor von vier Romanen, die ihm in seiner Heimat bereits einigen Ruhm eingetragen haben. Nun ist er, beflügelt vom Erfolg seines jüngsten Werks "Wiedersehen in Howards End", zu einer Reise ins Unbekannte aufgebrochen. Fern der Enge der englischen Kleinstadt Weybridge in Surrey zeichnet sich das Versprechen einer außergewöhnlichen Zukunft am Horizont ab. Und tatsächlich findet Forster - von der Sinnlichkeit Indiens gleichermaßen angelockt wie verstört - hier den Keim für einen großen Roman: ein diffuses erotisches Begehren und das Gefühl dräuenden Unheils unter einem gleißenden, leeren Himmel. Zwölf Jahre und zahllose innere Kämpfe werden diesem hoffnungsvollen Aufbruch folgen, bis daraus schließlich Forsters Meisterwerk "Auf der Suche nach Indien" entsteht.
Autorenporträt
Damon Galgut, geboren 1963 in Pretoria. Bereits mit 17 Jahren Beginn des Schreibens. Sein Roman "Der gute Doktor" wurde nominiert für den Booker Prize und 'bestes Buch' mit dem Commonwealth Writers' Prize ausgezeichnet. Der Autor lebt in Cape Town.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2014

Das Geheimnis der Grotten

"Arktischer Sommer" von Damon Galgut ist eine Romanbiographie über den Schriftsteller E. M. Forster, Jahrgang 1879. Was bewegt einen südafrikanischen Autor, heute über einen Engländer in Indien vor dem Ersten Weltkrieg nachzudenken?

Von Verena Lueken

Abgesehen von den Marabar-Höhlen - und sie liegen zwanzig Meilen außerhalb -, gibt es in der Stadt Chandrapore nichts Außergewöhnliches zu entdecken."

Mit diesem einfachen Satz beginnt Edward Morgan Forsters Roman "Auf der Suche nach Indien" aus dem Jahr 1924. Unscheinbar kommt dieser erste Satz daher, und er lässt alles offen. Aber wir ahnen, in diesen Höhlen wird etwas Wichtiges, vielleicht etwas Dramatisches geschehen. Was das sein würde, das wusste Forster, als er diesen Satz niederschrieb, selbst noch nicht genau. Doch die Höhlen wurden schließlich zum zentralen Ort seines Romans, über den er länger nachdachte, mit dem er länger kämpfte als mit irgendeinem anderen. "Howards End", sein vorhergehender, mit dem er genügend Geld für seine erste Indien-Reise verdient hatte, war dagegen ein Kinderspiel, "Zimmer mit Aussicht" eine Fingerübung.

Vierzehn Jahre lang schwieg Forster literarisch. Allein neun Jahre dauerte es, bis er eine Entscheidung traf, was in den Marabar-Grotten passieren sollte. Eine Vergewaltigung möglicherweise. Vielleicht nur eine als unschicklich betrachtete Berührung zwischen einem Inder und einer Engländerin. Oder auch gar nichts Manifestes in dieser Richtung, sondern nur Blicke, Gefühlswallungen, zitternde Knie, feuchte Hände. Das Geschehen, was auch immer es war, bildet das Herzstück seines Romans. Doch Forster ließ schließlich offen, was tatsächlich passierte. Die Höhlen blieben ein Ort der Phantasie, eines Schattenspiels, befeuert von einem verbotenen Begehren, das die Sinne vernebelte.

Wer war E. M. Forster in jenen Jahren, was quälte ihn, was hielt ihn zurück, was löste seine gewaltige Schreibblockade aus, und wie kam er über sie hinweg? Darüber hat der südafrikanische Schriftsteller Damon Galgut, Jahrgang 1963, einige Generationen nach E. M. Forster nachgedacht. Ihm seien Blockaden ähnlicher Art nicht fremd, sagt er in einem langen Gespräch, das wir in London führen, er habe mehr Zeit damit verbracht, nicht zu schreiben als zu schreiben. Und er wollte herausfinden, was ein Buch ausmacht, das er so liebt wie Forsters Indien-Roman. Wie ein Roman überhaupt entsteht, und was der Autor in ihn hineinlegt. Dafür schien ihm Forsters "Suche nach Indien" ein geeignetes Vehikel zu sein.

Galgut, der bereits drei Romane geschrieben hat, begann mit einer jahrelangen Recherche; er hat Biographien gelesen und Briefe und Tagebücher, nicht nur von Forster, auch von denen, mit denen dieser in Kontakt war, von Freunden, Kollegen, Gefährten. Fast fünf Jahre hat er an dem Thema gearbeitet, Anfang des Jahres kam sein Buch auf den englischsprachigen Markt, jetzt liegt es auf Deutsch vor: "Arktischer Sommer" (im Manhattan Verlag, übersetzt von Thomas Mohr). Es ist eine Romanbiographie, in der, so versichert Galgut, alles, was faktisch belegbar ist, den Fakten entsprechend dargestellt sei. In dieser Hinsicht gibt es keine Überraschungen. Die Leerstellen aber hat Galgut ausgefüllt - mit Szenen, Episoden, Dialogen, Gedanken, die ihm seiner Kenntnis Forsters nach plausibel schienen. Denn das, was diese Jahre prägte, ist in den Quellen nicht auffindbar. Forster bewahrte selbst in seinen Tagebüchern fast immer Schweigen über sein Schreiben, über seine Arbeit, wie er weiterkam oder auch nicht. Und er schrieb sozusagen nie über seinen inneren Zustand.

Galgut gibt in seinem Buch diesem verklemmten Engländer, der seine Gefühle weder kannte noch auslebte, genau dies: eine emotionale Tiefe, ein heftiges Begehren. Er bringt ihn zusammen mit offen homosexuell lebenden Männern, um zu zeigen, selbst unter Strafandrohung gab es das damals und in Forsters Nähe: Männer, die lebten, wie sie fühlten. Vor allem aber zieht er die Verbindung zwischen der Entstehung der "Suche nach Indien" und dem verwirrten, verknoteten inneren Leben Forsters. So schält sich heraus, was diesen quälte, während er vergeblich an seinem Indien-Buch herumkaute und jahrelang nicht weiterkam, und das seine Inspiration doch über die vielen Jahre nährte, bis er endlich wieder schreiben konnte - das ihm selbst unermesslich scheinende Gefühl für seinen Freund Massoud. Und da kommen wieder die Höhlen ins Spiel.

Forster hatte Massoud in Cambridge kennengelernt, ihm Latein beigebracht und sich verliebt. Massoud hatte ihn immer wieder eingeladen, nach Indien zu kommen. Aber nur Forster, nicht Massoud, der in Indien bald heiratete, spürte diese Sehnsucht. Sie erfüllte sich erst später für eine Weile im Zusammensein mit Mohammed, einem Schaffner in Alexandria. Forster verbrachte den Ersten Weltkrieg in Ägypten. Und erst dort fand er endlich Mut und Gelegenheit für eine auch sexuelle Liebe, an der er bis zum Tod Mohammeds festhielt. Und erst in dieser Erfahrung löste sich allmählich jener Gefühlsknoten, der ihn so lange am Schreiben hinderte.

Galgut beschreibt Forsters Ängste, seine Einsamkeit, seine Homosexualität, die ihn so sehr erschreckt, dass er nur einmal, in seinem Buch "Maurice", über sie gesprochen hat, freigegeben zur Publikation erst nach seinem Tod. Wie in Colm Tóibíns Henry-James-Roman "Der Meister", so spielt auch in Galguts Forster-Roman das grenzenlose Begehren hin zu anderen Männern eine entscheidende Rolle, während es in den Büchern dieser Autoren so gut wie niemals vorkommt.

Den Titel seines Romans hat Galgut sich übrigens von Forster geliehen: "Arktischer Sommer" heißt ein Fragment von etwa fünfzig Seiten, das Forster hinterlassen hat, ein unfertiges Werk, das ihm "technische Schwierigkeiten" bereitete, wie er in seinem langen Interview in der "Paris Review" im Jahr 1953 erzählte. "Arktischer Sommer" aber sei, sagt Damon Galgut, vor allem eine treffende Beschreibung von Forster selbst: "Gefroren wie eine vereiste Landschaft, aber mit einem aufgerissenen Himmel darüber." Oder, wie Forster selbst in jenem Interview sagte: "The long cold day in which there is time to do things." Dieser lange kalte Tag waren jene vierzehn Jahre ohne Buchveröffentlichung, und Forster nutzte die Zeit zum Reisen.

Was bringt einen südafrikanischen Autor dazu, sich derart intensiv mit einem englischen Schriftsteller zu beschäftigen, der in den Jahren 1912/13 zum ersten Mal nach Indien fuhr, den Ersten Weltkrieg in Ägypten verbrachte, der in England bei seiner Mutter lebte und als Homosexueller erst im Alter von siebenunddreißig Jahren seine Unschuld verlor, nachdem er zuvor mit fasziniertem Entsetzen, angst- wie lusterfüllt um sich herum homosexuelle Begegnungen beobachtet, erahnt, erträumt hatte?

Galguts Themen waren bisher völlig andere, so schien es. Seine vielfach ausgezeichneten Bücher (auf Deutsch alle bei Manhattan) handelten, auch wenn sie, wie sein vorletztes ("In fremden Räumen", 2010) vom Reisen erzählten, immer von Südafrika, seinem Heimatland, vom Fremdsein, von der Aussichtslosigkeit, sich als Weißer der Schuld zu entziehen, die Kolonisation und Apartheid über das Land gebracht hatten und von denen jeder Weiße profitierte, ob er wollte oder nicht. Sein bekanntestes Buch, "Der gute Doktor" (2006), kreist - wie auch "Der Betrüger" (2011) - um Fluchten, um Abstandnehmen und darum, wie unmöglich es ist, ganz fortzugehen aus einem Land, das Heimat ist im Sinn auch von Fessel, lästigem Klotz am Bein. Nur in Galguts Beschreibungen der Landschaften, die eigenwillig und ausschweifend sind, wird eine andere Verbundenheit spürbar, ein Verwachsensein mit den trockenen Böden, den stacheligen Pflanzen und abgrundtiefen Schluchten.

"Arktischer Sommer" ist für Galgut ein bewusster Aufbruch, eine fast demonstrative Geste. Ein Buch ohne Südafrika, aber kein Schritt auf völlig unvertrautes Terrain. Galgut ist ein Reisender, wie Forster es in jenen Jahren war, er ist selbst seit fünfzehn Jahren immer wieder in Indien unterwegs gewesen und hat große Teile seines Werks dort geschrieben, weil ihm erst die Entfernung von Südafrika ermöglichte, überhaupt zu schreiben. Er sagt, er ahne auch, "in Forsters Leben spiegele sich ein Stück des eigenen".

Vor allem Forsters Erfahrungen mit den Rassenbeziehungen in Indien, wie sie im einzelnen aussehen, ob sie veränderbar sind, ob Herrschaftsverhältnisse, die auf Rassenunterschieden beruhen, auszuhebeln seien, die Frage, ob und wie die Entfernung zwischen Menschen unterschiedlicher Rassen- und Klassenzugehörigkeit überhaupt überbrückbar ist - "das war eine Sprache, die ich nicht lernen musste. Da war mir plötzlich alles vertraut." Und die Fremdheit im eigenen Land, die Forster als Homosexueller in der bigott verschlossenen Gesellschaft Englands zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts spürte, die kennt Galgut auch, wenn auch aus anderen Gründen. Es ist die Fremdheit des Außenseiters, dessen, der in seinen Wünschen, seiner Art abweicht vom Standard seiner Zeit. All dies führt zu der Frage, die auch Forster umtrieb, vor allem in der Begegnung mit Menschen anderer Hautfarbe: "Gibt es das, eine Art demokratische Zuneigung?"

Wie in Forsters "Suche nach Indien", so ist in Galguts "Arktischem Sommer" die Szene in der Höhle von Marabar zentral: Forster selbst war in den Jahren 1912/13 in diesen Höhlen gewesen. Es war während seiner ersten Indien-Reise, die er unternommen hatte, um endlich Massoud zu besuchen, dessen Liebesbezeugungen in England er missverstanden hatte, und der, als Forster schließlich in Indien ankam, nur wenig Zeit für ihn hatte: drei Wochen insgesamt bei einem Aufenthalt von einem halben Jahr. Am Morgen der Abreise Forsters hatte Massoud den Ausflug zu den Grotten "als eine Art Trostpreis" arrangiert, war selbst aber nicht mitgefahren, nicht einmal aufgestanden, als Forster früh das Haus verließ. Wütend, verletzt, enttäuscht war Forster schließlich bei den Höhlen angekommen. Sie kamen ihm nicht besonders eindrucksvoll vor. Aber innerlich geschah etwas mit ihm.

Galgut vermutet, der innere Aufruhr habe nicht nur mit Forsters Enttäuschung über die knappe Zeit des Freundes zu tun, sondern vor allem mit dem Verlauf der Nacht davor. Möglicherweise hat Forster versucht, Massoud zu küssen. So steht es im "Arktischen Sommer", und es ist ganz plausibel, die Zurückweisung auch für den Leser so schmerzhaft wie Forsters Pein, seine Scham, sein Zorn.

Wie sich diese unterschiedlichen Gefühle zu einem unentwirrbaren Kloß vermengen und erst nach vielen Jahren und mehreren Versionen zu jenem brillanten literarischen Einfall führen, das Geschehen in den Höhlen in der Schwebe zu lassen, das beschreibt Damon Galgut mit eigener Sinnlichkeit: "Die Höhlen hatten einer Sekte als Unterschlupf gedient, Leuten, die einen weitaus strengeren Pfad der Askese beschritten hatten als die meisten anderen. Wie und woran genau sie geglaubt hatten, war der Vergessenheit anheimgefallen. Aber in gewisser Weise waren sie immer noch präsent, sei es als Geister oder als matter Widerschein im Stein, der jene Besucher berührte, deren Haut dafür empfänglich war." Es weht ein Unheimliches durch diese Sätze, wie es Forster empfunden haben mag an jenem Morgen.

Was traut Damon Galgut der Forsterschen "demokratischen Zuneigung" zu, der Begegnung zwischen Menschen über Gräben sozialer, kolonialer, rassischer Diskriminierung hinweg? Forster, der verklemmte Engländer, hat sie gesucht, mit seiner Liebe zu Massoud, dem Inder, die ihn in die Grotten von Marabar führte, und zu dem Ägypter Mohammed, die ihn aus ihnen befreite. "Die Zukunft der Menschen", antwortet Galgut leise, "hängt davon ab, was der Masse geschieht. Aber was heißt das? Alles, was Forster dem Schlachten im Ersten Weltkrieg entgegensetzen konnte, war seine Beziehung zu dem Schaffner Mohammed. Das änderte nichts an der Geschichte. Aber es veränderte etwas in seiner kleinen Ecke des Universums. Vielleicht ist das alles, was wir haben. Unsere kleine Ecke. Das ist nicht so schlecht."

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"ein berührendes Lehrstück über den Würgegriff der Konvention und, - frei nach Freud - die grandiose Wirkung sexueller Sublimierung." Die Rheinpfalz