Geliebten Menschen zu verlieren, zählt zum Schlimmsten, was uns geschehen kann. Heike war gerade 30, als sie nach schwerer Krankheit verstarb. Christa Scherer hat im Rahmen der Trauerbewältigung ein Buch über das letzte Lebensjahr ihrer Tochter geschrieben. Der Reinerlös daraus kommt der Deutschen
Kinderkrebshilfe zugute. 4 Jahre nach dem Tod ihrer Tochter möchte die Autorin Heike vorstellen, wie…mehrGeliebten Menschen zu verlieren, zählt zum Schlimmsten, was uns geschehen kann. Heike war gerade 30, als sie nach schwerer Krankheit verstarb. Christa Scherer hat im Rahmen der Trauerbewältigung ein Buch über das letzte Lebensjahr ihrer Tochter geschrieben. Der Reinerlös daraus kommt der Deutschen Kinderkrebshilfe zugute. 4 Jahre nach dem Tod ihrer Tochter möchte die Autorin Heike vorstellen, wie sie in ihrem Vorwort anführt. Sie fügt hinzu, dass das Buch aus der Aufarbeitung von Heikes Tagebucheinträgen entstanden ist, die sie durch eigene Berichte und Gedanken ergänzt hat.
In einfachen Worten erfährt man, dass die junge Frau frisch verheiratet war, mit ihrem Mann ein Haus baute, bei Kollegen beliebt war, ihre Freizeit aktiv gestaltete, gerne feierte u. ein evtl. nicht immer perfektes aber enges Verhältnis zu ihren Eltern hatte. Fotos von Heike wurden in das Buch eingearbeitet. Ihr Leben endete im Dez. 2007. Man erfährt von Heikes Beschwerden, die mit Magendrücken begannen, zu Magenschmerzen, Entzündungen und einem Geschwür auswuchsen. Bis kurz vor ihrem Tod, wusste die junge Frau nicht, dass sie Krebs hatte, weil sie zu dem Patientenanteil gehört, bei dem sich maligne Metastasen vor dem Primärtumor bemerkbar machen. Die Überlebenschancen dieser Patienten sind gering, weil in der Regel zu spät mit der Behandlung begonnen werden kann.
Eine Krebsdiagnose führt dazu, dass man sich vorkommt, als ob man aus vollem Lauf gegen eine Wand prallt. Dieses Empfinden resultiert oft aus der Art u. Weise, wie mit Patienten u. Angehörigen umgegangen wird. Die distanzierte, teils kaltschnäuzige Haltung von Ärzten oder Pflegepersonal kommt auch im Buch zum Ausdruck. Allerdings stehen diese oft genauso hilflos vor Patienten wie die Angehörigen. Es entschuldigt zugegebenermaßen nicht alles, erklärt aber vielleicht einiges, dass sie tagtgl. mit Krankheit, Tod u. oft auch mit ihrer eigenen Hilflosigkeit konfrontiert werden. Darüber erwähnt Heikes Mutter, darauf hingewiesen worden zu sein, dass keine Überlebenschance bestand. Hier wird auch klar, wie schwierig es für Angehörige ist, das Offensichtliche zu sehen u. zu akzeptieren. Aus (verständlichem) Selbstschutz wird so etwas beiseite geschoben, weil es einfach unfassbar ist.
Wer denkt, dass haupts. Heike über Tagebucheinträge zu Wort kommt, irrt. Tatsächlich füllen diverse Zitate viell. eine Seite des Buches u. ergänzen die Ende Oktober 2006 ansetzende Erzählung, in der sich vorwiegend Emotionen u. Eindrücke von Christa Scherer in Form von Schmerz, Angst, Hilflosigkeit, Wut, Fassungslosigkeit u. Verbitterung, immer wieder auch der Wunsch zu verdrängen bzw. zu vergessen offenbaren. Es offenbart sich ein Schuldgefühl dahin gehend, nicht genügend Zeit mit Heike verbracht zu haben, die Sache nicht ernst genug genommen zu haben. Bitterkeit über die scheinbare Rücksichtslosigkeit von Heikes Ehemann, aber auch über eine offenbar karrieresüchtige Kollegin. Und wie bereits angesprochen, Wut auf die scheinbar zu spät reagierenden Ärzte.
Auch dies geschieht in einfachen Worten, teils vagen Andeutungen. Dabei zeigt sich eine Einseitigkeit, die in gewisser Weise, aber nicht nur aus der Erzählperspektive resultiert. Noch viel mehr zeigt sich, wie wichtig es für Christa Scherer war, sich alles von der Seele zu schreiben. Dadurch gute Erinnerungen zu konservieren, die eigentlich unaussprechlichen zu formulieren. Auch um sich daran zu erinnern, dass sie die Chance hatte, die letzten Tage sehr intensiv mit ihrer Tochter zu erleben. Ganz zum Schluss deutet sich auch an, dass sie auf ihrem schmerzlichen Weg der Trauerbewältigung ein Stück vorwärts gekommen ist.
Fazit: Kein erbauliches, Mut machendes Buch. Eins, in dem Schmerz zum Ausdruck kommt über etwas, worauf wir keinen Einfluss haben. Eins, dem ich keine Wertung geben kann, denn Trauer lässt sich nicht werten.
2012, Antje Jürgens (AJ)