Produktdetails
- Wolffs Broschur
- Verlag: Friedenauer Presse
- Seitenzahl: 148
- Erscheinungstermin: Frühjahr 2007
- Deutsch
- Abmessung: 14mm x 121mm x 182mm
- Gewicht: 172g
- ISBN-13: 9783932109515
- ISBN-10: 3932109511
- Artikelnr.: 22500494
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2007Stalins Haarschnitt
Unter Stalin hatten sich sowjetische Schriftsteller dem sozialistischen Realismus unterzuordnen. Stalin sah sie als "Ingenieure der Seele". Nicht systemkonforme Literaten wurden verfolgt. Auch Gennadij Gor habe die Sowjetmacht "die Haare geschnitten", meint der Erzähler Valerij Popov. Einzelne Werke und die Gedichte Gors konnten erst nach seinem Tod 1981 erscheinen. Gor versuchte, der stalinistischen Doktrin zu trotzen. In "Das Ohr", seinen in den dreißiger Jahren entstandenen surrealistischen Kurzgeschichten, zeigt er die Absurdität des Alltags unter Stalin und dekonstruiert zugleich die Doktrin des "sozialistischen Realismus": Eine Frau löst sich langsam vor den Augen ihres Mannes auf; ein Maler begegnet einem Mann, dessen Gesicht ihm wie von den Bildern Picassos herabgestiegen scheint. Wahrhaft phantastisch, dieser lang unterdrückte, neu zu entdeckende Autor. (Gennadij Gor: "Das Ohr". Phantastische Geschichten aus dem alten Leningrad. Aus dem Russischen übersetzt von Peter Urban. Friedenauer Presse, Berlin 2007. 160 S., br., 16,- [Euro].) phil
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unter Stalin hatten sich sowjetische Schriftsteller dem sozialistischen Realismus unterzuordnen. Stalin sah sie als "Ingenieure der Seele". Nicht systemkonforme Literaten wurden verfolgt. Auch Gennadij Gor habe die Sowjetmacht "die Haare geschnitten", meint der Erzähler Valerij Popov. Einzelne Werke und die Gedichte Gors konnten erst nach seinem Tod 1981 erscheinen. Gor versuchte, der stalinistischen Doktrin zu trotzen. In "Das Ohr", seinen in den dreißiger Jahren entstandenen surrealistischen Kurzgeschichten, zeigt er die Absurdität des Alltags unter Stalin und dekonstruiert zugleich die Doktrin des "sozialistischen Realismus": Eine Frau löst sich langsam vor den Augen ihres Mannes auf; ein Maler begegnet einem Mann, dessen Gesicht ihm wie von den Bildern Picassos herabgestiegen scheint. Wahrhaft phantastisch, dieser lang unterdrückte, neu zu entdeckende Autor. (Gennadij Gor: "Das Ohr". Phantastische Geschichten aus dem alten Leningrad. Aus dem Russischen übersetzt von Peter Urban. Friedenauer Presse, Berlin 2007. 160 S., br., 16,- [Euro].) phil
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Als "atemberaubende Entdeckung" feiert Rezensent Ralph Dutli die Erzählungen des russischen Schriftstellers Gennadi Gor, die zeitgleich mit dessen Leningrad-Gedichten "Blockade" erscheinen. Dutli verortet Gor ebenso im Kreis der "absurdistischen Oberiuten" wie in die Tradition eines Gogols. Denn seit dessen "Nase" gehören sich selbständig machende Körperteile zum Kernbestand der russischen Literatur, bei Gor findet sich die - im Jahr des großen Terrors entstandene - Erzählung "Das Ohr", in der ein Mann mitansehen muss, wie seiner Frau immer mehr Körperteile abhanden kommen, bis schließlich nur noch das Ohr übrig ist. In einer anderen Erzählung beschreibt Gor einen Maler, der verbissen an einem einziges Sujet, einem Glas, arbeite, berichtet der Rezensent, der voll und ganz den Schluss nahelegt, dass Gor seinem eigenen Anspruch gerecht werden muss, nach dem Literatur "extravagant, herausfordernd, verstörend" sein muss.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH