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«Anna lag genau in dem Streifen, den der Vollmond ins Zimmer warf.» So beginnt dieser Roman, in dem Dirk von Petersdorff von vier Menschen Ende dreißig erzählt, die miteinander verbunden und voneinander angezogen sind, aber den Weg ins Leben nicht im gleichen Takt gefunden haben. Tim und Anna sind verheiratet, haben einen kleinen Sohn, Tims bester Freund Johannes führt immer noch eine Art Studentenleben und ist gerade Single, hatte aber mal eine Liebesnacht mit Anna und scheint weiterhin eine für Tim nicht ganz berechenbare Verlockung für Anna darzustellen. Anna sehnt sich nach ihrer früheren…mehr

Produktbeschreibung
«Anna lag genau in dem Streifen, den der Vollmond ins Zimmer warf.» So beginnt dieser Roman, in dem Dirk von Petersdorff von vier Menschen Ende dreißig erzählt, die miteinander verbunden und voneinander angezogen sind, aber den Weg ins Leben nicht im gleichen Takt gefunden haben.
Tim und Anna sind verheiratet, haben einen kleinen Sohn, Tims bester Freund Johannes führt immer noch eine Art Studentenleben und ist gerade Single, hatte aber mal eine Liebesnacht mit Anna und scheint weiterhin eine für Tim nicht ganz berechenbare Verlockung für Anna darzustellen. Anna sehnt sich nach ihrer früheren Ungebundenheit und ihren Abenteuern, Johannes dagegen beneidet die beiden. Tim allerdings hat seinen momentanen Erfolg in der Firma nicht ganz seriös zustande gebracht und alles kann wieder kippen ... Und dann ist da noch Doris, Annas beste Freundin, die es mit den Männern nicht hinkriegt. Am Ende aber vielleicht doch.
Ironisch-schwebend, spannend und in dichten, poetischen Szenen erzählt Dirk von Petersdorff von der stets brüchigen Balance im Leben seiner Figuren, die das Gefühl der Unsicherheit nicht loswerden.
Autorenporträt
Dirk von Petersdorff, geboren 1966, lebt in Jena, wo er an der Friedrich-Schiller-Universität unterrichtet. Er veröffentlichte u. a. Essays, die Erzählung «Lebensanfang» (2007) und mehrere Gedichtbände, zuletzt «Sirenenpop» (2014). Er erhielt u. a. den Kleist Preis und den Preis der LiteraTour Nord. Er ist der neue Herausgeber des «C.H.Beck Gedichtekalenders».
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2018

Mischmasch à trois mit Blick auf Sanssouci
Dirk von Petersdorffs Roman "Wie bin ich denn hierhergekommen"

Der Titel des ersten Romans von Dirk von Petersdorff - "Wie bin ich denn hierhergekommen" - lässt sich als Frage an ihn zurückgeben. Petersdorff ist einer der erfolgreichsten deutschen Lyriker der mittleren Generation, und wenn er sich bisher an erzählender Prosa versucht hat, 2007 nämlich mit "Lebensanfang", dann war diese eigens als "Eine wahre Geschichte" ausgewiesen und erkennbar autobiographisch. Wobei das Buch, das er nun geschrieben hat, zumindest Anspruch auf eine wahrhaftige Geschichte erheben kann. Deren Protagonisten aber - Anna, Tim und Johannes - sind in ihren Dreißigern, also anderthalb bis zwei Jahrzehnte jünger als ihr Autor.

Die auktorial erzählte Handlung wechselt zwischen diesen Dreien die Perspektive; es ist ein altes Freundes-Trio aus Studientagen, wobei Anna und Tim allerdings mittlerweile verheiratet sind und Johannes wiederum einmal wie im Rausch und unter rauschendem Regen mit Anna geschlafen hat. Aus dieser amourösen Überschneidung entsteht aber kein Drama; wir sind nicht in "Jules und Jim" von Henri-Pierre Roché oder auch nur im Roman-Doppel "Darüber reden" und "Liebe etc." von Julian Barnes. Petersdorff gibt seinen Protagonisten die Abgeklärtheit unserer Tage mit, die aus dem verbreiteten Fortführen jugendlicher Verhaltensweisen im Erwachsenenalter entstanden ist. Große Eifersuchtsszenen erscheinen heute so fremdartig wie die Erörterungen über Paarbildung in den "Wahlverwandtschaften".

Aber gerade Goethes Roman gibt einiges her für die Lektüre von "Wie bin ich denn hierhergekommen" - und nicht nur, weil Petersdorff seine Handlung im Schlosspark von Sanssouci (nomen est omen) beschließt, einem locus amoenus, der eine ähnliche Rolle fürs Grundverständnis der Beziehungen in seinem Buch spielt wie Baron Eduards Garten im viel älteren Stoff. Was beide Romane auch eint, ist die Frage nach dem richtigen Leben, die bei Petersdorff aber vor dem modernen Hintergrund einer Erwerbsbiographie beantwortet werden muss. Anna hat für den kleinen Sohn ihre berufliche Karriere unterbrochen und möchte diese Auszeit eher noch verlängern, Tim wiederum sieht sich mit dem Risiko konfrontiert, dass aufgrund einer nachlässigen Marktanalyse der eigene Aufstieg im Unternehmen ein jähes Ende nehmen könnte, und Johannes ist, wie er sich selbst einmal eingesteht, "noch gar nicht angekommen", weder in einem festen Beruf noch in einer festen Beziehung.

Alltagsprobleme also, aber jeweils unterschiedlicher Natur, und man redet nicht miteinander darüber, auch nicht davon, dass Tim mit einem gewissen Misstrauen auf seinen alten Kumpel, aber eben auch potentiellen Nebenbuhler Johannes blickt, dieser sich über seine Gefühle für Anna hinwegtäuschen will und Anna eine Einladung an eine gewisse Doris ausspricht, für die sie auch einmal mehr empfunden hat als bloße Freundschaft. Als diese mutmaßliche Femme fatale auf Seite 170 endlich eintrifft, also zu Beginn des letzten Romanviertels, krempelt sie die Dreierkonstellation tatsächlich um, aber etwas anders als gedacht.

Petersdorff schreibt seine Prosa mit der Präzision des Poeten, aber nicht mit poetischem Tonfall. Die Sätze sind kurz, die inneren Reflexionen seiner Figuren lang, und es wird viel Konfliktpotential aufgebaut, das zum Schluss bewusst in der Schwebe gehalten wird. Dieser Roman soll federleicht sein, weil auch die drei Hauptpersonen nur so dahintreiben: in jener untergründigen Strömung und Stimmung, die im gleich dreimal zitierten Song "Once in a Lifetime" von den Talking Heads angesprochen wird - eine seltsame musikalische Vorliebe für Figuren, die gerade erst geboren wurden, als das Lied erfolgreich war. Was sie brauchen, ist Grund unter den Füßen, doch der wird am Ende gerade einmal mit den Zehenspitzen ertastet.

Die Bemühung um Leichtigkeit beim Porträt dieser blendend ausgebildeten, aber ihrer selbst unsicheren Generation ist spürbar, aber es fehlt dem Buch Lebendigkeit. Dialoge etwa sind rar, und Witz ist es auch. Die komischste Stelle lautet: "Vorm Schlafengehen sahen sie sich unterkühlte Musikvideos an, in denen Menschen unter einem nordisch-weiten Himmel durch Landschaften mit vereinzelten Sträuchern wanderten und dabei illusionslos-tapfer vor sich hin sangen. Irgendeine sibirische Independent-Band." Komisch deshalb, weil sie in flapsigem Ton ein bezeichnendes Detail zur Charakterisierung von Tim und Johannes bietet - und ein Kulturphänomen gültig beschreibt. Genau so dichtet Dirk von Petersdorff; einen eigenen Ton als Romancier hat er noch nicht parat.

ANDREAS PLATTHAUS

Dirk von Petersdorff:

"Wie bin ich denn

hierhergekommen".

Roman.

Verlag C.H. Beck, München 2018. 218 S., geb., 22,- [Euro].

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