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Zehn Frauen reden über einen Mann, der sich selbst fremd geworden ist und geben alles von sich preis. Was sind die Gründe für Richard Taylors Verschwinden? Er ist scheinbar glücklich verheiratet und gerade Vater geworden, seine Arbeit füllt ihn aus, und seit Kurzem besitzt er eine Eigentumswohnung in einem schicken Londoner Vorort. Eigentlich unverständlich, dass er von einem Tag auf den anderen beschließt, alles hinter sich zu lassen, um ein neues Leben zu beginnen. Zehn Frauen ergreifen das Wort, um von Richard Taylor zu erzählen. Seine Frau Susan, die von ihrer Ehe berichtet und dem…mehr

Produktbeschreibung
Zehn Frauen reden über einen Mann, der sich selbst fremd geworden ist und geben alles von sich preis. Was sind die Gründe für Richard Taylors Verschwinden? Er ist scheinbar glücklich verheiratet und gerade Vater geworden, seine Arbeit füllt ihn aus, und seit Kurzem besitzt er eine Eigentumswohnung in einem schicken Londoner Vorort. Eigentlich unverständlich, dass er von einem Tag auf den anderen beschließt, alles hinter sich zu lassen, um ein neues Leben zu beginnen. Zehn Frauen ergreifen das Wort, um von Richard Taylor zu erzählen. Seine Frau Susan, die von ihrer Ehe berichtet und dem Problem, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Seine Mutter Jean, die es nicht verkraften kann, dass Richard ihr so wenig Zuneigung schenkt. Rebecca, eine Arbeitskollegin bei der BBC, die sich schon bei ihrer ersten Begegnung mit Richard vergeblich geschworen hatte, sich nie in ihn zu verlieben, aus Angst, ihn wieder zu verlieren. Die transsexuelle Besitzerin eines Nachtklubs, in dem Richard verkehrte, eine junge Schriftstellerin namens Sarah Kane ... sie alle haben ihre eigene Version vom Verschwinden des Richard Taylor.
Autorenporträt
Holger Fock, geboren 1958 in Ludwigsburg, übersetzt seit 25 Jahren französische Literatur. Er lebt zusammen mit der Übersetzerin Sabine Müller und zwei Kindern im Raum Heidelberg.
Gemeinsam mit Sabine Müller wurde er 2011 mit dem "Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis" ausgezeichnet und 2015 erhielt er den "Prix Lémanique de la Traduction".

Sabine Müller, geboren 1959 in Lauffen/Neckar, ist seit 1994 Übersetzerin für französische und englische Literatur. Sie lebt zusammen mit dem Übersetzer Holger Fock und zwei Kindern im Raum Heidelberg.
Gemeinsam mit Holger Fock wurde sie im Jahr 2011 mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Buch über Frauen und das "Werde, wer du bist" hat Ingeborg Harms gelesen. Postmodern, existentialistisch erscheint ihr das von Arnaud Cathrine entworfene Spiegelkabinett weiblicher Libido, in dem Richard, der Mann ohne Eigenschaften, sich hoffnungslos verirrt. Wenn Cathrine Richards Erfahrungen der Haltlosigkeit in Perspektivik und Komposition des Romans sich niederschlagen und literarische und Filmfiguren auftreten lässt, hört Harms allerdings die Bühnenmaschinerie ächzen. Das, so scheint es, übertönt sogar das pausenlose Geplapper der Damen in diesem Buch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2009

Auf der Umlaufbahn des schönen Mannes

Existentialismus unter postmodernen Vorzeichen: Der französische Autor Arnaud Cathrine erzählt von weiblichen Gefühlsverausgabungen auf dem Kettenkarussell des Eros.

Richard Taylor wird vermisst" ist der in England spielende postmoderne Roman eines französischen Autors mit existentialistischer Botschaft und ohne einen Helden, der ihr noch gewachsen wäre. Ein junges Ehepaar wird von den Masturbationsgeräuschen einer Nachbarin namens Jennifer so zermürbt, dass der Ehemann schließlich nicht nur Frau und Kind abrupt verlässt, sondern auch seine Arbeit bei der BBC niederlegt und seiner allerdings unerträglichen Mutter einen vernichtenden Brief schreibt.

Dass die Mutter wirklich unmöglich ist, wissen wir, weil sie zu Wort kommt. Jede Frau, die in Richards Leben eine Rolle spielt, hat ihr eigenes Kapitel - statt Schnitzlers "Reigen" eine Art Kettenkarussell. Denn auf all diese Erzählerinnen übt der schöne Richard eine magnetische Anziehungskraft aus. Dabei hat er im Grunde gar nichts zu melden. Alles, was wir über ihn erfahren, entstammt dem Spiegelkabinett einer weiblichen Libido, die gerade dem eigenschaftsarmen Mann exorbitante Bedeutung zumisst. Immerhin, Richard hegt eine Vorliebe fürs Aquarellieren, einen tiefen Zorn auf Vater und Mutter und ein Nietzsche-Wort, das ihm der Großvater auf dem Sterbebett zuflüsterte: "Werde, wer du bist."

Dass ihn ausgerechnet die einsamen Lustschreie einer frustrierten Erotomanin an diese Mission erinnern, sagt schon alles über ihren Ausgang. Stur zieht der Dreißigjährige alle Register der spätpubertären Erkenntnis, dass die Eltern den Charakter prägen. Richard lässt sich gehen, von mitleidigen Frauen aushalten, bemuttern und einquartieren, wofür er sich in alter Gigolomanier revanchiert - vielleicht war Jennifer ja doch seine Berufung. Von ihrem Treffen hören wir erst gegen Ende des Buches, mit Eros hat diese Begegnung dann nichts mehr zu tun.

Doch im Übrigen ist der Roman ein Buch über Frauen, ihre Gefühlsverausgabung und die epischen Gedanken, die sie sich aus Verliebtheit machen. Wenn Richard davor weglaufen würde, hätte er ein Motiv. Doch er hat sich einfach jenen Virus eingefangen, der seit Camus durch die französische Literatur geistert und seine Opfer mit der Überzeugung befällt, ihr bisheriges Leben habe nicht das Geringste mit ihnen zu tun, alle zwischenmenschlichen Bindungen seien bloßer Schein und alle je getroffenen Entscheidungen hinfällig. Oder mit den Worten einer Randfigur: "Man fühlt sich nicht so leer, wenn man eine Rolle spielt."

Der Roman überträgt die Erfahrung der Bodenlosigkeit nicht nur durch seinen Perspektivismus ins Kompositorische. Die Wirklichkeitsebenen flirren wie heißer Sand in der Wüste. Neben der verstorbenen britischen Dramatikerin Sarah Kane treten literarische Figuren A. L. Kennedys und Marie Darrieussecqs auf sowie der vor vier Jahren durch die vermischten Seiten geisternde "Pianomann". Cathrine arbeitet Zitate aus Kanes Theaterstück "Gier" ein, zieht Filmfiguren zur Charakterisierung heran und lässt Richards Tokio-Reisepläne wie die des Helden in Lawrence Sternes "Sentimentaler Reise" schon an der Dover-Fähre enden.

Am Ende bleiben diese literarischen Extravaganzen Kulissenrollen zur Inthronisierung eines Heros des Nichts. Im Zug, mit dem Richard aus London flieht, versucht eine Dame ihn, wie er sich ausdrückt, "anzubaggern". Er erwehrt sich ihrer Neugier, indem er sich eine Identität als Bestattungsunternehmer erfindet. Seine Übergangsgeliebte Lydia O'Lear, von der wir das alles erfahren, möchte wissen: "Was hat sie gemacht?" - "Leiterin der Personalabteilung bei einem Telefonunternehmen", antwortet Richard und zählt, plötzlich sehr wohl zu einer Meinung fähig, die indiskutablen Vorlieben und empörenden Geschäftspraktiken der Fremden auf: "Es war erschütternd."

Nicht nur, dass er sich en passant als Moralist erweist, offenbar fehlt ihm jede Phantasie, um auch im Tun der anderen die Inszenierung zu vermuten. Doch Frauen lügen bei Arnaud Cathrine nicht, was vielleicht daran liegt, dass sie pausenlos reden müssen, weil sie sonst an ihren Gefühlen ersticken. Gegen Ende liest eine weitere Dame den restlos Verirrten mit ihrem Auto auf. ",Wohin fahren Sie?', fragte er mich mit halb erstickter Stimme, die klang, als hätte er seit Stunden nichts mehr gesprochen."

INGEBORG HARMS

Arnaud Cathrine: "Richard Taylor wird vermisst". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller. Verlag Liebeskind, München 2008. 224 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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