Marktplatzangebote
12 Angebote ab € 1,92 €
  • Broschiertes Buch

Sommer 2009, das erste Klassentreffen seit 18 Jahren. Man redet über den Job, die Kinder und über die Schulzeit. Damals hofften alle, dass irgendwann einmal der dicke Kanzler abgewählt werden würde, sie waren Linke. Versammelt haben sich Lehrer, Altenpfleger, Juristen, Mediziner und ein Journalist - unser Autor. "Links" sind alle irgendwie immer noch, was das aber heute sein soll, weiß keiner mehr so recht. Also wird der Journalist beauftragt, Genaueres herauszufinden. Mehr als ein Jahr hat Christoph Ruf an der Basis von SPD, Grünen und Linkspartei verbracht und diejenigen begleitet, die so…mehr

Produktbeschreibung
Sommer 2009, das erste Klassentreffen seit 18 Jahren. Man redet über den Job, die Kinder und über die Schulzeit. Damals hofften alle, dass irgendwann einmal der dicke Kanzler abgewählt werden würde, sie waren Linke. Versammelt haben sich Lehrer, Altenpfleger, Juristen, Mediziner und ein Journalist - unser Autor. "Links" sind alle irgendwie immer noch, was das aber heute sein soll, weiß keiner mehr so recht. Also wird der Journalist beauftragt, Genaueres herauszufinden. Mehr als ein Jahr hat Christoph Ruf an der Basis von SPD, Grünen und Linkspartei verbracht und diejenigen begleitet, die so wenig Interviews geben, dass sie sich noch eigene Gedanken leisten können. Bei der SPD, bei den Grünen und bei der Linkspartei hat er junge Menschen mit neuen Ideen getroffen - und ältere, deren Klugheit plötzlich wieder gefragt war. So entsteht eine dichte Beschreibung des linken politischen Milieus, seiner Menschen, Ideen und Perspektiven. Im Schatten der Kameras sprießen die ersten Triebe einer rot-rot-grünen Reformkoalition, in der zusammenwächst, was zusammengehört. Denn auf die Probleme des 21. Jahrhunderts kann nur die geeinte Linke eine politische Antwort geben.
Autorenporträt
Christoph Ruf, geb. 1971, Politologe und Journalist, schreibt für die Süddeutsche Zeitung, den Stern, Spiegel-Online, die Frankfurter Rundschau, die taz und andere überregionale Medien. Er studierte Politische Wissenschaften in Hamburg und Toulouse. Er publiziert seit seiner Studienzeit über die rechtsextreme Szene in Deutschland und Frankreich und wurde für seine journalistische Arbeit mehrfach ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2011

Ausstieg in Fahrtrichtung links
An der Basis von SPD, Grünen und Linkspartei: Christoph Ruf spiegelt die große Politik in kleinen Milieustudien

Vor ein paar Wochen machte sich Unmut unter den Grünen in Sachsen-Anhalt breit. Die Landtagswahl sicherte ihnen zwar den Einzug ins Landesparlament, aber sie störten sich dort an den ihnen zugedachten Sitzplätzen: "Ganz rechts ist nicht der Platz der Grünen", sagte ihre Fraktionschefin, Claudia Dalbert. Die Begriffe "links" und "rechts" sollen auf die französische Abgeordnetenkammer von 1814 zurückgehen: Links vom Präsidenten saßen die Bürger, rechts von ihm der Adel. Im Berliner Bundestag sitzen die Grünen in der Mitte. Die Sitzordnung dort orientiere sich am Muster der französischen Volksversammlung, ist auf der Internetseite des Bundestags zu lesen. Gleich danach folgt der Hinweis, dass man die Parteien damit inhaltlich aber nicht festlegen wolle. Selbst wenn man wollte, müsste man erst einmal wissen, was "links" und "rechts" heute überhaupt heißt.

Christoph Ruf will zumindest den linken Teil dieser Frage beantworten. In seinem aktuellen Buch "Was ist links?" nähert er sich der Thematik aus der Sicht des Reporters. Die Recherchen für sein Buch führen ihn quer durchs Land, er besucht etwa SPD-Mitglieder in Sachsen, die sozialdemokratischen Oberbürgermeister von Gera und Nürnberg, Bewohner des grün geprägten Freiburger Quartier Vauban und Wahlkampfveranstaltungen der Linken in Köln. Was Ruf interessiert, sind ihre Ideen und die Gründe für ihr politisches Engagement.

Seine Gesprächspartner sind Mitglieder von SPD, Grünen oder der Linkspartei - und nicht etwa der Deutschen Kommunistischen Partei oder der Antifa. Grund ist, dass diese drei Parteien im Parlament vertreten sind, als links gelten und Ruf - der früher einmal für kurze Zeit bei den Grünen aktiv war - einen Politikwechsel herbeisehnt. Der schwarz-gelben Regierung unter Angela Merkel wirft er vor, Wirtschaftswachstum ernster zu nehmen als Klimawandel, die biologische Landwirtschaft schmählich zu behandeln und einen "nicht besonders christlichen Geist" zu verbreiten, wie er beispielsweise im Sparpaket stecke. Ruf will wissen, ob sich die deutsche Linke mit "Themen befasst, die unseren Alltag noch in 20, 30 Jahren bestimmen werden".

Er sucht Gesprächspartner jenseits der Parteispitze, die man tagtäglich in den Nachrichten sieht - je weniger sie in den Medien präsent sind, so nimmt Ruf an, desto frischer ist ihre Sicht auf die Dinge. Katja Kipping etwa berichtet ihm von ihrem Kampf in der Linken für ein bedingungsloses Grundeinkommen, Eva Brackelmann trat der Bürgerbeteiligung und der Emanzipation wegen der SPD bei, Nils Schmid setzt sich dort für kostenfreie Kindergärten und die Abschaffung der Studiengebühren ein, Michael Halmbrecht wechselte wegen Sarrazin zu den Grünen. Wieder und wieder kommt die Sprache auf die Hartz-Regelungen, die Rot-Grün unter Schröder beschloss und die seitdem umstritten sind. "Es gärt an der Basis - bei allen drei Parteien" ist eine von Rufs Schlussfolgerungen.

Das ist fast schon ein Grund, sich zusammenzutun. Gerade für die Jüngeren sei Rot-Rot-Grün "die zwangsläufige Koalition", resümiert Ruf. Er berichtet von Gremien, die einer geeinten Linken den Weg bereiten. Was sie zu Linken macht und als solche verbinden soll, sind die gängigen Platituden: "Gesellschaftliche Liberalität, soziale Gerechtigkeit und internationale Solidarität". Die Erkenntnisse darüber, wie eine gemeinsame politische Agenda aussehen könnte, bleiben fragmentarisch: Ruf nennt den Atomausstieg, Mindeststundenlöhne von acht Euro und einen flinken Abzug aus Afghanistan.

Mit humorvollen Kommentaren distanziert er sich zwar von manchen inhaltlichen Auswüchsen linker Ideologie (zum Beispiel von jenen "Irrlichtern", die Gerichte für entbehrlich halten), und er spielt mit den Klischees von Linken ("Ich habe noch nie verstanden, warum man sich als Linker schlecht ernähren muss"). Aber Ruf scheint so entflammt von der Idee einer geeinten Linken, dass er zur Schwarzweißmalerei neigt. Unterschiede zwischen den linken Parteien versucht er wegzureden, von der programmatischen Annäherung der beiden großen Volksparteien SPD und CDU will er auch nichts wissen - obwohl sie ja überhaupt erst die Frage aufwirft, was unter "links" zu verstehen ist. Und es bleibt die Diskrepanz bestehen zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Nur ein Beispiel, das sogar in Rufs Buch vorkommt, ist die Koalition in Thüringen: Christoph Matschie, SPD, ließ sich nach den Wahlen 2009 schließlich doch lieber auf die Union ein - statt auf die Linke.

Rufs Buch ist hochaktuell, er beendet seine Recherchen zwar vor Fukushima, aber noch während des Wahlkampfs in Baden-Württemberg. Das Wahlergebnis scheint ihm dann doch ein bisschen recht zu geben. Vor allem, dass Kretschmann bei dem rot-grünen Bündnis von einer "Liebesheirat" sprach - wenn auch der Zusatz "mit getrennten Betten" nicht lange auf sich warten ließ.

JULIA LAUER.

Christoph Ruf: "Was ist links?" Reportagen aus einem politischen Milieu.

Verlag C.H. Beck, München 2011. 253 S., br., 12,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.06.2011

Linke Landschaften
Auf der Suche nach den verlorenen Gemeinsamkeiten
von Sozialdemokraten und der Linkspartei
Programmdebatten gehören zum Lebenselixier der politischen Linken. Stets geht es dann ums Ganze. Und wenn um Paragraphen und Wörter gestritten wird, als gäbe es kein Morgen mehr, dann wird der parteipolitische Konkurrent schnell zum „Sektierer“ oder „Verräter“ traditioneller Werte. Im Streit um Grundwerte und Zielrichtung häuten sich Parteien, sie passen sich an, horchen nach innen und versuchen auf veränderte Zeiten zu reagieren.
Die aktuelle Nervosität, unter der die Linke in diesen Tagen leidet, hat denn auch nur vordergründig mit der Krise ihres Spitzenpersonals zu tun. Im Kern geht es um die Identität der Partei, die sich bei ihrer Suche nach einem Grundsatzprogramm neu zu erfinden sucht – und dabei spürt, wie unterschiedlich die Sprachen sind, mit denen Vergangenheit und Gegenwart in ihren Reihen beschrieben werden.
Einige ihrer Protagonisten und Unterstützer haben nun eine Sammlung von Beiträgen veröffentlicht, die der Debatte um den Charakter der Linken neue Impulse verleihen sollen – und die einen bemerkenswerten Einblick in diesen Suchprozess geben. Versammelt sind (alte) West- und Ostlinke unterschiedlicher Herkunft und intellektuellen Formats.
Der historische Materialismus führt die Feder und nicht immer sind die Argumente so schlicht wie bei Sahra Wagenknechts flammendem Plädoyer für die Rettung des Planeten. Man sollte das Buch denn vor allem als geschichtspolitisches Dokument lesen, als Versuch der Linken, sich eine neue historische Identität zu verleihen. Dazu gehört der Kampf um das Erbe der Arbeiterbewegung, und dazu gehört die – ja schon häufig bediente – „Verratsgeschichte“ der Sozialdemokratie. Vor allem das Godesberger Programm der SPD erscheint in dieser Hinsicht als „Sündenfall“ und Vorspiel zu Schröders Agenda 2010. Zu wissen, wo der Feind steht, hat bei Programmdebatten schon immer geholfen, die Reihen zu schließen.
Doch nicht immer sind die Dinge so einfach, vor allem nicht, wenn es um den angemessenen Platz der unterschiedlichen östlichen und westlichen Erfahrungen im neuen Programm geht. „Vergessene Wurzeln“ werden entdeckt, das kommunistische und radikalsozialistische Erbe der alten Bundesrepublik wird mit viel Pathos verteidigt und die historischen Verdienste der DKP im Kampf gegen den deutschen „Imperialismus“ und für den Erfolg der Friedensbewegung werden beschworen – als hätten die konservativen Verschwörungstheoretiker recht, die schon immer sagten, dass es der „Osten“ gewesen sei, der die Friedensbewegung finanzierte.
In der Tat wäre es für Zeithistoriker ein reizvolles Unterfangen, dieses linke Milieu mit seinen gebrochenen Lebensläufen genauer zu untersuchen – und sich nicht damit zu bescheiden, mit antikommunistischer Emphase über deren historische Irrtümer die Nase zu rümpfen. Womöglich würde manche Bitterkeit leichter verständlich; vielleicht würde auch erklärbar, welche Bedeutung der „Kampf gegen den Imperialismus“ als säkularer Religionsersatz für einen erheblichen Teil derer besaß, die sich wie Herausgeber Wolfgang Gehrcke erst in der DKP, dann in der PDS und schließlich in der Linken engagierten.
Während das „alte“ Erbe der Arbeiterbewegung der 1920er Jahre wieder Eingang in die Parteigeschichte der Linken findet (und auf Umwegen auch die Partisanenvergangenheit der West-Linken), bleibt die Frage, was denn aus dem autoritären Staatssozialismus „gelernt“ werden könnte, weitgehend unbeantwortet. Manchmal spricht der eine oder andere von historischen „Fehlern“, doch was denn die Fehler genau gewesen sein sollen, dafür fehlen Sprache und Begriffe. Auch die Verteidigung der DDR hilft da nicht weiter, wie sie etwa der Journalist Eckart Spoo betreibt: „Über Jahrzehnte hinweg verbreiteten fast alle bundesdeutschen Medien Horrorgeschichten von Zwangsadoptionen in der DDR, über Einweisung der Dissidenten in die Psychiatrie, über Folter und politischen Mord. Nachgewiesen wurde meines Wissens bisher von alledem nichts.“
Doch sollte der Eindruck nicht täuschen. Die Stimmen im Chor derer, die um das künftige Profil des linken Denkens ringen, sind vielschichtiger und reflektierter, wie Christoph Ruf in seinen Reportagen über „linke Milieus“ in Ost und West zeigt. Der Journalist hat sich aufgemacht, den rot-rot-grünen Mikrokosmos zu erforschen. Er hat sich mit sozialdemokratischen Bürgermeistern getroffen, mit Funktionären und Mitgliedern an der Basis, mit alten Linken und jüngeren Parlamentariern. Manch ein Kandidat, mit dem Ruf gesprochen hat, wie etwa der baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid, ist inzwischen ein veritabler Minister geworden; und manche von Rufs Stücken sind inzwischen schon wieder Geschichte.
Ruf war im Osten und Westen und dort, wo sich Linke immer schon schwergetan haben: in Bayern. Er geht fair mit seinen Gesprächspartnern um – ohne Häme über wilde Haare, Politjunkies oder lange Diskussionsnächte. Sein Herz schlägt links, das verschweigt er nicht (auch wenn er freimütig bekennt, wie unbestimmt dieses Gefühl mit den Jahren geworden sei). So eine Haltung schützt vor dem Hochmut gegenüber all denen, die sich politisch engagieren. Bisweilen wünschte man sich jedoch, Ruf würde noch genauer hinsehen, länger an Ort und Stelle verweilen und der Kraft seiner Beobachtungsgabe mehr vertrauen. Wie spannend wäre es wohl gewesen, wenn Ruf die Pfade linker Parteipolitik verlassen hätte und vielleicht den einen oder anderen evangelischen Pfarrer oder engagierten Katholiken besucht hätte, Leute, die sich vielleicht mit dem Begriff „links“ nicht ganz leicht tun, aber doch auch für die Sache der sozialen Gerechtigkeit streiten.
Am Ende seiner Reise durch Deutschlands linke Landschaften steht seine Vermutung, dass sich mittlerweile und allmählich ein rot-rot-grünes Projekt formiere. Den Sozialdemokraten, so lautet Christoph Rufs Botschaft, stünde „ein weniger pathologisches Verhältnis zur Linkspartei“ gut zu Gesicht, schließlich wüssten doch die meisten Genossen, allen voran die im Westen, dass viele Mitglieder der Linken verletzte sozialdemokratische Seelen sind. Solche geschundene Seelen leben vom Trotz und brauchen eine politische Heimat – auch für sie kommen Rufs Reportagen gerade recht. DIETMAR SÜSS
WOLFGANG GEHRCKE (Hrsg.): „Alle Verhältnisse umzuwerfen…“ Eine Streitschrift zum Programm der Linken. PappyRossa, Köln 2011. 180 S., 12 Euro.
CHRISTOPH RUF: Was ist links? Reportagen aus einem politischen Milieu. C. H. Beck, München 2011. 252 S., 12, 95 Euro.
Dietmar Süß ist Historiker an der Friedrich-Schiller-Universität Jena .
Das Godesberger Programm
der SPD: Das Vorspiel zu
Kanzler Schröders Agenda 2010?
Freimütig bekennt Christoph Ruf:
Er sei links, aber das sei
ein unbestimmtes Gefühl.
Die SPD sollte „ein weniger
pathologisches Verhältnis zur
Linkspartei“ haben.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Anregend fand Rezensent Sven Hanuschek offenbar Christoph Rufs Erkundungen unter der heutigen Linken, die er in Gesprächen mit Politikern der Grünen, der SPD und der Linken aus dem "Mittelbau" getätigt hat. Der Rezensent hat seine Freude an der wohlformulierten Polemik, den plastisch aufgezeichneten Gesprächen und den treffenden Metaphern, die der Autor aufbietet. Er schätzt Rufs deutliche Meinungsäußerungen, auch wenn er findet, dass der Journalist ein bisschen "reportagenhaft-beschreibendes Drumherum" in seiner Darstellung hätte streichen können. Und Rufs Appell, sich stärker am politischen Leben zu beteiligen, scheint bei Hanuschek auch auf Zustimmung zu stoßen.

© Perlentaucher Medien GmbH