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Seit Jahren durchstreift Herbert Pöhnl Hinterbayern: Mit seinen Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentiert er die Landschaft, Städte und Dörfer Ostbayerns. Seine Bilder sind voller Ironie, sie "lächeln über sich selber", wie Bernhard Setzwein einmal über die typischen Pöhnl-Bilder schrieb.Ergänzt werden die Fotografien durch satirische Kurztexte, die Pöhnl aus seinen Kabarettprogrammen herauskristallisiert hat. Mit kritischem Blick hinterfragt Herbert Pöhnl den Tourismus in Bayern, die klischeehafte Vermarktung von Heimat und die Auswirkungen auf die Bewohner.

Produktbeschreibung
Seit Jahren durchstreift Herbert Pöhnl Hinterbayern: Mit seinen Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentiert er die Landschaft, Städte und Dörfer Ostbayerns. Seine Bilder sind voller Ironie, sie "lächeln über sich selber", wie Bernhard Setzwein einmal über die typischen Pöhnl-Bilder schrieb.Ergänzt werden die Fotografien durch satirische Kurztexte, die Pöhnl aus seinen Kabarettprogrammen herauskristallisiert hat. Mit kritischem Blick hinterfragt Herbert Pöhnl den Tourismus in Bayern, die klischeehafte Vermarktung von Heimat und die Auswirkungen auf die Bewohner.
Autorenporträt
Herbert Pöhnl, geboren 1948 in Furth im Wald, seit 1976 zahlreiche Ausstellungen, Veröffentlichungen u.a. HinterBayern (1996), Fotoband mit Texten von Bernhard Setzwein und Karl Krieg, sowie Heimat bitte lächeln (2004) im lichtung verlag, Der halbwilde Wald. Nationalpark Bayerischer Wald: Geschichte und Geschichten (2012) im oekom verlag. Mitarbeiter des ostbayerischen magazins lichtung und des lichtung verlags. Seit 2000 Auftritte mit dem Programm Wo bitte liegt HinterBayern? und koawerbungned (Lesung, Musik, Bilder). Lebt in Viechtach.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.03.2014

Der zweite Blick
Der Fotograf und Kabarettist Herbert Pöhnl zeigt in seinem Buch „hinterbayern_inside“ Schwarz-Weiß-Bilder aus dem Bayerischen Wald.
Sie sind reichlich garniert mit den Absurditäten einer Gesellschaft, die im Sturmgebraus der Globalisierung ein wenig die Orientierung verloren hat
VON HANS KRATZER
Viechtach – Manchmal sagen Herbert Pöhnls Fotografien mehr, als es tausend Worte könnten: Jene Aufnahme mit den blitzsauber gewandeten Trachtlerinnen zum Beispiel, die ihren Hunger ganz traditionsvergessen am Stehtisch eines Pizza-Stands stillen. Man könnte eine volkskundliche Arbeit über den Wandel von Werten und Heimat verfassen und hätte dennoch Mühe, dieses Thema so zu verdichten, wie es Pöhnl auf diesem Foto gelingt. Oder das einsam auf einer Landstraße vor einem Gewerbegebiet platzierte Milchwagerl, ein Relikt bäuerlichen Wirtschaftens in einer rasant sich verändernden Welt. Und ein treffendes Bild für die erzwungene Koexistenz, die Tradition und Moderne in Ostbayern eingegangen sind. Pöhnl seziert diese Melange aus Tristesse, Verfall und moderner Konsumwelt, die unser Auge oft nur beiläufig streift, mit scharfem Blick.
  Der 1948 in Furth im Wald geborene Kabarettist und Fotograf dokumentiert mit seiner Kamera, wie sich die Landschaften und die Menschen verändern und welche Kulturbrüche damit in der von ihm so bezeichneten Region Hinterbayern einhergehen. Pöhnl zeigt, was wirklich hinter Bayern steckt – auch in seinem dritten Bildband, der nach „HinterBayern“ und „Heimat. Bitte lächeln“ nun den Titel „hinterbayern_inside“ trägt. Viele seiner Impressionen wirken wie banale Alltäglichkeiten. Auf den zweiten Blick erweisen sie sich als Spiegelbilder einer Waldheimat, die reichlich garniert ist mit Kitsch, Krimskrams und den Absurditäten einer Gesellschaft, die im Sturmgebraus der Globalisierung ein wenig die Orientierung verloren hat.
  Deutlich zeigen das die Totenbretter, die seit jeher die Wege des Bayerischen Waldes säumen. Früher ließ man sie in freier Natur verwittern, schließlich gelten sie ja als Sinnbilder für die Vergänglichkeit des Lebens. In Zeiten, in denen das Brauchtum gerne zum Medien-Event degradiert wird, verwundert es jedoch nicht, dass Pöhnl mit Lackfarbe versiegelte Totenbretter entdeckt und sie als hochglanzpolierte Realsatire präsentiert – in direkter Nachbarschaft zum Hinweisschild „Zutritt für Unbefugte verboten“. Pöhnl dokumentiert das oft aberwitzige Gesicht von Hinterbayern am liebsten mit einem Augenzwinkern. Etwa die Supermarkt-Fassade, die der Fotograf beim Blick über den Friedhof eingefangen hat. Vorne die kalten, polierten Grabsteine, Zeugnis einer verödeten Friedhofskultur, dahinter die bunten Lettern des Discounters, der für jenen Einheitskonsum steht, der auch die Friedhöfe erfasst hat. Und immer wieder schier endlose Beton- und Gewerbeflächen, auf denen Relikte der Volksfrömmigkeit, Bildstöcke und Blumenkübel einen schneidenden Kontrapunkt setzen. Pöhnl sagt, er zeige die Dinge, wie sie sind. Freilich, auf seinen Bildern kommen sie auf oft irritierend protzig, marktschreierisch und spinnert daher.
  Pöhnl steckt, wie es der Schriftsteller Bernhard Setzwein formuliert hat, „nicht in den Nöten der Hochglanzfotografen, die verzweifelt auf der Suche sind nach all den fingerhakelnden, Maibaum aufstellenden, vor einem uralten Holzbauernhaus Positur einnehmenden Bayerwaldler“. Er findet stattdessen Realien wie die einsam in der Winterlandschaft stehende Betonbrücke, ein kaltes Symbol einer Heimat, die unter dem Diktat einer Mobilität steht, die längst alle Lebensbereiche erobert hat.
  Die Wirkung der Fotografien vertieft Pöhnl durch satirische Kurztexte, in denen er ein fiktives Dorf in Hinterbayern beschreibt, das touristisch vermarktet werden soll. Die Bewohner suchen im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne nach Identität. Pöhnl hinterfragt den Tourismus, die klischeehafte Vermarktung von Heimat, die Umdeutung von Brauchtum und die schaurigen Auswirkungen auf das Landleben, wie es in Hinterbayern idealtypisch zu erleben ist. Im Zeitalter der Bilderflut des Internets wirkt Pöhnls Band freilich selber wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Das junge Publikum, das in Bildern geradezu ersäuft, wird man mit Fotografien, die man bedächtig studieren muss, nicht erreichen. Nicht mehr jedem erschließt sich die Absurdität einer Lüftlmalerei mit idyllischer Gebirgslandschaft auf der Fassade eines Wohnblocks, die Melancholie eines Imbiss-Drive-ins neben einem Feldweg und das Elend verfallener Bayerwaldhäuser, die mit der Beschleunigung des modernen Lebens nicht mithalten konnten. Schon bei den Fotografen, die vor Pöhnl unterwegs waren, sehen wir diese Melancholie des Verlustes, sei es beim Straubinger Bruno Mooser oder bei den alten Lichtbildnern aus dem Böhmerwald. Sie ahnten wohl, dass die Menschen, die nur Armut kannten, eine Tages alles Neue, und sei es noch so windig, gierig aufsaugen und dafür Traditionen opfern werden.
  Herbert Pöhnl dechiffriert Hinterbayern auf eine Weise, die nicht jedem gefallen wird, aber dennoch nachhaltig. Bernhard Setzwein kennt jedenfalls Menschen, die auf den Kauf besonders greislicher Blumenpflanzkübel verzichtet haben, weil eine Stimme gewarnt hat: „Bloß ned! Sunst kummt da Pöhnl und fotografiert's!“
Herbert Pöhnl: hinterbayern_inside, Lichtung Verlag 2014, mit 96 Schwarz-Weiß-Fotografien, 120 S eiten, 24,80 Euro ISBN 978-3-941306-07-3
Im Zeitalter der Bilderflut wirkt
der Band selbst wie ein
Relikt aus der Vergangenheit
Impressionen aus Hinterbayern:
Herbert Pöhnl seziert die Melange aus Tristesse,
Verfall und den Absurditäten der auf den
Tourismus fixierten Modernisierung mit scharfem Blick.
Die Katze, die hinter dem Vorfahrt-geändert-Schild
über die Straße schleicht,
die Verkehrsspiegel, die sinnbildlich zwei Seiten
der Heimat zeigen, und das
verlassene Milchwagerl, das vor einem
Gewerbegebiet auf Abholung wartet.
Fotos: Pöhnl
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