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»Das Buch von Monelle«, »Der Kinderkreuzzug« und die »Imaginären Lebensläufe« sind auch in Deutschland längst bekannte Klassiker der französischen Literatur. Aber schon mit seinem ersten Buch »Das gespaltene Herz«, das 1891 erschien, gelang Marcel Schwob ein großer Wurf. Anders als in den streng komponierten späteren Werken zeigt sich hier die ganze Vielgestalt seines Talents: Märchen, Grotesken, Parabeln, Gespenster- und Abenteuergeschichten, historische Kriminalfälle und Szenen aus der Pariser Halb- und Unterwelt haben darin ihren Platz.Am 26. Februar 2005 jährt sich zum hundertsten Mal der…mehr

Produktbeschreibung
»Das Buch von Monelle«, »Der Kinderkreuzzug« und die »Imaginären Lebensläufe« sind auch in Deutschland längst bekannte Klassiker der französischen Literatur. Aber schon mit seinem ersten Buch »Das gespaltene Herz«, das 1891 erschien, gelang Marcel Schwob ein großer Wurf. Anders als in den streng komponierten späteren Werken zeigt sich hier die ganze Vielgestalt seines Talents: Märchen, Grotesken, Parabeln, Gespenster- und Abenteuergeschichten, historische Kriminalfälle und Szenen aus der Pariser Halb- und Unterwelt haben darin ihren Platz.Am 26. Februar 2005 jährt sich zum hundertsten Mal der Todestag Marcel Schwobs. Aus diesem Anlaß erscheint »Das geteilte Herz« erstmals in deutscher Übersetzung, ergänzt durch den postum erschienenen Essay »Il libro della mia memoria«. Die mit Holzschnitten von Fernand Siméon illustrierte Ausgabe enthält einen Anhang mit Essays von Fleur Jaeggy und Franz Blei über Marcel Schwob, Tagebuchaufzeichnungen über Schwob von Jules Renard, André Gide, Paul Léautaud und Arnold Bennett sowie ein Nachwort des Übersetzers und Herausgebers.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Marcel Schwob (1867-1905) gehörte in den 1890er Jahren zu den führenden Vertretern der literarischen Avantgarde Frankreichs. Innerhalb weniger Jahre schrieb er fünf Bände mit Erzählungen, um dann bis zu seinem Tod als Schriftsteller zu verstummen. Seinem verstorbenen Vorbild Robert Louis Stevenson huldigte er durch eine Reise nach Samoa, musste aber kurz vor Erreichen des Grabes aufgrund einer eigenen lebensgefährlichen Erkrankung umkehren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2005

Terror der Zukunft
Ein abenteuerliches Herz: Erzählungen von Marcel Schwob

"Die Männer am Kessel schoben regelmäßig, methodisch diese Menschenballen in das stählerne Rohr; für eine Sekunde sah man, eingesaugt, bis zu den Schultern hervortretend, ein entfärbtes, verzerrtes Gesicht; dann schlug die Aussparung der Scheibe bei ihrer Umdrehung den Kopf ab; die stählerne Klappe blieb unverändert blank, aber durch die Geschwindigkeit ihrer Bewegung schleuderte sie eine Blutspirale in die Luft, die geometrische Figuren auf die Mauern zeichnete."

Blasse Männer mit stählernen Gesichtern, "verklärt von der Idee in ihrem Innern und dem Brand um sie herum", fahren mit einem Todesautomaten durch eine Stadt und töten systematisch; ohne Haß, aber mit Stolz vollstrecken sie im Namen einer neuen Menschheitsidee den "Terror der Zukunft". Sie flüchten, voller Grauen über das eigene Tun angesichts zweier spielender Kinder, die in den Ruinen ihres Hauses sich wundern, warum Vater und Mutter mitsamt der Treppe verschwunden sind.

Die Kommandos mit den Todesmaschinen sind eine von vielen phantastischen Visionen des französischen Schriftstellers Marcel Schwob, der am 26. Februar 1905 starb und zu den bedeutenden Erzählern des Fin de siècle gehört. Jorge Luis Borges hat sich durch ihn für seine "Universalgeschichte der Niedertracht" inspirieren lassen; die Surrealisten erkannten in Schwobs Phantastik eine meisterliche Inszenierung jenes magischen Moments, in dem eine realistische Szene mit großer Selbstverständlichkeit ein zweites Gesicht erhält.

Der 1891 erschienene Novellenband "Das gespaltene Herz", der zum hundertsten Todestag nun in einer ebenso schönen wie von Gernot Krämer sorgfältig edierten und übersetzten Ausgabe erscheint, ist voller solcher Momente. Das Werk versteht sich literaturtheoretisch als antinaturalistisch, ethisch als Buch des Mitleids, wie Schwob in seinem theoretisch ambitionierten Vorwort schreibt. Zum Mitleid gehört bei Schwob aber auch der Terror, und zwischen diesen beiden Polen erfaßt der Autor seine Menschen in entscheidenden Augenblicken.

Der erste Teil des Erzählungen, überschrieben mit "Das gespaltene Herz", versammelt märchenhaft anmutende Novellen, deren beschreibende Genauigkeit und situativen Sprünge einen eigenartigen Schwindel erzeugen. Ein Freund Schwobs bemerkte einmal, daß diese Erzählungen wie eine Wette darauf seien, ob er einen bestimmten Epochenstil so genau kopieren könne, daß er ihn nachträglich sogar noch verbessere. Der zweite Teil, "Das Buch der Gauner", erzählt Epochengeschichten von der Steinzeit bis zu "Fanchon", dem Püppchen der Revolution, und jede Zeit erhält ihr eigenes Imaginäres.

Alles nur philologische Akrobatik? Davon kann keine Rede sein. Schwobs Erzählungen kommen so ungekünstelt daher wie nur möglich, obwohl sie voller literarischer Bezüge sind und eigentlich wie ein vollbeladenes Schiff bis zum äußersten Tiefgang im Meer der eigenen Gelehrsamkeit untergehen müßten. Die Surrealisten dürften an dem 1867 in einer Kleinstadt bei Paris als Sohn eines Journalisten mit schriftstellerischen Neigungen geborenen Schwob nicht zuletzt die Fähigkeit geschätzt haben, aus einem tiefen historischen Bildungsfundus eine ganz eigene Art von Montage und Nachahmung herzustellen, in der die historische Zeit selbst ins Surreale gerückt wird. Alles erscheint gleich nah, gegenwärtig und möglich, während es zugleich fernliegt und ganz unmöglich ist.

Mag sein, daß auch Schwobs ungewöhnliche Wohnung seiner Studienzeit diese historisch-literarische Freihändigkeit förderte: Er wohnte nämlich Anfang der achtziger Jahre in der Bibliothèque Mazarin, die sein Onkel Léon Cahun leitete. Dort standen dem jungen Schwob, der als elfjähriger Jules Verne rezensierte, alle Abenteuer offen. Allerdings hatte Schwob schon erleben müssen, wie sich ein guter Freund und Begleiter der literarischen Träumereien umbrachte, und er lernte nicht nur in der Bibliothek, sondern auch auf der Straße das abenteuerliche Leben kennen - und zwar so, daß es ihn am Ende selbst ergriff.

Im Anhang des Bandes hat Gernot Krämer Erinnerungen versammelt, und da erfahren wir, daß der junge Marcel sich in jener Zeit, als er in der Bibliothèque Mazarin wohnte, in die schwindsüchtige Arbeiterin Louise verliebte, deren Tod er mit Opium und Spielsucht zu vergessen suchte. Der Effekt seiner literarischen Technik der präzisen Verwirrung liegt in einer Verunsicherung der Gegenwart: Nichts muß so bleiben, nichts so sein, wie es ist. In diesem Sinn besaß Marcel Schwob eine große seismographische Begabung, die heute ganz gegenwärtig erscheint. Hier aber beginnt das Abenteuer des Lesers, den man nur ermuntern kann, den Schritt zu wagen.

MICHAEL JEISMANN

Marcel Schwob: "Das gespaltene Herz". Erzählungen. Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Anhang versehen von Gernot Krämer. Mit Illustrationen von Fernand Siméon. Elfenbein Verlag, Berlin 2005. 260 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.05.2006

Rauchwolken in Augenschächten
Short Stories der phantastischen Literatur: Marcel Schwobs Erzählungen „Das gespaltene Herz”
Panzerplatten, Ventilationsschächte, Eisengurte, Manöverpumpen, eiserne Leitern, Ketten, Zwillingsgeschütze, Lafetten, Projektile, Seilwinden, Hebebühnen, geteerte Persenning - das ist das martialische Vokabular auf einer einzigen Seite, mit dem der französische Dichter Marcel Schwob die Erzählung „Die Festung” aus dem Sammelband „Das gespaltene Herz” (1891) einleitet. Die Attacke der Wörter fängt den Leser durch den Hautgout des Schreckens, des Schauderns, des Grausens ein. Marcel Schwob, der „traurige Mann mit dem bellenden Namen” - so sein Freund und Kritiker Jules Renard - liebt ausgefallene Wörter, er sucht geheimnisvolle Orte auf, begegnet durchsichtigen Schemen und Gespenstern, die sich dort aufhalten, versetzt sich in Albträume, in den Opiumrausch.
„Das gespaltene Herz”, Schwobs erste literarische Veröffentlichung, war bislang noch nicht ins Deutsche übersetzt. Denn Schwob, geboren 1867, gestorben 1905, zählt nicht zu den Autoren der Weltliteratur, seine Freunde, André Gide, Paul Valéry, Alfred Jarry, der ihm den „Ubu roi” gewidmet hat, überglänzen ihn an Ruhm. Hätte ihn nicht Borges aus ihrem Schatten hervorgeholt, er wäre nicht einmal unter Literaten zum Geheimtipp geworden. Borges, dessen „Universalgeschichte der Niedertracht” von Schwobs „Vies imaginaires” angeregt wurde, lobt an Schwob, den die literaturgeschichtliche Ordnungsliebe dem „Surrealismus” zuzählt, die Klarheit der Sprache, die Stringenz der Handlung, die Sparsamkeit der stilistischen Mittel - ein nicht ganz überzeugendes Lob angesichts der Vorliebe für Wörter, die effektvolle akustische Assoziationen zulassen.
Die Erzählungen des Bandes „Das gespaltene Herz” sind Schauermärchen. Die Figuren sehen, ohne zu hören, sie hören, ohne zu sehen. Ihre Körper haben keine Rundungen, sondern, wie in „Der Gespaltene”, Höhlungen: „Der Richter saß hinter der Lampe, deren Licht dem Angeklagten ins Gesicht fiel, und betrachtete die hellgrauen Flächen dieses matten Gesichts, dessen Vertiefungen durch undeutliche Schatten betont wurden.” Stets fühlen sich die Figuren eingeschlossen in Kasematten, Kerker, Kellerlöcher, Käfige, Zwangsanstalten, Kranken- und Irrenhäuser, stets fühlen sie etwas, was nicht ist, eine Weite in der Enge, eine Beklemmung in der Unendlichkeit. Die Seele ist hyperaktiv und erschafft Schimären, die sie für Wirklichkeiten hält.
Die Kautschuk-Gesichter
Die Effekte, auf die Schwob setzt, sind schlicht, und grob sind die Mittel, mit denen er die Motive der Volkssage und der romantischen Phantastik steigert. In der Erzählung „Die Gesichtslosen” etwa macht er zwei verstümmelte Soldaten, denen der Pulverbrand nur noch Höhlen von Auge, Nase, Mund gelassen hat, zu Liebesobjekten einer Frau: „Sie rauchten Pfeife, wobei die Wundränder des Mundes mit Kautschuk tamponiert wurden, damit das Mundstück paßte. In Decken eingepackt, sogen sie den Tabak ein, und Rauchwolken quollen aus den Öffnungen ihrer Köpfe: dem Zwillingsloch der Nasen, den Schächten ihrer Augenhöhlen, den Nähten der Kiefer und dem Skelett der Zähne. Und jeder Stoß grauen Qualms, der aus den Rissen dieser roten Unform brach, wurde mit einem menschenfremden Lachen begrüßt, einem Glucksen unter hüpfendem Gaumenzäpfchen, während die Zungenstummel schwach mitzitterten.” An diesen Grimassen meint die Unselige ihren verlorenen Ehemann zu erkennen, gerät jedoch in das Dilemma, bei völliger Gleichheit beider Fratzen das richtige Gesicht nicht wiederfinden zu können.
Hätte Schwob seine sadistischen Inszenierungen nicht vor einen philosophischen Horizont gesetzt, so wäre ihm die Anerkennung Borges‘ versagt geblieben. Die Doppelgänger in seinen Erzählungen dienen dazu, sensorische Störungen als Bewusstseins- und Identitätsverluste darzustellen. Auch Liebende sind, wie in der Erzählung „Beatrice”, Doppelgänger, Spaltungen einer platonischen Einheit, der die Rückkehr in den harmonischen Urzustand nicht mehr gelingt. Zwei nebeneinander fahrende Züge haben identische Insassen, die einander erschreckt erkennen; Gesichtslose erhalten das Gesicht ihres Betrachters, und selbst Dinge beleben sich, als seien sie Teil einer Figur. Man mag diese transzendentalen Schauspiele als Koketterien der Literatur im Umgang mit der Philosophie nehmen. Erst sie aber geben den Erzählungen Kontur, den magischen Anfang, die mystische Mitte und das tragische Ende - in Handlung übersetzt: Schrecken; Widerstand oder Flucht; Untergang.
Schwobs Erzählungen nehmen kaum je mehr als drei Seiten ein, sie sind Short Stories der phantastischen Literatur. Seine Hinwendung zur angelsächsischen Schauerliteratur ist denn auch offensichtlich. Im Vorwort zu den Erzählungen hält der Debütant Gericht über die französische Romanliteratur seiner Zeit. Gegen den Naturalismus empfiehlt er artifizielle Konstrukte, in zwei Aufsätzen über Robert Louis Stevenson verteidigt er den Abenteuerroman, lobt die exzeptionellen Situationen und die verwirrende Vagheit der Figuren, die weder ganz Körper noch ganz Seele seien. Wie sehr sich Schwob Stevenson - und außer ihm Edgar Allan Poe und Oscar Wilde - zum Vorbild nahm, wird an der Bevorzugung des Doppelgängermotivs sichtbar. Schwobs schizophrene Figuren sind Verwandte Dr. Jekylls, Mister Hydes und Dorian Grays ebenso wie Kumpanen von Poes Irrfahrern. Schwob ist der englischste Dichter der französischen Literatur.
Gernot Krämer, der die Erzählungen so übersetzt hat, dass Borges Schwob auch in Deutsch gerne gelesen hätte, ordnet in seinem Nachwort den hierzulande wenig Bekannten in den Kontext der modernen Literatur ein. Schwobs literarisch produktive Phase erstreckte sich über nur zehn Jahre. Trotz seiner schweren Tuberkulose machte er sich auf die Reise nach Samoa, um Stevensons letzte Tage nachzuleben, sicher aber auch, um Stoff einzuholen für einen eigenen Abenteuerroman. Diese erste Sammlung von Schwobs Erzählungen aber zeigt schon, dass er zur großen Form nicht geschaffen war. Schwob gibt sich mit dem Höhepunkt des tiefsten Falls in einem Leben zufrieden - gespaltene Herzen aber leben nicht lang. HANNELORE SCHLAFFER
MARCEL SCHWOB: Das gespaltene Herz. Übersetzt und mit einem Anhang versehen von Gernot Krämer. Illustrationen von Fernand Siméon. Elfenbein Verlag, Berlin 2005. 262 Seiten, 24 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Zum Genre der phantastischen Literatur zählt Rezensentin Hannelore Schlaffer die Erzählungen Marcel Schwobs (1867-1905), die nun in deutscher Übersetzung vorliegen. Schwobs Schauergeschichten um Gesichtslose, Entstellte, Versehrte, Eingesperrte muten Schlaffer ziemlich drastisch an. Sie spricht in diesem Zusammenhang sogar von "sadistischen Inszenierungen". Freilich findet sie bei Schwob auch eine philosophische Ebene, die sie in der Thematisierung Bewusstseins- und Identitätsverlusten festmacht. Unverkennbar scheint Schlaffer der Einfluss von Vorbildern wie Robert Louis Stevenson, Edgar Allan Poe und Oscar Wilde. Schwobs Personal rückt für sie in deutliche Nähe zu Dr. Jekyll, Mister Hyde und Dorian Gray. Lobend äußert sie sich auch über Gernot Krämers Übersetzung und sein Nachwort, in dem er Schwob in den Kontext der modernen Literatur einordnet.

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