Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 5,50 €
  • Gebundenes Buch

Produktdetails
  • Theodor Heuss: Theodor Heuss. Briefe 1949-1959
  • Verlag: De Gruyter
  • Seitenzahl: 620
  • Erscheinungstermin: September 2010
  • Deutsch
  • Abmessung: 38mm x 170mm x 244mm
  • Gewicht: 1188g
  • ISBN-13: 9783598251269
  • ISBN-10: 3598251262
  • Artikelnr.: 29380513
Autorenporträt
Wolfram Werner, Bundesarchiv, Koblenz (i.R.).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.06.2010

Theodor Heuss schreibt den Deutschen
Vergnügliche Briefe nebst einem kleinen Hinweis, wie man die Frage der Nachfolge handhabt
Lieber Herr Bundespräsident!“ beginnt der Brief von Wolfgang Martin aus Langstadt, Kreis Dieburg. Herr Martin muss leider Klage führen. „Wo sind geistige Erziehung, Freiheit, Recht, Sauberkeit und Gemeinwohl?“ Eine gute Frage, und nur der Bundespräsident kann sie beantworten: „Ich wende mich an Sie, weil Sie der Einzige dort ‚oben’ in Bonn sind, von dessen gutem Willen ich überzeugt bin.“
Der Bundespräsident steht über den Parteien, deshalb hat er auch nichts zu sagen. Dafür kann er, wenn er es kann, schreiben. Zum Beispiel so: „Wollen Sie mir bitte nicht übelnehmen, wenn ich Ihnen sage, dass die stille Epidemie der deutschen Seele, der Pharisäismus, auch Sie ein bisschen zu bedrohen scheint.“   
Wenn der erste Bundespräsident Briefe aus der Bevölkerung erhielt, antwortete auf Büttenpapier, im Briefkopf meldete er sich schlicht als „Theodor Heuss“; der Bundespräsident blieb offiziellen Schreiben vorbehalten. 50 000 Briefe soll Heuss in den zehn Jahren seiner Präsidentschaft verfasst haben. Wenn er nachts diktierte, befreite sich der ehemalige Redakteur vom Bonner Repräsentationskorsett der Kanzlerdemokratie und brillierte wieder als freier Autor.
Die fast natürliche Autorität, die dem ehemaligen Reichstagsabgeordneten sofort zuwuchs, als er 1949 gewählt war, ermunterte die eben von der Volksgemeinschaft zur Bevölkerung mutierten Deutschen, ihrem so zivilistischen Staatsoberhaupt aus jeder Lebenslage zu schreiben.
Ein Abt schickt einen im Kloster gebrannten Kräuterlikör und hofft auf die Einführung „in die höheren und höchsten Kreise“. Leider, wird dem hochwürdigen Herrn Abt beschieden, leider trinkt der Präsident gar keinen Likör. Andere schicken gleich ganze Biergebinde oder eine Probe des Weinsauerkrauts, das eben in Massenabfüllung geht. Selbst für die Zusendung eines „volkswirtschaftlichen Buchwerkes“ mit dem Titel „Wirtschaftliche Geflügelzucht“ weiß er zu danken, erinnert er sich doch, 1943 auf dem Boschhof bei Benediktbeuren in die „eierlegenden Funktionen der einzelnen Typen“ eingeführt worden zu sein. Wirklich dankbar ist Heuss aber nur für die Quittenmarmelade, die ihm regelmäßig zugeht.
Heuss ist populär. Eine Zahnärztin berichtet, dass ihr kleiner Bruder „Sie so gern im Radio sprechen hört, weil er behauptet, Sie hätten eine Stimme wie ein Großvater, den er nie gekannt hat“. Deshalb soll er auch „ein feines Auto“ haben und im Schloss Bellevue wohnen dürfen.
Wie ein Monarch, nur besser
Das nicht ganz uneigennützige Anerbieten eines Fahrlehrers, den führerscheinlosen Heuss zu unterweisen, wird freundlich abgelehnt. Auch die Bitte an den präsidialen Bausparer, für eine Dissertation die besondere Mentalität der Schwaben am Beispiel des „Volkswappenworts“ „Schaffe, spare, Häusle baue“ erklären zu helfen, wird noch mit gütigem Kopfschütteln hingenommen.
Als aber die Deutschen Jungdemokraten (FDP), Kreisverband Hersfeld, Heuss keck einladen, eine Pause bei den Festspielen zu nutzen, um ein Fußballspiel anzupfeifen, ist es vorbei mit der Bonhomie. Der Schöngeist lässt ausrichten, dass der Präsident nach Hersfeld komme, um mit einer Rede dem „Werk des von ihm verehrten Hugo von Hofmannsthal zu huldigen“.
Andere sind bescheidener in ihren Ansprüchen, wünschen sich einen Zuschuss oder wenigstens einen Kredit, loben und tadeln präsidiale Reden, kritisieren die Länge seiner Manschetten, verlangen, dass er mit dem Rauchen aufhöre oder schnellstens abnehme. Heuss antwortet geduldig. Dabei ist er gewitzt genug, sich häufig als sein eigener persönlicher Referent auszugeben und diesen unterschreiben zu lassen, damit Autographensammler und andere Zudringlinge nicht weiter ermutigt werden.
Selbst beim größten Kompliment, als ihm Lore Hinrichsen, „49, ev., keiner Partei angehörend, früher Studienrätin, jetzt Ehefrau“, vorschlägt, gemeinsam „die kompromittierte Regierung“ Adenauer zu stürzen, bleibt Heuss in den verfassungsmäßigen Grenzen und „würdigt durchaus die Motive, aus denen Sie heraus“ geschrieben habe.
Zum Ende der Amtszeit kommen Vorschläge, wer ihm nachfolgen könnte. Der Philosoph Karl Jaspers, der Anfang 1959 ins Gespräch gebracht wird, komme in keinem Fall in Frage. „Er ist“, schreibt ein Prof. Dr. Rechtsanwalt aus Heidelberg, „geistiger Führer von Angehörigen der oberen Zehntausend und verließ Deutschland, als es diesem schlecht ging.“ Heuss will sich zur Frage möglicher Nachfolger in dem Amt, das er mit so viel Gelassenheit ausfüllte, selbstverständlich nicht äußern, findet aber „die Zeitungsdiskussion für das Amt als solches allmählich abträglich“. So scheint in diesem musterhaft edierten Band eine Welt von gestern auf: Der erste Bundespräsident Heuss war wie ein Monarch, den die Deutschen nicht mehr haben durften, nur besser. WILLI WINKLER
THEODOR HEUSS: Hochverehrter Herr Bundespräsident! Der Briefwechsel mit der Bevölkerung 1949-1959. Hrsg. und bearbeitet von Wolfram Werner. De Gruyter, Berlin 2010. 588 Seiten, 39,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
"So scheint in diesem musterhaft edierten Band eine Welt von gestern auf: Der Bundespräsident Heuss war wie ein Monarch, den die Deutschen nicht mehr haben durften, nur besser."
Willi Winkler in: Süddeutsche Zeitung 07.06.2010

"Unbedingt lesenswert für alle Freunde der Geschichte der frühen Bundesrepublik Deutschland."
http://www.bundesverband50plus.com/news/gesellschaft.html

"Sogar vergrätzten oder nach mehr Respekt lechzenden Inhabern von Staatsämtern sei ein "Schlag nach bei Heuss" empfohlen, denn das spendet Trost, bietet Vergnügen und lädt zum Aus- und Durchhalten ein."
Rainer Blasius in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 14. Juni 2010

"Die große Zeitspanne, welche die Briefe umfassen, die vielfältigen Themen, die differenzierten, auf Anliegen und Ton der Zuschriften abgestimmten Antworten des Bundespräsidenten machen den Reiz und Wert des Briefwechsels aus."
Walter-Siegfried Kircher in: Der Bürger im Staat 4/2011

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In den "musterhaft" edierten Briefen von Theodor Heuss an seine Bürger liest Willi Winkler gern. Eine Welt von gestern scheint darin auf und ein Monarch, der, wie Winkler meint, besser war, als alle unsere Könige und Kaiser. Winkler schätzt die Bonhomie und die natürliche Autorität des Bundespräsidenten Heuss, der sich für Quittenmarmelade, Kräuterlikör und alle möglichen Ratschläge und Anliegen bedanken beziehungsweise dagegen erwehren muss und dennoch kaum je die Geduld und den Witz verliert, wenn er seinen "Untertanen" antwortet.

© Perlentaucher Medien GmbH