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Andreas Fischer-Lescano befasst sich mit den Geltungsgrundlagen des Weltrechts. Im Zentrum seiner rechtssoziologischen Untersuchung steht die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit eines globalen Menschenrechts. Er zeichnet die Binnendifferenzierungen dieses Weltrechts und seine strukturelle Kopplung an die Weltpolitik nach. In der Tradition rechtspluralistischer Theorien beschreibt er globale Skandalisierungsprozesse, in denen Menschenrechtsbewegungen und NGOs auf Verletzungen aufmerksam machen, und betont die weltrechtsetzende Dimension der zivilgesellschaftlichen Rechtskommunikationen,…mehr

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Produktbeschreibung
Andreas Fischer-Lescano befasst sich mit den Geltungsgrundlagen des Weltrechts. Im Zentrum seiner rechtssoziologischen Untersuchung steht die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit eines globalen Menschenrechts. Er zeichnet die Binnendifferenzierungen dieses Weltrechts und seine strukturelle Kopplung an die Weltpolitik nach. In der Tradition rechtspluralistischer Theorien beschreibt er globale Skandalisierungsprozesse, in denen Menschenrechtsbewegungen und NGOs auf Verletzungen aufmerksam machen, und betont die weltrechtsetzende Dimension der zivilgesellschaftlichen Rechtskommunikationen, die das Geltungssymbol des Rechts transportieren können, wenn sie das Skript einer colère publique mondiale annehmen.

Fischer-Lescano verbindet in seiner Untersuchung zum transnationalen Recht gesellschaftstheoretische und juristische Beschreibungsformen. Er setzt an der Beobachtung einer Diversifizierung globaler Akteure und dem Diskurs über globalen Konstitutionalismus an und zeigt auf, dass globale Rechtsentwicklungen keineswegs durch die traditionellen Völkerrechtssubjekte, die Staaten, getragen werden, sondern durch die Weltgesellschaft selbst. Die im Völkerrecht langsam Raum gewinnende Erkenntnis partialer Völkerrechtssubjektivität nicht-staatlicher Akteure ist somit zwar eine begrüßenswerte Reaktion des Weltrechts auf eine komplexer gewordene außerrechtliche Umwelt. Diese partiale Öffnung reicht allerdings nicht aus, sondern ist erst dann weltgesellschafts-adäquat, wenn sie die weltgesellschaftlichen Rechtssetzungsmechanismen, das weltgesellschaftliche Gewohnheitsrecht, das Fischer-Lescano als lex humana des postmodernen ius gentium reformuliert, anerkennt. Er zeigt, dass sich trotz dieser defizitären Umweltadäquanz auf der Ebene der Weltgesellschaft ein Rechtssystem ausdifferenzieren konnte. Dieses hat sein Zentrum in den heterarchisch organisierten Weltgerichten, den global remedies nationalstaatlicher und internationaler Provenienz. Aufgrund der Permeabilität der Staaten und der weltrechtlichen Normierung von Individualpflichten und -rechten ist dieses Weltrecht kein lediglich zwischenstaatliches Recht mehr, sondern steht dem stoischen ius gentium näher als dem Post-Victorianischen ius inter gentes. Das postmoderne ius gentium ist mit dem weltpolitischen System über die politische Globalverfassung strukturell gekoppelt, auch wenn in dieser der genetische Rechtspluralismus in der Weltgesellschaft bislang nur zögerlich berücksichtigt wird und die größte Herausforderung für den globalen Konstitutionalismus in der Ausweitung des Jurisdiktionsbereichs der Weltgerichte liegt.
Autorenporträt
Andreas Fischer-Lescano, geb. 1972; Studium der Rechtswissenschaft und der Philosophie in Tübingen, Göttingen, Madrid (ICADE), Frankfurt am Main; 2002/2003 European University Institute, Florenz; 2003 Promotion; 2003-2004 Mitarbeiter, projektgeb., am Max Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg. 2004-2006 Wiss. Mitarbeiter, Institut für Wirtschaftsrecht, J.W. Goethe-Universität, Frankfurt am Main, 2004-2006 Mitarbeiter in der Forschungsgruppe "Internationale Organisation, Demokratischer Frieden und die Herrschaft des Rechts" an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt am Main. Seit 2006 Akademischer Rat am Fachbereich Rechtswissenschaft, Institut für Öffentliches Recht, J.W. Goethe-Universität, Frankfurt am Main Juli 2007 Habilitation: Venia legendi für die Fächer Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht, Rechtstheorie am Fachbereich Rechtswissenschaft der J.W. Goethe-Universität, Frankfurt am Main WiSe 2

007/08: Vertretung der Professur für Öffentliches Recht, Universität Bielefeld. SoSe 2008: Vertretung der Professur für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht, Universität Bremen. Seit WiSe 2008/09 Hochschullehrer für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Rechtstheorie sowie Direktor des ZERP.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2006

Globale Protestöffentlichkeit
Andreas Fischer-Lescano entwickelt das Recht aus dem Skandal

Seit gut zwei Jahrhunderten, seit den Revolutionen in Amerika und Frankreich, verbinden wir mit dem Begriff der Verfassung geschriebene Rechtstexte, die in einer politischen Umbruchsituation entstanden und in denen sich eine politische Gemeinschaft definiert hat. Pünktlich zweihundert Jahre später fand diese Tradition in den Staaten Mittel- und Osteuropas ihre spektakuläre Bestätigung.

Doch war das niemals die ganze Geschichte des Verfassungsbegriffs; man schaue nur nach England, der vorbildlichen Ordnung der europäischen Frühneuzeit. Verfassungsrechtliche Garantien entstanden dort auch durch gerichtliche Entscheidungen, die Freiheitsrechte definierten, an die die politische Gewalt gebunden war. "Verfassung" bezeichnete in diesem Zusammenhang keine politische Gründungsurkunde, sondern die schrittweise Entwicklung bestimmter Freiheitsgarantien. "Verfassung" funktionierte, mit Luhmann gesprochen, nicht als revolutionäre, sondern als evolutionäre Errungenschaft.

Diese historische Spur wird in der aktuellen wissenschaftlichen Debatte um die Konstitutionalisierung des internationalen Rechts fortgedacht. Denn auch dort entstehen Rechtsgrundsätze nicht als Entscheidung des gar nicht vorhandenen politischen Weltverfassunggebers, sondern aus dem Selbstgespräch des Rechtssystems. Es mag gute Gründe geben, den Begriff der Verfassung aus der Beschränkung auf geschriebenes staatliches öffentliches Recht zu befreien.

Andreas Fischer-Lescano ist schon jetzt einer der einflußreichen Avantgardisten dieser Diskussion. In seiner Frankfurter Dissertation macht er sich auf die Suche nach einer speziellen Form internationaler Konstitutionalisierung: der Entstehung internationaler Menschenrechtsstandards durch die globale Skandalisierung politischer Verbrechen. Sein Beispielsfall ist das Verschwindenlassen mißliebiger Personen, der "desaparecidos", durch die argentinische Militärjunta in den siebziger und frühen achtziger Jahren. Trotz beschämenden Desinteresses auch westlicher Staaten gelang es den Angehörigen der Opfer, namentlich den legendären Müttern der Plaza de Mayo von Buenos Aires, die Ereignisse zu einem politischen Skandal zu machen und die Empörung einer globalen Öffentlichkeit zu erregen. Fischer-Lescano zeichnet nach, wie aus der Skandalisierung durch die Rezeption nationaler und internationaler Gerichte geltendes Recht wurde, das schließlich auch die Immunitätsregelungen überwand, mit denen die Täter sich selbst vor Verfolgung schützen wollten. Heute ist das Verschwindenlassen ein eigener Straftatbestand im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Alle unterzeichnenden Staaten sind verpflichtet, Verstöße zu verfolgen. Die politische Mobilisierung hat geltendes Recht geschaffen.

Am Leitfaden dieser Geschichte entwirft Fischer-Lescano das Modell einer Konstitutionalisierung des internationalen Rechts, die gerade nicht das Ergebnis politischer Gestaltung ist, sondern die sich auch gegen die Absichten offizieller staatlicher Politik an der Plausibilität moralischer Bewertungen entzündet. Die "Globalverfassung" ist keine politische Urkunde: Würde ein traditionelles kontinentales Verständnis sie vielleicht in der UN-Charta suchen, entdeckt Fischer-Lescano sie in der politisch sensiblen transnationalen Praxis von Gerichten.

Obwohl im Ansatz sehr bedenkenswert, beginnen an diesem Punkt auch die zentralen Konstruktionsprobleme des Buchs. Denn zunächst dürfte klar sein, daß sich nicht alle Regeln in der gleichen Weise spontan plausibel machen lassen wie das Verbot, Menschen verschwinden zu lassen. Hier bleibt das Modell hinter dem sehr grundsätzlichen Titel des Buches zurück und auf sein einziges Beispiel fixiert: So ließen sich auch Skandalisierungsvorgänge denken, die nach den gleichen Regeln funktionieren, ohne daß sie mit der gleichen Verve zu verteidigen wären. Die spektakuläre Aufdeckung eines Falles von Kindesmißbrauch mag eines Tages dazu führen, Unschuldsvermutungen global zu relativieren, prozessuale Rechte von Beschuldigten einzuschränken oder Strafen auch ohne geschriebene Regelung zu verschärfen. Für Fischer-Lescanos Theorie wäre das eigentlich kein Problem. Aber der kalte, systemtheoretisch geschulte Blick auf die Evolution der Weltverfassung, die das Buch ausdrücklich in Anspruch nimmt, wird in der Darstellung durchgehend von einem Menschenrechtspathos erwärmt, das die verwendete Theorie nur unterstellen, nicht aber begründen kann. Es geht dem Buch nicht nur um die Evolution des Rechtssystems, es geht auch um die richtigen Ergebnisse.

Natürlich könnte man argumentieren, daß es gute moralische Gründe dafür gibt, das Verschwindenlassen von Personen zu bestrafen. Ebenso ließe sich darüber nachdenken, ob demokratische Rechtsetzung einen sinnvollen Beitrag dazu leistet, eine Wahl zu treffen, welche Proteste durch das Recht umgesetzt werden sollten und welche nicht. Solche erklärenden Verbindungsstücke zwischen politischem Protest und formalem Recht schließt das Buch aufgrund seiner systemtheoretischen Grundlage aber ausdrücklich aus: Nur das Recht entscheidet, was Teil der Rechtsordnung wird, lautet das Credo, das durch den eigenen moralischen Unterton permanent untergraben wird.

Während das politische Engagement von Nichtregierungsorganisationen verklärt wird, findet demokratisch legitimiertes staatliches Handeln beim Autor bloße Verachtung. Für seinen Beispielsfall mag man diese Sicht wiederum teilen: Die Geschichte des Verschwindenlassens ist auch die Geschichte des moralischen Versagens demokratischer Staaten wie der Bundesrepublik. Aber ist diese Einsicht unterderhand zu verallgemeinern? Demokratische Herrschaft als schlechte, informale Daueropposition als gute Politik? Hier lacht dem Leser ein vordemokratisches Politikverständnis entgegen.

Keiner der hier formulierten Einwände wie auch viele andere - von der politischen Mißbrauchsanfälligkeit der Berufung auf Menschenrechte bis zum Problem, ob globales Strafrecht nicht auch Menschenrechte verletzen kann - wird von Fischer-Lescano übersehen. Doch mäandert sich die wenig stringente Darstellung in einer durchweg unglücklichen Sprache an möglicher Kritik entlang, ohne sie systematisch zu beantworten. Zu vieles wird zwecks eigener Absicherung nur angesprochen.

Angeregt, aber enttäuscht werden zumindest die Leser zurückbleiben, die von einer systemtheoretischen Grundlegung der internationalen Verfassung mehr Theorie und weniger Überzeugung erwartet hatten.

CHRISTOPH MÖLLERS

Andreas Fischer-Lescano: "Globalverfassung". Die Geltungsbegründung der Menschenrechte. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2005. 351 S., geb., 39,10 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zunächst vom annoncierten systemtheoretischen Ansatz angelockt, legt Christoph Möllers das Buch von Andreas Fischer-Lescano am Ende doch enttäuscht aus der Hand. Gern folgt er zunächst dem Autor bei seinem Versuch, den Begriff Verfassung mit Luhmann evolutionär zu denken und die Entstehung von Menschenrechten als Folge politischer Mobilisierung zu sehen. Das vom Autor angeführte Beispiel der Machenschaften der argentinischen Militärjunta aber genügt Möller nicht. Und je mehr er nach einer Bestätigung der aufgestellten These sucht, desto weniger überzeugt ihn das Buch. Der Fall Argentinien lasse sich nicht verallgemeinern, erklärt Möller, und wirft dem Autor gar ein "vordemokratisches Politikverständnis" vor. Die schöne Systemtheorie aber sieht er andauernd untergraben von einem wenig aussagekräftigen Menschenrechtspathos. Das zu allem Überfluss in einer "durchweg unglücklichen Sprache" verfasste Werk zerfällt schließlich aus Mangel an Stringenz.

© Perlentaucher Medien GmbH