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Geologen konnten vor einigen Jahren mit einer sensationellen Entdeckung aufwarten: Das Schwarze Meer war lange Zeit ein vom Mittelmeer völlig getrennter, tiefer liegender Süßwassersee. Der Durchbruch des Mittelmeers durch die Landbrücke um 6800 v.Chr. war eine Naturkatastrophe mit kaum vorstellbaren Ausmaßen. Jahrelang ergoß sich ein tosender Wasserfall in das Schwarze Meer und überschwemmte große, teilweise besiedelte Gebiete. Harald Haarmann beschreibt auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse Ursachen und Verlauf dieser Sintflut. Von hier aus geht er den Folgen der Flut für die…mehr

Produktbeschreibung
Geologen konnten vor einigen Jahren mit einer sensationellen Entdeckung aufwarten: Das Schwarze Meer war lange Zeit ein vom Mittelmeer völlig getrennter, tiefer liegender Süßwassersee. Der Durchbruch des Mittelmeers durch die Landbrücke um 6800 v.Chr. war eine Naturkatastrophe mit kaum vorstellbaren Ausmaßen. Jahrelang ergoß sich ein tosender Wasserfall in das Schwarze Meer und überschwemmte große, teilweise besiedelte Gebiete. Harald Haarmann beschreibt auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse Ursachen und Verlauf dieser Sintflut. Von hier aus geht er den Folgen der Flut für die Kulturentwicklung in der südlichen Schwarzmeerregion nach. Er stößt dabei auf die Spuren einer der ältesten Hochkulturen und verfolgt anhand archäologischer Funde, vor allem aber anhand der Schrift- und Sprachgeschichte deren Ausstrahlung bis hin nach Mesopotamien.
Autorenporträt
Dr. phil. habil. Harald Haarmann, geb. 1946, studierte Allgemeine Sprachwissenschaft und verschiedene philologische Einzeldisziplinen an den Universitäten Hamburg, Bonn, Coimbra (Portugal) und Bangor (Wales). Er lehrte und forschte an verschiedenen deutschen und japanischen Universitäten. Er ist Mitglied im Forscherteam des Research Centre on Multilingualism (Brüssel). Für seine Arbeit erhielt er diverse Preise: Prix logos (1999) der Association européenne des linguistes et des professeurs de langues (Paris) und den Premio Jean Monnet (1999) im Bereich Essayliteratur. Harald Haarmann lebt und arbeitet in Finnland.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.09.2003

Der Noah sprach: Ach lieber Herr
Prähistorisches Potpourri: Der Linguist Harald Haarmann rührt in der Geschichte der Sintflut
„Die ganze Weltgeschi-i-chte hat der Perioden drei. Die erste, ach! so schal und matt heißt ,Wassertrinkerei‘”, sangen einst die beschwipsten Couleurstudenten. „Sie währte bis zur großen Flut, da endete die Not, da trank die ganze Sünderbrut im Wasser, im Wasser, im Wasser sich den Tod.” Und: „Der Noah sprach: „Ach lieber Herr! Das Wasser schmeckt mir gar nit sehr, dieweil darin ersäufet sind all sündhaft Vieh und Menschenkind . . . Da griff der Herr ins Paradies und gab ihm einen Weinstock süß.”
Auch der Linguist Harald Haarmann sucht aus einer großen Flut – dem Einbruch des Mittelmeers in das heutige Schwarze Meer, einen ursprünglich von den Weltmeeren getrennten Süßwassersee – eine Zäsur der Weltgeschichte und entscheidenden Impetus der Kulturenentwicklung zu machen. Dabei liegt die wissenschaftliche Beweiskraft seiner Ausführungen nicht wesentlich über der der alten Kommersbuchlieder. Haarmanns Buch braucht daher Leser mit einem gewissen Humor; und man kann nur hoffen, dass auch der Verfasser es mit Augenzwinkern geschrieben hat.
Der Titel des Buches ist irreführend: Von der großen Flut handelt es nur zehn Seiten lang. Zu diesem Thema hat Haarmann nichts Eigenes zu bieten; vielmehr referiert er lediglich die Hypothese der amerikanischen Geologen William Ryan und Walter Pitman („Noah’s Flood”, 1998), der Einbruch des Mittelmeers in die seither vom Schwarzen Meer eingenommene Niederung habe sich um 6700 vor Christus ganz plötzlich, in einer gewaltigen Flutwelle vollzogen.
Die Diskussion über diese auf neue geologische Befunde gestützte Hypothese ist gewiss hochinteressant, und man erführe gern mehr darüber. Stattdessen hängt der Verfasser an seine Flut-Story auf eine gedanklich oft nicht nachvollziehbare Weise ein buntes Potpourri teils anregender, teils banaler und fragwürdiger Informationen und Betrachtungen zu zahlreichen populären Standardthemen der Vor- und Frühgeschichte an: vom Klimawandel und Indogermanenproblem bis hin zur Großen Göttin, zum Matriarchat, zur Entstehung der Schrift und des Ackerbaus.
Lieder vom Meer
Es ist nicht das erste Mal, dass die Große Flut eine Gedankenflut auslöst: Die Prähistoriker-Argumentation mit der Sintflut hat eine zweihundertjährige Geschichte, beginnend mit dem Kampf der Evolutionisten gegen die Katastrophisten zur Goethezeit. Noch vor zehn Jahren erschien ein Buch „Und die Sintflut gab es doch”, das eine durch einen Kometenabsturz ausgelöste Große Flut vor 9500 Jahren konstruiert, und deren Verfasser, Alexander und Edith Tollmann, mit schöner Offenheit bekennen, es sei für sie selber eine „große Überraschung” gewesen, „wie leicht und einfach auf der Basis des erarbeiteten Sintflut-Impaktgeschehens viele der bisher als Welträtsel geltenden großen Fragen der Menschheit durchschaubar werden”. Eine alte Erfahrung der Wissenschaftsgeschichte: Wenn ein einfallsreicher Forscher nur eine einzige Hypothese im Kopf hat, findet er überall nichts anderes als immer neue Belege dafür.
Solange er sich des hypothetischen Charakters dieser Konstruktionen bewusst bleibt, geht das noch an. Haarmann hat jedoch einen Hang zu apodiktischen Formulierungen. So hält er es für gesicherte Tatsache, „dass die Beziehungen zwischen Jägern und Ackerbauern überall friedlich sind” – woher will er das wissen? „Angesichts der apokalyptischen Erfahrung der Schwarzmeerkatastrophe liegt es auf der Hand, dass die traumatische Erinnerung an die große Flut das kulturelle Gedächtnis nachhaltig prägen und schon bald den menschlichen Geist nach einer Art Therapie drängen würde” – nein, nichts liegt auf der Hand. Die Menschheit ist eben kein Organismus mit Kollektivgedächtnis, das über Jahrtausende die Erinnerung an ein einzelnes Ereignis speichert. Selbst heute konnte jeder erleben, wie rasch eine Katastrophe wie Tschernobyl verblasst und nur noch wenige aufregt.
Stattdessen kultivieren die Menschen nicht selten Ängste, die gar nicht begründet sind. Haarmann bemerkt selber an einer Stelle, dass „Flutgeschichten” sogar in solchen Regionen beliebt sind, „die keine historische Flut erlebt haben”, ja umso drastischer ausgeschmückt werden, „je weiter vom Meer entfernt solche Lieder entstanden sind”. Mythen sind kein direktes Abbild der Realität: Und doch erweckt der Verfasser streckenweise genau diesen Eindruck!
Naturkatastrophen sind die neueste Mode in der Umweltgeschichte; und Haarmann sucht mit seinem Buch auf diesen Zug aufzusteigen. Nachdem eine moralisierende Umweltgeschichte über Jahrzehnte mit ihren Umweltsünden-Bekenntnissen dahin tendiert hatte, den nichtmenschlichen, natürlichen Faktor im Umweltwandel zu vernachlässigen, zeichnet sich in jüngster Zeit eine gewisse Trendwende ab. Und in der Tat, da gibt es einiges zu entdecken. Aber zugleich zeigt sich, wie schwierig es ist, diese Naturereignisse in die menschliche Geschichte zu integrieren. Von diesem vertrackten Problem bekommt der Leser dieses Buches kaum eine Ahnung. „Katastrophenkulturen”: Gibt es sie wirklich?
Zwischen den erkalteten Lavaströmen des Ätna sind die Hänge wieder dicht besiedelt. Zahllose furchtbare Überschwemmungen hielten die chinesischen Bauern nie davon ab, die Ufer des Hoang-ho immer dichter zu besiedeln. Schemenhaft erkennt man die kolossale Bedeutung jener Macht, vor der die Historiker die allergrößte Scheu haben, der die Menschheit jedoch ihren ruhigen Schlaf verdankt: der Macht des Vergessens.
JOACHIM RADKAU
HARALD HAARMANN: Geschichte der Sintflut. Auf den Spuren der frühen Zivilisationen. C. H. Beck, München 2003. 208 Seiten, 12,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Joachim Radkau zeigt sich wenig begeistert von Harald Haarmanns "Geschichte der Sintflut". Schon der Titel, tadelt er, ist irreführend, schließlich sei von der großen Flut nur auf knapp 10 Seiten die Rede. Auch habe Haarmann nichts eigenes zu diesem Thema zu sagen. Gewiss, die von Haarmann referierte Hypothese der amerikanischen Geologen William Ryan und Walter Pitman über den plötzlichen Einbruch des Mittelmeers ins Schwarze Meer um 6700 vor Christus findet Radkau höchst interessant. Zu seinem Bedauern erfährt man bei Haarmann allerdings kaum mehr darüber. Was hat der Autor stattdessen zu bieten? Ein "buntes Potpourri teils anregender, teils banaler und fragwürdiger Informationen und Betrachtungen zu zahlreichen populären Standardthemen der Vor- und Frühgeschichte". Das Ganze serviert er zum Ärger des Rezensenten auch noch auf eine "gedanklich oft nicht nachvollziehbare Weise". Damit nicht genug: am meisten stört Radkau der apodiktische Tonfall Haarmanns, der immer wieder zu vergessen scheint, dass sich bei den meisten Thesen zu dieser Thematik um Hypothesen handelt. "Naturkatastrophen sind die neueste Mode in der Umweltgeschichte", stellt der Rezensent schließlich fest. Auf diesen Zug, so sein Vorwurf an Haarmann, wolle er mit seinem Buch aufspringen.

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