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»So viel Welt wie bei ihm findet man selten im Gedicht.« Christoph Schröder Paulus Böhmer ist der Meister des rhythmisch-epischen Langgedichts. WER ICH BIN, das ist moderne Lyrik, die von jungen Dichtern angestrebt wird, rauschhaft und nüchtern zugleich: »Keiner von uns wird aus Liebe sterben.«»Die Gedichte, die dieser Band enthält, funktionieren gut und gerne als Einführung in sein Werk. »Werichbin« und »Über das Zusammenfügen von Teilen« unternehmen den Versuch, den Raum zwischen Himmel und Erde zu umfassen - alle Sackgassen inbegriffen, die ein solches Vorhaben mit sich bringt. Bisher ist…mehr

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Produktbeschreibung
»So viel Welt wie bei ihm findet man selten im Gedicht.« Christoph Schröder Paulus Böhmer ist der Meister des rhythmisch-epischen Langgedichts. WER ICH BIN, das ist moderne Lyrik, die von jungen Dichtern angestrebt wird, rauschhaft und nüchtern zugleich: »Keiner von uns wird aus Liebe sterben.«»Die Gedichte, die dieser Band enthält, funktionieren gut und gerne als Einführung in sein Werk. »Werichbin« und »Über das Zusammenfügen von Teilen« unternehmen den Versuch, den Raum zwischen Himmel und Erde zu umfassen - alle Sackgassen inbegriffen, die ein solches Vorhaben mit sich bringt. Bisher ist Böhmer vorrangig als poets' poet in Erscheinung getreten und hat bislang keinen Zuspruch von einer größeren Leserschar erhalten. Obwohl seine literarische Stimme eine eminent wichtige, wenn nicht sogar eine äußerst zeitgenössische ist, die abseits des Surrealismus erklingt. Das wacklige Konzept mit Namen »Sinn« zeigt weithin sichtbare Risse, die nicht mit noch mehr Fiktion verschleiert, sondern offengelegt werden sollen: Seht her, in dieser Wüste schreibe ich, mache aber eine Kunst daraus. Böhmer lesen heißt, sich in Hingabe zu üben. Seine unfreundliche Textlandschaft zu betreten bedeutet nicht, sich von jeder Grundwahrheit zu lösen, sondern neue Gewissheit zu finden: Nach jedem Blitz entsteht Raum für etwas Neues.« Matthias Friedrich, Literaturkritik.de»Böhmer schert sich nicht um Moden, um die Einflüsterungen des Zeitgeistes und um ästhetische Konventionen.«
Autorenporträt
Der Schriftsteller Paulus Böhmer wurde 1936 in Berlin als Paul Christoph Böhmer geboren. Ab 1943 lebte er in Oberhessen und studierte nach dem Abitur Jura in Frankfurt am Main. Er brach das Studium ab und wurde Bauarbeiter. Dann studierte er an der TU in Berlin Architektur und Literatur bei Walter Höllerer. Auch diese Studien brach er ab und machte in Mannheim eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Ab 1967 wohnte er im oberhessischen Nieder-Ofleiden, wo er sich als Stauden- und Ziergraszüchter betätigte. 1974 war er wieder in Frankfurt am Main, wo er unter anderem als Reizwarenlieferant, Lektor und Werbetexter tätig war, schrieb und malte. Von 1985 bis 2001 war er Leiter des Hessischen Literaturbüros in Frankfurt, des heutigen Hessisches Literaturforums. Im Jahr 2010 erhielt er für sein lyrisches Gesamtwerk den Hölty-Preis, 2011 die Goethe-Plakette des Landes Hessen, 2013 die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt und den Robert Gernhardt-Preis. Paulus Böhmer war Mitglied des PEN-Zen

trums Deutschland. Paulus Böhmer starb am 5. Dezember 2018 in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.04.2015

Das blitzende Ich
Im Wort-Universum des Dichters Paulus Böhmer
Paulus Böhmer ist der Dichter der großen Worte und der langen Rede. Im Grunde sind all seine Langgedichte Ausschnitte aus einem einzigen Gedicht, das, wenn es nur möglich wäre, das gesamte Universum vom kleinsten Kleinen bis zur Unendlichkeit umfassen würde. Jedes seiner Gedichte will die ganze sprachlich fassbare Welt festhalten, jedes einzelne Wort reckt und streckt sich lustvoll der Gesamtsprache entgegen. Böhmers Gedichte fangen irgendwo an und hören irgendwo auf, aber das ist nur ihrer unausweichlichen Verhaftetheit in der Zeit geschuldet. Sie zielen immer auf alles, sind Rausch, orgiastische Feier des Daseins, des Lebens und des Sterbens, Gebete ohne Gott, die im Überschwang auch mit einem „Amen“ oder einem schlichten „Ja“ enden können, weil sie nun mal enden müssen.
  Paulus Böhmer, ist, vom Kleinen her betrachtet, ein hessischer Lyriker. Jahrelang hat er das Hessische Literaturbüro in Frankfurt geleitet und unterdessen unverdrossen seine Gedichtbände publiziert. Weil sie lang sind, diese Wort-Delirien, hat man ihn immer wieder als deutschen Vertreter der Beat-Poetry bezeichnet, als Nachfolger von Allen Ginsberg oder William Burroughs. Aber sein hymnisches Sprechen, in dem Natur und Dingwelt und Menschendasein ineinander versinken, verweist auch auf die Weltgesänge Walt Whitmans.
  Das Eintauchen in die ursuppenhafte Weite des Kosmos erinnert gelegentlich an Gottfried Benn, wenn Böhmer naturwissenschaftlich kühle Betrachtungen mit großen Gefühlen und der Sehnsucht nach Transzendenz kurzschließt. Dabei besitzt seine Sprache in all ihrer chirurgischen Präzision auch eine unmittelbar körperliche, geradezu sexuelle Dimension. Inger Christensen ist mit ihrem „Alphabet“ nicht weit entfernt, weil auch Böhmer die Welt von A bis Z durchbuchstabiert und aus der Sprache erschafft.
  Das Gedicht als Schöpfungsakt: Das ist in einem kleinen Band mit zwei Langgedichten nachzulesen, die zwar beide schon einmal vor 15 Jahren erschienen sind, jetzt aber als komplementäre Teile eines Ganzen beieinander stehen und die Methode Böhmers deutlich werden lassen. Der titelgebende erste Teil „Wer ich bin“ besteht aus drei Abschnitten, die rhetorisch aus Wie-, aus So- und aus Dass-Sätzen gebaut sind. Der Wie-Teil handelt davon, wie die Welt beschaffen ist, und staunt darüber. Der So-Teil führt in der So-und-so-ist-es-Bewegung ins Erkennen hinein. Der Dass-Teil formuliert Wünsche, dass es so wäre, und benennt die Konsequenzen aus Staunen und Wissen: „Dass nichts, / was in uns ist, nicht auch / außen / ist, außen, dass / es rasierte und unrasierte Achselhöhlen gibt, / dass manchmal, auf der Rückseite von Tafeln, / Verse von Boccaccio stehen.“
  Böhmers Lyrik ist hochgradig narzisstisch, auch wenn vom Ich gar nicht die Rede ist. Aber das Ich ist unverzichtbar, weil es der Ausgangspunkt des Sprachstroms ist. Zugleich arbeitet es sich daran ab, die Grenzen zwischen Subjekt und Objekt zu überwinden, ja, die Subjekt-Objekt-Spaltung grundsätzlich aufzuheben. Dieses Ich ist nichts als Sprache, und es besteht nur so lange, wie die Sprache durch es hindurchströmt und etwas entstehen lässt.
  Dieses rauschhafte, lyrische „Wer ich bin“ wird durch den zweiten Teil gekontert, das lehrbuchhafte „Über das Zusammenfügen von Teilen“. Es führt vom Ich zur Welt und vom Einzelnen zum Ganzen, das aber wiederum nichts ist als ein Geteiltes, als Teilung, Teileinheit, Teilfläche: „Abfolgen und Rhythmen ordnen das Teilen, / das Zusammenfügen von Teilen, das / Teilen. Knochen / brauchen mehr Zeit als / durchblutete Teile“. Diese Teil-Bewegung ist auch eine Hommage an den amerikanischen Meister des Langgedichts, Wallace Stevens, der seinerseits die „Teile einer Welt“ auseinandergenommen hat.
  Böhmer weiß sehr viel und muss das unentwegt beweisen. Verweise auf griechische Mythologie stehen neben Zitaten aus der Pop-Kultur und den Naturwissenschaften, und auch die Literaturgeschichte ist präsent, wenn William Faulkners Flem Snopes Kaugummi kaut oder es plötzlich mit einem Romantitel von Siegfried Lenz heißt: „Habichte sind in der Luft“. Vielleicht sind das aber auch nur biografische Einsprengsel, Erinnerungen an Leseerfahrungen, die der 1936 geborene Böhmer in den 1950er-Jahren gemacht haben mag.
  Seine Dichtung funktioniert als Überfluss-Produktion. Wo es um alles geht, gibt es von allem zu viel. Doch in diesem unendlichen, manchmal auch ermüdenden Meer der Worte leuchten immer wieder Erkenntnisblitze, erhellende Wahrnehmungen auf. Das auf Dauer gestellte Sprechen ist die Voraussetzung, um zu diesen Lichtstellen zu gelangen. So tritt der Böhmer-Leser eine Schiffsreise an, von Insel zu Insel, vom Ich in die Welt und darüber hinaus, vom Wort zur Sprache und im Sprechen zurück zum Ich. So, sagt er, „entsteht neben der Zeit, die wir kennen, eine andere Zeit“. Und das ist es schließlich, worauf es ankommt in der Dichtung.
JÖRG MAGENAU
„Knochen / brauchen mehr
Zeit als / durchblutete Teile“
  
  
  
  
  
  
Paulus Böhmer: Wer ich bin. Gedichte. Edition Faust, Frankfurt am Main 2014.
56 Seiten, 16 Euro.
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