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Ein Straßenkünstler versucht, das Mysterium der Liebe zu ergründen, indem er sich der Gegenstände bemächtigt, die seinen Mitmenschen am Herzen liegen. Diese Gegenstände trägt er in seiner "Ausstellung der Liebe" zusammen, die er fein säuberlich katalogisiert im Keller seines abbruchreifen Observatoriums versteckt hat.nDieses dient heute nur noch als Miethaus mit exzentrischen Bewohnern. Isoliert von der Außenwelt vegetieren die Mieter einsam vor sich hin, bis eines Tages die halbblinde Anna Tap in Wohnung Nr. 18 einzieht. Edward Careys von der Kritik hochgelobter Roman "Das verlorene…mehr

Produktbeschreibung
Ein Straßenkünstler versucht, das Mysterium der Liebe zu ergründen, indem er sich der Gegenstände bemächtigt, die seinen Mitmenschen am Herzen liegen. Diese Gegenstände trägt er in seiner "Ausstellung der Liebe" zusammen, die er fein säuberlich katalogisiert im Keller seines abbruchreifen Observatoriums versteckt hat.nDieses dient heute nur noch als Miethaus mit exzentrischen Bewohnern. Isoliert von der Außenwelt vegetieren die Mieter einsam vor sich hin, bis eines Tages die halbblinde Anna Tap in Wohnung Nr. 18 einzieht.
Edward Careys von der Kritik hochgelobter Roman "Das verlorene Observatorium" ist eine Tragikomödie voller skurriler Figuren und Begebenheiten, sprachlich brillant und spannend erzählt.
Autorenporträt
Edward Carey wurde 1970 im englischen Norfolk geboren. Nach der Schule besuchte er zeitweilig die Marineakademie, arbeitete als Aufseher in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett und studierte Theaterwissenschaften. Seitdem war er als Dramaturg an staatlichen Theatern in rumänien und Litauen tätig, wo er u.a. Werke von Robert Coover und Patrick Süskind für die Bühne adaptierte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2003

Ein Token
für die Liebe
Edward Careys Roman „Das
verlorene Observatorium”
Was für ein merkwürdiger Schutzumschlag für ein Buch! Unter dem Namen des Autors, Edward Carey, und dem Romantitel, „Das verlorene Observatorium”, läuft eine Liste mit sorgfältig nummerierten Positionen. Die darin katalogisierten Gegenstände weisen keinerlei Zusammenhang auf. Was hat eine Marionette mit einem Kricketschläger zu tun und der wiederum mit einer Dienstbotenuniform oder einem Hundehalskragen? Als Anhang lässt sich diese Aufstellung integral nachlesen. Und, seltsam genug, mit fortschreitender Lektüre ertappt man sich dabei, immer öfter etwas darin zu suchen.
Ein Mann namens Francis Orme, nun Anfang 30, hat sie angelegt, als er, noch ein Kind, anfing, Menschen Dinge zu entwenden, die ihnen wichtig waren, und seiner „Ausstellung der Liebe” einzuverleiben. Seine Schätze hortet er in der Gruft jenes titelgebenden Observatoriums, dort, wo sich einst ein Mord zutrug und auch sein älterer Bruder bestattet liegt, welcher an einem Wasserkopf starb. Francis’ Eigenart erschöpft sich keineswegs in seiner abwegigen Sammelleidenschaft an makabrem Ort. Er gilt als ein wenig zurückgeblieben und trägt stets blütenweiße Baumwollhandschuhe, seitdem er zwölf war und an einem Ekzem litt. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich als Straßenkünstler, indem er, ganz in Weiß, als Statue posiert. Die innere und äußere Reglosigkeit hatte er gelernt zu perfektionieren als lebende Figur in einem Wachsfigurenkabinett.
Dies arme Hundeleben
Francis fristet mit seinen Eltern in diesem in Wohnungen unterteilten Observatorium eine veritable Beckett-Existenz. Der Vater, ein Francis auch er, dämmert nach einem Schlaganfall in einem Ledersessel vor sich hin; Mutter Alice träumt in ihrem verdunkelten Zimmer dem Liebhaber nach, der sie schon vor Jahrzehnten verlassen hat. Ähnlich vegetieren die anderen Hausbewohner in ihre öden Tage hinein. Im Keller haust der liebestolle, buchstäblich mordseifersüchtige Pförtner; der schwule Peter Bugg in Wohnung Nr. 10, ehemals Lehrer, büßt seine handgreiflichen Erziehungsmethoden, welche seinen Lieblingsschüler in den Selbstmord trieben, mit ununterbrochenen Tränen- und Schweißausbrüchen; die Frau, die sich für einen Hund hält, heißt nach der Nummer ihrer Wohnung einfach 20. Sie bellt und verrichtet öffentlich ihr Geschäft. Nr.16 wird von Claire Higg bewohnt, einer alten Jungfer seit dem gewaltsamen Tod ihres Angebeteten.
Was Francis all diesen Menschen für seine Sammlung gestohlen hat, mag jeweils ein Token sein für deren ungelebte, in jedem Fall abhanden gekommene Liebe. War es der grausame Tod des Hundes mit dem symbolträchtigen Namen Hope, der den Beginn des Niedergangs markiert? Oder war dieses arme Hundeleben bereits selbst ein Zeichen dafür? Hope hat sich, weil ungeliebt, zwanghaft zu Tode gekratzt. Und zwanghaft verhalten sich all die Personen im Observatorium und drumherum. Sie sind Versehrte an Leib und Seele.
Der 1970 geborene Autor Edward Carey, der Francis, was unschwer zu erkennen ist, als das Zerrbild seiner selbst inszenierte, wurde in Norfolk geboren und arbeitete als Dramaturg in Rumänien und Litauen. Doch „Das verlorene Observatorium” lässt sich, wie man noch auf den ersten Dutzend Seiten vermutet, nicht als Parabel des real kollabierten Sozialismus lesen. Carey meint England und nicht den Osten. Seine in ihrer Überzeichnung übrigens höchst lebensnahen Figuren sind der traurige und verkommene Rest eines Klassensystems, das ebenso marode und brüchig ist wie das heruntergewohnte einstige Herrenhaus Tearsham Park, in dem sie sich bis zu dessen Abbruch verschanzen.
Kaputte Kretins
Einer der Francis Ormes, denn alle männlichen Erben dieses Geschlechts heißen Francis, war ein begeisterter Sterngucker und hatte das Observatorium einst einbauen lassen. Die Ormes verarmten, Tearsham Park wurde versteigert und in ein Mietshaus umgewandelt, das letztlich abbruchreif den Gestrandeten eines abgewirtschafteten Sozialsystems als Zuflucht dient. Statt exzentrischer Herrschaften herrschen nunmehr kaputte Kretins, von denen jeder die Merkmale einer vormals gängigen Moral und überkommener gesellschaftlicher Normen der so genannten upper class verkörpert. Körperfeindlichkeit und Prügelstrafe, Prüderie, die sich in Gewalt entlädt, Sozial- und Sexualneid und doppelte Moral befördern den Niedergang. Chiron, das Mahagoni-Lineal, mit dem Peter Bugg seine Zöglinge traktierte und das Francis seiner Sammlung einverleibte, steht für den Verlust von Macht.
Die einstigen Protagonisten vergangener Größe, an deren Namen sich kaum einer mehr erinnert, gibt es einzig noch als Wachsfiguren. Und den Glanz verbrauchten Goldes suggerieren allenfalls die billigen Knöpfe einer Portiers- Uniform. Edward Carey glückte mit dem „Verlorenen Observatorium” eine außergewöhnliche Groteske über die Spinnweben des britischen Empires. Aber: Er rettet seine Figuren. Denn er pflegt die Liebe und nicht ihre sorgsam katalogisierten Überbleibsel.
EVA-ELISABETHFISCHER
EDWARD CAREY: Das verlorene Observatorium. Roman. Aus dem Englischen von Jürgen Bürger. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2002. 398 Seiten, 24 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002

Im Haus der toten Seelen
Edward Careys Zwangsneurotiker / Von Edo Reents

Dies ist die Geschichte eines Mannes von siebenunddreißig Jahren, ledig, kontaktarm, von Beruf Straßenkünstler. Francis Orme verbringt seine Tage als lebendes Standbild auf einem Sockel in seiner Heimatstadt. Er gibt den Passanten die Illusion der Unbelebtheit und bekommt dafür Geld. Seine Körperbeherrschung verhalf ihm einst zu einer Anstellung im Wachsfigurenmuseum der Stadt. Puppen, die vorgeben, Menschen zu sein, und Menschen, die vorgeben, Puppen zu sein - die Dialektik zwischen Belebtem und Unbelebtem beherrscht nicht nur Francis Orme; aber worauf es Edward Carey mit seinem Roman "Das vergessene Observatorium" ankommt, das ist der pathologische Zug, der diese artistische und doch so unfreie Existenz grundiert. Wir haben es mit einem Zwangscharakter zu tun, dessen Träger nach Gesetzen lebt, die allein er bestimmt.

Denn Francis Orme trägt Handschuhe, weiße Baumwollhandschuhe, die er nie ablegt und sofort gegen neue auswechselt, sobald sie schmutzig werden: "Handschuhmenschen sind magische Menschen. Handschuhe zu tragen, alles zu kontrollieren, was man berührt, kam einem erhabenen Schweben über der Welt gleich. Man konnte das Leben, all das Leid beobachten, man konnte beobachten, brauchte aber niemals etwas zu berühren." Wozu und, vor allem, woher dieses magische Denken? Das ist Gegenstand eines ungewöhnlichen Romans, in dem uns ein Figurenensemble präsentiert wird, dessen Abseitigkeiten wir eher aus dem Film kennen. Von Tod Brownings "Freaks" (1932) über Hitchcocks "Psycho" (1960), Truffauts "Wolfsjungen" (1969/70), David Lynchs "Eraserhead" (1977) und Chabrols "Phantomen des Hutmachers" (1981) bis hin zu Jean-Pierre Jeunets "Delicatessen" (1990) reicht der Referenzrahmen, in dem Careys Phantasie sich heftig auslebt. Seine Geschichte hat von allem etwas, ist Zirkusschau, Außenseiterpsychogramm und Endzeitmärchen in einem.

Francis Orme lebt mit seinen Eltern in einem großen, ehemals in Familienbesitz befindlichen, heruntergekommenen Mietshaus, dem Observatorium, das einst auf dem Land lag und mit der Zeit von der nahen, rasch wachsenden Stadt gewissermaßen angesogen wurde. Hier wohnten einmal vierundzwanzig Familien; doch nun, in einer Gegenwart, deren Unbestimmtheit der geographischen Randlage entspricht, sind es nur noch sieben Personen, denen das durch Auszug und Tod entvölkerte Haus ein schäbiges Obdach bietet; hoffnungslose, schon lange nicht mehr gesellschaftsfähige Existenzen, die in ihrer Verhaltensauffälligkeit Halt suchen: Miss Claire Higg, eine Jungfer, die nur noch in der Realität des Fernsehens lebt; Peter Bugg, der alte Hauslehrer, der seiner sadistischen Vergangenheit nicht entrinnen kann; die verwahrloste Hundedame, Zwanzig genannt, die sich einbildet, sie wäre ein Hund und auch so aussieht; und der Pförtner, der ein pedantisches Regiment führt - in dieser wie lose zusammengewürfelten, doch schicksalhaft aneinandergeketteten Gemeinschaft geht der Handschuhträger als Dieb um. Orme stiehlt seinen Eltern und Nachbarn die Gegenstände, die ihnen am Herzen liegen, versieht sie mit fortlaufenden Nummern und versteckt sie in einem unterirdischen Archiv, das er mit der Gewissenhaftigkeit dessen verwaltet, der glaubt, mit der Materie Macht zu gewinnen über die Menschen. Neunhundertsechsundneunzig alltägliche und weniger alltägliche Gegenstände, die eindeutig Fetischcharakter haben, sind es, deren letzter Das Objekt ist. Was es damit auf sich hat, erfährt der Leser im Zuge der Aufarbeitung einer heillosen Familiengeschichte. Das auf Verschwiegenheit angewiesene Idyll erfährt durch eine neue Mieterin Verunsicherung. Einziehen ins Haus der toten Seelen soll nämlich Anna Tap, eine fast blinde Frau um die dreißig, der besonders Francis Orme feindselig begegnet. Dieser versucht sie wieder zu vertreiben aus dem Haus, das viele Geheimnisse birgt, und gibt seinen Widerstand erst auf, als er merkt, daß sie seinen Alltag auf heilsame Weise durcheinanderbringt.

Wir wissen seit Freud um die systemstabilisierende Funktion einer Zwangsneurose und die Macht seelischer Energien, die sich irreguläre Bahnen suchen. Die Macke, die Francis Orme pflegt, dient ihm zur Bewältigung einer Berührungsangst, die sich auf beinahe alles erstreckt. Dazu hat er sich ein "Gesetz der weißen Handschuhe" auferlegt, einen Dekalog, an dem jeder Nervenarzt seine Freude hätte. Daß er dem am fulminanten Ende, an dem das Haus gesprengt wird und das Unterste zuoberst kommt, ein elftes Gebot hinzufügt, bedeutet einen Bruch, der ihm nicht nur das Weiterleben, sondern auch so etwas wie Normalität ermöglicht: "Ich würde einer dieser Menschen werden, ich würde anfangen zu reden, ich würde sogar aufhören zu sammeln und diesen höchst angenehmen Sockel in der Innenstadt verlassen. Und ich könnte sogar ein lieber Junge werden und diese Handschuhe tatsächlich ausziehen . . . und was dann?"

Wie dieser Francis Orme von seinem Sockel geholt wird, das zeigt Edward Carey in seinem erstaunlichen Romandebüt mit vertrackten Wendungen und übersichtlich wechselnden Erzählperspektiven. Das Buch, das von der englischsprachigen Welt begeistert aufgenommen wurde, liegt nun in einer glänzenden Übersetzung vor, und jeder, der sich davon überzeugen will, daß das Wagnis, das immer besteht, wenn ein Erzähler aus der Abnormität ein Lebensprinzip macht, auch glücken kann, sollte es lesen. Carey, Jahrgang 1970, kommt uns dabei nicht mit der verlogenen Pointe, derzufolge die Verrückten die Normalen sind. Es ist ein tiefsinniges und abstruses, präzise geschriebenes Werk voller Humanität.

Edward Carey: "Das verlorene Observatorium." Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Bürger. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2002. 400 S., geb., 24,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Angela Schader ist ziemlich angetan von diesem Roman, dessen Handlungsort ein ehemaliges Observatorium ist, in dem zu den schon dort wohnenden sechs Mietern eine fast blinde junge Frau hinzukommt, die als Bedrohung des Gleichgewichts empfunden wird. Das Buch, ist "äußerst kunstvoll" konstruiert, stellt die Rezensentin fest, die das Ganze als Untersuchung der "menschlichen Beziehungsunfähigkeit" charakterisiert. Und auch wenn Schader einräumt, dass mitunter die Motive dieses Buches etwas forciert wirken und mitunter ein "leises Ächzen" in der Romankonstruktion zu spüren sei, so ist sie doch von diesem "phantasievoll ausgemalten Theater der irregeleiteten Gefühle" begeistert. Sie lobt die kunstvollen Sprünge, die der britische Autor so geschickt in den Romanverlauf gesetzt habe, dass der Leser sie kaum wahrnehme. Dass Carey zudem auch durchaus "erdnahe englische Schmuddeligkeit" in seinem Buch mit der großen Künstlichkeit der Handlung kombiniert, erhöht für die Rezensentin die "unbehagliche Bannkraft" dieses Romans.

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