Anfang Oktober 2010 erhielt Jaroslav Poncar den Auftrag vom Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM), das kulturelle Erbe Afghanistans fotografisch zu dokumentieren und dortige Fotografen für diese Arbeit auszubilden. Während eines Jahres hat Poncar das Land aus einer differenzierten Sicht kennengelernt, dessen Bild in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung seit Jahrzehnten von Krieg und Gewalt bestimmt wird. Als erfahrener Fotograf, der seit vielen Jahren mit verschiedenen Universitäten und Museen zur Dokumentation von Kulturdenkmälern zusammenarbeitet, hatte er die seltene Gelegenheit, trotz der oftmals durch die Sicherheitslage erschwerten Arbeitsbedingungen einen persönlichen Blick auf das Land und seine Kultur zu werfen. Afghanistans herbe Schönheit mit seinen weiten Steppen, majestätischen Bergwelten und rauen Felswüsten kommt dabei ebenso zum Tragen wie Ansichten der wichtigen kulturellen Zentren und das alltägliche Leben der Afghanen. Poncar zeigt u.a. Bilder aus Kabul und seiner Region, der Provinz Balkh und Mazar-e Sharif, der berühmten Band-e-Amir-Seenkette oder auch der Provinzen Ghazni und Herat. Begleitet wird seine fotografische Reise von einem Vorwort von William Dalrymple.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2013Märchenland im Kriegsgebiet
Seit Jahrzehnten ist Afghanistan täglich in den Medien präsent - als Ort von Gewalt, Krieg, Armut und Unterdrückung. Dass es in den Siebzigern ein Sehnsuchtsland der Hippies war, ist halb vergessen. Nicht aber Afghanistans Geschichte, um nicht zu sagen Schicksal. Seit der Antike ist dieses multiethnische Berg- und Wüstengebiet ein umkämpftes Land, das Terrain von Feldzügen, Handel und Völkerwanderungen. Afghanistan ist reich nicht nur an Bodenschätzen, sondern auch an Traditionen. Vor allem der Buddhismus und der Islam zeigen sich in ehrwürdigen, steinernen Zeugnissen. Jaroslav Poncars opulenter Fotoband nimmt das Erbe Afghanistans als Hochkulturland in den Blick, das jenseits des Krieges, wenn auch nicht unbehelligt davon, existiert, und zeigt, nach Provinzen geordnet, beeindruckende, freilich oft beschädigte und renovierungsbedürftige Bauwerke, Ausgrabungsstätten, grandios karge und schroffe Landschaften und, wie zur Auflockerung, Siedlungen mit stillen Menschen und bunten Märkten. Für die legendäre Uneinnehmbarkeit des Landes liefert der Textbeitrag von William Dalrymple historisch-politische Erklärungen. Poncar dokumentierte schon mehrfach Kulturdenkmäler Asiens. Seine Methode ist die Panoramafotografie: Raum wird geglättet, und Tiefen dehnen sich zu weiten Flächen. Architekturen wirken monumental und ausgreifend. Auf den ersten Fotos des Buches von Masar-i-Scharif entfalten die Außenansichten des "Mausoleums von Ali" ihre überbordende Ornamentik in fortlaufender Pracht. Es folgen kunstvolle Schreine und die imposanten Stadtmauern im Tal des Balkh, die Ruinen der Noh-Gumbad-Moschee, des wohl ältesten Sakralbaus Zentralasiens, die Zitadelle und die Blaue Moschee in Herat, die berühmten Seen von Band-e Amir und vieles mehr. Alles wirkt entrückt: die Menschen in den Basaren und sogar der Müll in dem ausgetrockneten Flussbett von Kabul. Fremdheit zeigt hier ihr märchenhaftes Gesicht.
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"Afghanistan" von Jaroslav Poncar, mit einem Text von William Dalrymple. Edition Panorama, Mannheim 2012. 192 Seiten, etwa 100 Farbfotografien. Gebunden, 58 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seit Jahrzehnten ist Afghanistan täglich in den Medien präsent - als Ort von Gewalt, Krieg, Armut und Unterdrückung. Dass es in den Siebzigern ein Sehnsuchtsland der Hippies war, ist halb vergessen. Nicht aber Afghanistans Geschichte, um nicht zu sagen Schicksal. Seit der Antike ist dieses multiethnische Berg- und Wüstengebiet ein umkämpftes Land, das Terrain von Feldzügen, Handel und Völkerwanderungen. Afghanistan ist reich nicht nur an Bodenschätzen, sondern auch an Traditionen. Vor allem der Buddhismus und der Islam zeigen sich in ehrwürdigen, steinernen Zeugnissen. Jaroslav Poncars opulenter Fotoband nimmt das Erbe Afghanistans als Hochkulturland in den Blick, das jenseits des Krieges, wenn auch nicht unbehelligt davon, existiert, und zeigt, nach Provinzen geordnet, beeindruckende, freilich oft beschädigte und renovierungsbedürftige Bauwerke, Ausgrabungsstätten, grandios karge und schroffe Landschaften und, wie zur Auflockerung, Siedlungen mit stillen Menschen und bunten Märkten. Für die legendäre Uneinnehmbarkeit des Landes liefert der Textbeitrag von William Dalrymple historisch-politische Erklärungen. Poncar dokumentierte schon mehrfach Kulturdenkmäler Asiens. Seine Methode ist die Panoramafotografie: Raum wird geglättet, und Tiefen dehnen sich zu weiten Flächen. Architekturen wirken monumental und ausgreifend. Auf den ersten Fotos des Buches von Masar-i-Scharif entfalten die Außenansichten des "Mausoleums von Ali" ihre überbordende Ornamentik in fortlaufender Pracht. Es folgen kunstvolle Schreine und die imposanten Stadtmauern im Tal des Balkh, die Ruinen der Noh-Gumbad-Moschee, des wohl ältesten Sakralbaus Zentralasiens, die Zitadelle und die Blaue Moschee in Herat, die berühmten Seen von Band-e Amir und vieles mehr. Alles wirkt entrückt: die Menschen in den Basaren und sogar der Müll in dem ausgetrockneten Flussbett von Kabul. Fremdheit zeigt hier ihr märchenhaftes Gesicht.
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"Afghanistan" von Jaroslav Poncar, mit einem Text von William Dalrymple. Edition Panorama, Mannheim 2012. 192 Seiten, etwa 100 Farbfotografien. Gebunden, 58 Euro.
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