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Mitte der 1890er Jahre befiel den Schriftsteller Marcel Schwob eine schwere Krankheit, die sich trotz mehrerer Operationen verschlimmerte und sein Schaffen fast vollständig zum Erliegen brachte. Auf ärztliche Empfehlung machte er eine Seereise, begleitet von seinem chinesischen Pfleger Ting und dem Affen Lanka. Einem Freund schrieb er vor der Abfahrt: "Ich schreite zu meiner finalen Behandlung. Wenn ich nach sechs Monaten nicht geheilt bin, gebe ich alles auf." Das Ziel war Samoa, denn Schwob träumte davon, den Spuren seines Brieffreunds Robert Louis Stevenson zu folgen, der gleichfalls der…mehr

Produktbeschreibung
Mitte der 1890er Jahre befiel den Schriftsteller Marcel Schwob eine schwere Krankheit, die sich trotz mehrerer Operationen verschlimmerte und sein Schaffen fast vollständig zum Erliegen brachte. Auf ärztliche Empfehlung machte er eine Seereise, begleitet von seinem chinesischen Pfleger Ting und dem Affen Lanka. Einem Freund schrieb er vor der Abfahrt: "Ich schreite zu meiner finalen Behandlung. Wenn ich nach sechs Monaten nicht geheilt bin, gebe ich alles auf." Das Ziel war Samoa, denn Schwob träumte davon, den Spuren seines Brieffreunds Robert Louis Stevenson zu folgen, der gleichfalls der Gesundheit wegen in die Südsee gereist war, und dessen Grab zu sehen. Die Briefe, die er unterwegs an seine Frau, die gefeierte Schauspielerin Marguerite Moréno schrieb, zeichnen die Etappen der Reise über Ägypten, Djibouti, Ceylon und Australien nach. Sie enthalten eindrucksvolle, poetische Schilderungen von Wetter und Meer, sarkastische Porträts von Mitreisenden, Szenen aus dem Bordleben undErlebnisse an Land. Die Reise entwickelte sich zu einer finanziellen und gesundheitlichen Katastrophe; Schwob kam nur knapp mit dem Leben davon und musste heimreisen, ohne Stevensons Grab gesehen zu haben. Er starb drei Jahre später in Paris. Die Reisebriefe sollten den Grundstock einer literarischen Arbeit bilden, zu der es nicht mehr kam. Sie wurden postum veröffentlicht und gelten als ein Hauptwerk Schwobs. Ergänzt wird der Band durch die Briefe Robert Louis Stevensons an Schwob sowie durch einen Essay von Schwob über Stevenson.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Marcel Schwob, 1867 in Chaville bei Paris geboren, gehörte in den 1890er Jahren zu den führenden Vertretern der literarischen Avantgarde Frankreichs. Innerhalb weniger Jahre schrieb er fünf Bände mit Erzählungen, um dann bis zu seinem Tod 1905 als Schriftsteller zu verstummen. Seinem verstorbenen Vorbild Robert Louis Stevenson huldigte er durch eine Reise nach Samoa, musste aber kurz vor Erreichen des Grabes aufgrund einer eigenen lebensgefährlichen Erkrankung umkehren. Im Elfenbein Verlag erschienen ebenso Marcels Schwobs Erzählbände "Das gespaltene Herz" sowie "Der Kinderkreuzzug".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2017

Ein Schiff fährt vorbei
Im Oktober 1901 ging Marcel Schwob in Marseille an Bord. Sein Ziel war Samoa, das
Grab seines Idols Robert Louis Stevenson. Jetzt gibt es seine Reisebriefe auch auf Deutsch
VON LOTHAR MÜLLER
Ende Juli 1891 nimmt Marcel Schwob zum ersten Mal an einem Abend im Haus der Brüder Goncourt teil. Einer der Gäste schmeichelt vor dem Diner den Gastgebern, sie seien die eigentlichen Entdecker des Naturalismus, Zola aber habe dann Ruhm und Profit daraus gezogen. Beim Essen stellt Jules Goncourt nicht zum ersten Mal „Madame Bovary“ über alle anderen Bücher Flauberts. „Schwob sieht aus wie eine dicke, ein wenig räudige Ratte“, schreibt er nach dem Diner in das gemeinsame Tagebuch der Brüder und fügt so den vielen Karikaturen, in die sie ihre Gäste verwandeln, eine weitere hinzu.
Der junge Mann, in Chaville bei Paris geboren, war knapp 25 Jahre alt und begann, sich in der Literaturszene einen Namen zu machen. Gerade kam sein erster Erzählungsband heraus, „Un coeur double“ (1891, „Das gespaltene Herz“), und darin steckte eine große Leidenschaft. In dem gebildeten jüdischen Elternhaus, in dem Marcel Schwob aufwuchs, hatte er zwei Privatlehrer, einen Engländer und einen Deutschen, und so sprach und las er schon als Kind beide Sprachen fließend.
Als er siebzehn war, wurde „The Treasure Island“, Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“ , zu einem seiner großen Leseerlebnisse, nach Francois Villon, zu dem ihn der Großvater geführt hatte. Die Titelerzählung seines Erstlings „Un Coeur double“ war eine Hommage an Stevenson, eine Variation auf „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“. Und von Stevenson aus ging es zwischen den Polen Edgar Allan Poe und Charles Dickens hinab bis zu Daniel Defoe.
Die räudige Ratte, einmal eingeführt in den Salon der Goncourts, stellt dort bald seine Übersetzungen von Defoes Romanen „The Fortunes and Misfortunes of the Famous Moll Flanders“ und „The History of the Surprising Adventures of Colonel Jack“ vor, die seinen Gastgebern vollkommen unbekannt sind. Von dem amerikanischen Dichter Walt Whitman, dessen Gedicht „The City Dead-House“ aus den „Leaves of Grass“ er eines Abends auf Französisch zum besten gibt, kennen sie allenfalls den Namen.
Eine andere Facette ihres Gastes erwächst aus dem Studium der antiken Literatur und der französischen Sprachgeschichte, zumal des „Argot“, den niederen Sprachschichten, die bei Villon eine so große Rolle spielen. Der junge Mann hat bei dem Linguisten Ferdinand de Saussure studiert und war ein Stammgast in der Bibliothèque Mazarine.
Mit seinem Idol Robert Louis Stevenson unterhält Marcel Schwob seit 1888 einen sporadischen Briefwechsel. Im Oktober 1890 siedelt sich Stevenson nach mehreren Südseereisen endgültig auf Samoa an, wo er ein Anwesen am Fuß des Mont Vaea erworben hat, nahe Apia auf der Insel Upolu. Der letzte Brief an Marcel Schwob, der ihm seinen Prosaband „Mimes“ zugeschickt hatte, ist vom 7. Juli 1894 datiert. Er lobt die Melancholie des Buches, „den liebenswerten Sinn für die Antike“, würdigt es aber insgesamt „eher als Versprechen für etwas Kommendes denn als eigentliches Ziel“. Einem so feinnervigen Leser wie Marcel Schwob wird der Verriss nicht entgangen sein, der sich in den folgenden Sätzen andeutet: „Sie müssen uns – und darauf warte ich mit Ungeduld – etwas Größeres schenken, etwas Taghelles, nicht Dämmeriges; etwas in den Farben des Lebens, nicht den matten Tönen einer Buchmalerei im Tempel.“
Stevenson starb ein halbes Jahr später auf Samoa. Und Marcel Schwob, dem man in den Pariser Literatenzirkeln von Stéphane Mallarmé über Paul Valéry bis André Gide eine große Zukunft zutraute, wurde 1896 von einer nie exakt diagnostizierten Krankheit erfasst. Es halfen weder zahlreiche Operationen noch Kuren auf Jersey oder in Italien, der große Schmerzlinderer war das Morphium, dem er bald verfallen war. Dem Rat eines seiner Ärzte folgend, brach Marcel Schwob im Oktober 1901 von Marseille aus zu seiner großen Reise auf: über den Sueskanal und das Rote Meer, mit Stationen in Ceylon, Melbourne und Sydney nach Samoa. Im Frühjahr 1902 kehrte er zurück.
Der Elfenbein Verlag bringt nach „Das gespaltene Herz“ und „Der Kinderkreuzzug“ nun zum 150. Geburtstag Schwobs eine deutsche Fassung seiner Reisebriefe heraus. Sie waren an die Schauspielerin Marguerite Moreno adressiert, die er im Jahr 1900 geheiratet hatte. Über die Adressatin ist die Pariser Theaterwelt anwesend. Aber diese Rückbindungen an Paris und die Liebesbeteuerungen an Marguerite Moreno sind nicht das Entscheidende.
Entscheidend ist, dass dies eine Reise in Stevensons Welt war. Und dass Marcel Schwob darüber schweigt, dass es sich um eine Pilgerreise in Hoffnung auf Genesung handelte. Natürlich kannte er Stevensons „In der Südsee“ (1896), in dem der Aufbruch in die Südsee eine Flucht vor den Totengräbern ist. Aber er verbannt den Dialog mit Stevenson zwischen die Zeilen.
Schwob reiste mit seinem chinesischen Pfleger Ting, der nach der Weltausstellung 1900 in Paris geblieben war. Obwohl knapp an Mitteln, gab er Einiges aus, um ihn, etwa in Australien, vor misstrauischen Grenzbeamten zu schützen. „Die Bestialität der weißen Rasse“ bringt ihn in Rage, in Dschibuti sind es die eigenen Landsleute: „Die Nation, die die Menschenrechte proklamiert hat, traktiert eine schöne, intelligente Rasse schlimmer als das Vieh im Schlachthof.“
Trotz einer Exkursion zu den Tempeln im Inneren Ceylons stehen im Zentrum der Briefe nicht die Landszenen, auch nicht die Porträts von Kapitänen, Abenteurern, Kolonialisten an Bord. Im Zentrum der Skizzen zu einem nie geschriebenen Reisebuch stehen die Aquarelle in Prosa, in denen Schwob das Meer und den Himmel schildert, in Adjektivkaskaden dem Kult der Nuance im Fin de Siècle huldigt. Die deutsche Fassung ist diesen Aquarellen gewachsen. Aber der kranke Reisende kann auch die einfachen Sätze: „Ein Schiff fährt auf dem nächtlichen Meer vorbei.“
„Alle Geschichten über Samoas Schönheit sind Lügen“ heißt es einmal, das Grab Stevensons scheint der Reisende nicht erreicht zu haben. Dennoch sind dieser Ausgabe, die auf einer französischen Edition von 2002 beruht, die Briefe Stevensons an Schwob und sein bester Essay über Stevenson beigegeben. Zu Recht.
Marcel Schwob: Manapouri. Reise nach Samoa 1901/1902. Mit Briefen von Robert Louis Stevenson und Marcel Schwobs Essay über ihn. Herausgegeben, aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Gernot Krämer. Elfenbein Verlag, Berlin 2017. 216 Seiten, 22 Euro.
Marcel Schwob reiste
mit seinem chinesischen
Pfleger und Diener Ting
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