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Thessaloniki 1943. Am 8. Februar werden die Nürnberger Rassengesetze von 1935 auch im besetzten Griechenland in Kraft gesetzt. Bereits am 25. Februar beginnt die Deportation von Juden in die Arbeits- und Vernichtungslager. In 18 Transporten werden mehr als 45 000 Juden verschleppt, von denen kaum 1000 zurückkehren. Eine von ihnen ist Edda, die zentrale Figur dieser authentischen Geschichte. Ihre zweijährige Tochter Réina konnte sie rechtzeitig einem katholischen Kloster anvertrauen, wo diese als Gilberta den Krieg überlebt. Jahrzehnte später, nach dem Tod der Eltern, erzählt sie der Athener…mehr

Produktbeschreibung
Thessaloniki 1943. Am 8. Februar werden die Nürnberger Rassengesetze von 1935 auch im besetzten Griechenland in Kraft gesetzt. Bereits am 25. Februar beginnt die Deportation von Juden in die Arbeits- und Vernichtungslager. In 18 Transporten werden mehr als 45 000 Juden verschleppt, von denen kaum 1000 zurückkehren. Eine von ihnen ist Edda, die zentrale Figur dieser authentischen Geschichte. Ihre zweijährige Tochter Réina konnte sie rechtzeitig einem katholischen Kloster anvertrauen, wo diese als Gilberta den Krieg überlebt. Jahrzehnte später, nach dem Tod der Eltern, erzählt sie der Athener Autorin Nina Nahmia die Geschichte ihrer Familie. Die arglose Zeit vor dem einschneidenden Ereignis und ihre Jugend danach mit der gezeichneten Mutter.
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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Deutsche Verbrechen in Griechenland
Ein bewegender Bericht über eine Überlebende des jüdischen Ghettos von Thessaloniki
Es gibt Geschichten, die erst spät erzählt werden, die Geschichte von Réina Gilberta gehört dazu. Bis sie in Deutschland einen Verleger fand, hat es Jahre gedauert. Ohne die Beharrlichkeit ihres Übersetzers, des Griechen und Schweizers Argyris Sfountouris, wäre dies wohl kaum gelungen. Sfountouris hat Dichter wie Jannis Ritsos und Nikos Kazantzakis ins Deutsche übertragen, und er hat eine eigene Geschichte, die der Schweizer Regisseur Stefan Haupt 2006 in einem bewegenden Dokumentarfilm („Ein Lied für Argyris”) nachgezeichnet hat. Sfountouris gehört zu den wenigen Überlebenden des Massakers, das eine SS-Einheit 1944 in dem griechischen Dorf Distomo angerichtet hat. Ein Kind war er damals, kaum vier Jahre alt, als seine Eltern und dreißig Verwandte von den Deutschen ermordet wurden.
Das Mädchen Réina ist noch ein Baby, als seine jüdischen Eltern es in Thessaloniki vor der Deportation nach Auschwitz retten und bei katholischen Klosterschwestern verstecken. Alberto, der Vater des Kindes, schlägt sich zu den Partisanen durch, die in den Bergen gegen die deutschen Besatzer kämpfen. Edda, die Mutter, übersteht eine tollkühne Flucht aus dem Ghetto von Thessaloniki nach Athen, an der Seite eines beherzten Bauern, dem sie ihr Leben anvertraut. Sie fühlt sich der Rettung nah, als sie endlich in der spanischen Botschaft von Athen als sephardische und damit spanischstämmige Jüdin Zuflucht findet. Da überfällt die Gestapo die diplomatische Vertretung. Die Juden werden zum Bahnhof gebracht, wo die Transportzüge nach Auschwitz schon warten.
Die 1940 geborene Athener Autorin Nina Nahmia hat diese Familiengeschichte aufgezeichnet. Edda überlebte Auschwitz und Bergen-Belsen. Sie kehrte nach Umwegen über Frankreich und Israel in ihre Heimatstadt zurück, als eine von etwa 2000 Überlebenden der einst 50 000 Juden Thessalonikis. Aber Edda hat nicht vermocht, ihre Geschichte zu erzählen, sie hat sie in sich vergraben, sie trägt wie die anderen gezeichneten Jüdinnen Salonikis im Sommer langärmlige Kleider, um ihre Häftlingsnummer zu verbergen. Die Mauer, die ihre Mutter umgibt, und die Verzweiflung des Vaters über die Sprachlosigkeit seiner Frau, all das kann sich Tochter Réina nach der geglückten Wiedervereinigung der Familie lange nicht erklären. Erst viel später, nach dem Tod der Mutter, trägt sie die Bruchstücke der Erinnerung zusammen.
Réina findet Briefe der Nonne, die sie aufzog und ihr den Namen Gilberta gab; sie entdeckt den kleinen Ausweis, der ihre Mutter zur „Ehefrau des Kornilios” erklärte, jenes christlichen Bauern, der die Jüdin als seine Gattin ausgab, um sie vor den deutschen Häschern zu bewahren. Nina Nahmia hat für diese Familienskizze eine zarte, behutsame Sprache gefunden, und Argyris Sfountouris hat sie in ein fließendes, schönes Deutsch verwandelt. Nahmia lässt dort Lücken, wo Edda schwieg. So gibt es keine KZ-Erinnerungen, aber Eddas selbstquälerische Zerrüttung reicht aus, um sich das Schlimmste vorzustellen.
Sparsam eingestreute historische Erläuterungen erleichtern das Verständnis und weiten den Blick auf die Dimension des Verbrechens. „Lächerlichkeit, Verzweiflung, Todesangst. Dieses Triptychon der Entwürdigung” bereitete die Existenzvernichtung der fast 500 Jahre alten jüdischen Gemeinde von Thessaloniki vor.
Die kursiv gesetzten Zwischentexte sind auch in der griechischen Ausgabe enthalten. Das Wissen über die Judenvernichtung, über Retter und Kollaborateure, ist im Hellas von heute nicht unbedingt Allgemeingut. Noch weniger dürften viele Deutsche Genaueres über die Besatzung Griechenlands wissen. Nun wird die Erinnerung von einigen Athener Politikern gerade wieder mit Hilfe von Entschädigungsforderungen geweckt, wobei der Anlass – die Finanzkrise – eher zur Banalisierung einlädt als zur näheren Betrachtung einer historischen Schuld.
„Sie sind in Sicherheit, Madame”, versucht ein französischer Arzt seine aus dem KZ befreite panische Patientin zu beruhigen. Aber Edda wird sich nie mehr sicher fühlen. Dies ist das große Thema des Buches: der Verlust des Vertrauens in die Verlässlichkeiten eines ganz gewöhnlichen Lebens. Tochter Réina hatte dagegen das schier unglaubliche Glück einer unwissenden, unbeschwerten Kindheit. Diese Sicherheit ist ein Geschenk, das sie durchs Leben begleitet und ihr hilft, die Geschichte ihrer Familie zu erzählen.
CHRISTIANE SCHLÖTZER
NINA NAHMIA: Réina Gilberta. Ein Kind im Ghetto von Thessaloniki. Aus dem Griechischen von Argyris Sfountouris. Metropol Verlag, Berlin Dezember 2009. 261 Seiten, 22 Euro.
Die Mutter schwieg über ihr Schicksal. Erst ihre Tochter konnte ihre Geschichte erzählen.
Die jüdische Gemeinde in Thessaloniki – hier ein Straßenbild aus dem jüdischen Viertel, fotografiert um 1918 – zählte vor dem Zweiten Weltkrieg rund 50 000 Menschen. Überlebt haben davon nur 2000. Foto: Wikimedia
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das bewegende Schicksal einer jüdischen Familie aus Thessaloniki zur Zeit der nationalsozialistischen Besatzung Griechenlands hat Christiane Schlötzer in diesem Buch der Athener Autorin Nahmia verfolgt, das die Geschichte der Reina Gilberta erzählt, die als Baby von ihren jüdischen Eltern bei katholischen Klosterschwestern versteckt wird. In einer laut Schlötzer "zarten, behutsamen Sprache" berichtet Nahmia von den Schicksalen der Mutter Edda, die Auschwitz und Bergen-Belsen überlebte, und des zu den Partisanen übergelaufenen Vaters Alberto, die sich nach dem Krieg wiederfinden und die Familie wieder zusammenführen. Als Hauptthema des Buches beschreibt die Rezensentin "den Verlust des Vertrauens" in ein gewöhnliches Leben, mit dem die Hauptfiguren fertig werden müssen, und auch das gesamte Ausmaß des Schreckens der Judenvernichtung und der nationalsozialistischen Besatzung Griechenlands wurden der Rezensentin noch einmal eindrücklich vor Augen geführt.

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