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Produktdetails
  • Verlag: TAZ
  • Seitenzahl: 198
  • Erscheinungstermin: Herbst 2006
  • Deutsch
  • Abmessung: 300mm
  • Gewicht: 506g
  • ISBN-13: 9783937683072
  • ISBN-10: 3937683070
  • Artikelnr.: 20883191
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Globalisierter Stammtisch
Wie alles mit allem zusammenhängt
Auch der Stammtisch in einer niederbayerischen Dorfgaststätte ist heute im Netz  der Globalisierung. Vielleicht kommt die Bedienung aus dem ehemaligen Jugoslawien,  Teile des Wirtshausmobiliars wurden irgendwo in China zusammengeschraubt, den Küchenabfall entsorgen Flüchtlinge aus Zentralafrika. In „bayerischen Händen” ist vielleicht  nur  –  noch – die Brauerei des Weißbiers.
 Mögen die Sprüche am Stammtisch noch so patriotisch, nationalistisch, manchmal auch rassistisch  sein – Antworten auf die Realität im Wirtshaus wie außerhalb können sie schon seit langem nicht mehr bieten.  Was aber fehlt, nicht nur am Stammtisch, ist ein Wissen um die Weltzusammenhänge. Die sind nun mal kompliziert und alles hängt irgendwie auch mit allem zusammen.
„Heute ist es”, so schreibt im „Atlas der Globalisierung” der indische Autor Suketu Mehta, „für London  genauso  wichtig, Bombay zu verstehen, wie es für Bombay wichtig ist, London zu verstehen.” Und in Passau sollte man wissen, dass vielleicht das Abschmelzen der Polkappen auch verantwortlich ist für die dramatischer gewordenen Überflutungen des Inn.
Auf gut 200, mit sehr viel Kartenmaterial angereicherten, Seiten präsentieren Mitarbeiter von Le monde diplomatique und Globalisierungsexperten aus der ganzen Welt, auf was man sich  in den kommenden Jahrzehnten einstellen sollte. Schreckensszenarien nicht nur aufgrund der viel diskutierten Klimaveränderung sind realistisch. Anzeichen immer größer werdender Elendsmigrationen aus den armen Staaten Afrikas oder der Karibik sind heute schon an den Küsten Spaniens oder Italiens sichtbar.
Welche Auswirkungen haben die gigantischen Umweltzerstörungen im chinesischen Wild-West-Kapitalismus für die Bewohner des Riesenlandes, aber auch für den Rest der Welt? Wie wird sich die immer weiter öffnende Schere zwischen extremem Luxus und bitterster Armut auch in Europa auf das zivile Zusammenleben in den immer größer werdenden Stadtregionen auswirken?
 Den „Atlas” studierend, häufen sich Seite für Seite die Gründe für einen veritablen Weltpessimismus an. „Aber”, schreibt Susan George, eine der Herausgeberinnen dieses wichtigen Globalisierungskatasters: „Wenn wir die hier aufgeführten Daten genauer betrachten, können wir auch entdecken, dass Geld und Macht nicht immer das letzte Wort behalten.”  Gerne hätte man jedoch in diesem Atlas genau zu dieser Hoffnung auch etwas von den „Visionen” und bereits bestehenden Formen einer alternativen „Civil Globalisation” gelesen.
CARL WILHELM MACKE
Le Monde diplomatique /
taz (Hrsg.)
Atlas der Globalisierung
Berlin 2006. 198 Seiten, 12 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2006

"Distance is not dead"

Entfernung spielt keine Rolle. So lautet der Konsens in der Globalisierungsdebatte. Falsch, sagt die neue Wirtschaftsgeographie.

VON GERALD BRAUNBERGER

Eine Barbie kennt keine Nationalität. Konzipiert wird die berühmte Kinderpuppe in den Labors des Herstellers Mattel in Kalifornien. Die Plastik für den Puppenkörper kommt aus Taiwan, die Kunsthaare aus Japan und ihre Kleidung aus China. Aus Amerika stammen die Farben, mit denen die Puppe bemalt wird, sowie der Karton für ihre Versendung. Die eigentliche Produktion findet in Indonesien und Malaysia statt, an die sich ein Qualitätstest in Kalifornien anschließt. Vertrieben wird Barbie dann in alle Welt.

Barbie steht für die Globalisierung der Wirtschaft. Die Globalisierung verändert die Welt mehr als jede andere Kraft; sie setzt Menschen und Güter schneller und häufiger in Bewegung als früher. Sie stärkt das Wirtschaftswachstum in bevölkerungsstarken asiatischen Schwellenländern und stürzt die etablierten Wirtschaftsmächte des Westens in Zukunftsängste.

Die Globalisierung gilt vielen als eine unwiderstehliche Kraft. Doch das muß nicht so sein, wie ein Effekt zeigt, den die Wirtschaftsgeographie mit dem Anglizismus "Distance is not dead" (Entfernungen spielen eine Rolle) bezeichnet und der auf die Vorteile einer lokalen Produktion verweist. Denn Handel bleibt teuer: Seine Kosten machen im Durchschnitt 30 Prozent des Wertes der transportierten Güter aus. Gleichzeitig verlangsamt sich der Produktivitätsfortschritt in der Herstellung von Schiffen und Flugzeugen, während die Kosten für Energie und Sicherheit zunehmen.

Daher kommt die von den reichen Ländern befürchtete Angleichung der Löhne nur langsam voran. Der Ökonom Douglas A. Irwin zitiert eine zehn Jahre alte Feststellung Paul Krugmans: "Obwohl der Welthandel größer ist denn je, hängt der Lebensstandard eines Landes überwiegend von heimischen Faktoren ab und weniger vom Wettbewerb durch den Weltmarkt."

Dennoch ist die Globalisierung natürlich nicht tot. Begünstigt wird sie durch das, was der Harvard-Ökonom Richard Freeman die "Verdoppelung der Arbeitskraft in der Welt" nennt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind 760 Millionen Chinesen, 440 Millionen Inder und 260 Millionen Menschen aus den Nachfolgerepubliken der ehemaligen Sowjetunion in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung eingetreten.

Hinzu treten zumindest bislang erhebliche Fortschritte im Transport mit Containerschiffen, vor allem aber mit rasch wachsenden Flotten von Frachtflugzeugen. In den Vereinigten Staaten schätzt man den Wert des Zeitgewinns durch optimale Logistik auf 12 bis 13 Prozent des Wertes der transportierten Güter. Eine gute Infrastruktur bleibt daher wichtig. Sie bildet nach Ansicht des Ökonomen Irwin einen Grund, warum das abgelegene Australien in die internationale Arbeitsteilung eingebunden ist, wesentliche Teile Afrikas aber nicht.

Fortsetzen dürfte sich auch der Trend zu einer erheblichen Spezialisierung. Nach einer Beobachtung des Wirtschaftsgeographen Tony Venables verkauft die Textilindustrie in Bangladesch mit Erfolg Hemden, Hosen und Hüte - aber keine Bettwäsche. Die produzieren die Kollegen in Pakistan.

Die Globalisierung verändert somit die Geographie der Erde, aber ein überall gültiges Muster ist nicht erkennbar. So läßt sich in Asien eine Ausbreitung des Wachstums von reichen und dynamischen Zentren (Japan) auf Regionen mit niedrigen Transportkosten erkennen, etwa Küstenzonen von Nachbarländern (China). Dort findet dann eine gewaltige Urbanisierung statt: China erwartet eine Verdoppelung seiner Stadtbevölkerung auf eine Milliarde Menschen bis 2030. Ein vergleichbarer Entwicklungsprozeß findet in Afrika nicht statt.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rundum gelungen scheint Rezensentin Elisabeth von Thadden dieser "Atlas der Globalisiserung", der mit Karten, Statistiken, Grafiken und Analysen eine im steten Wandel begriffene Welt in ihren politischen, ökonomischen und ökologischen Dimensionen vor Augen führt. Dabei ist die aktuelle Ausgabe im Vergleich mit dem Vorgänger ihres Erachtens noch besser geworden: durch Selbstkritik, durch kommentierende Perspektiven aus aller Welt, durch überzeugende Setzung von Prioritäten. Alles in allem attestiert sie dem Atlas, noch intelligenter geworden zu sein. Ihr Fazit: dieser helfe, zu sehen, "was die Bewohner der Welt erwartet."

© Perlentaucher Medien GmbH