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Produktdetails
  • Verlag: Edition Memoria / Schumann
  • Seitenzahl: 358
  • Abmessung: 200mm
  • Gewicht: 430g
  • ISBN-13: 9783930353231
  • ISBN-10: 3930353237
  • Artikelnr.: 20814117
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2006

Der letzte Zeuge
Ein dunkler Spiegel der Welt: Robert Schopflochers Erzählungen

Robert Schopflocher wuchs bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr, bis seine jüdische Familie 1937 emigrieren mußte, in Fürth auf. Er fand in Argentinien eine zweite Heimat und einen Beruf als Agronom in der Siedlung, die Baron Hirsch in der Provinz Entre Rios für Juden, die den Pogromen in Rußland entkommen waren, gegründet hatte. Seine ersten Novellen und Romane schrieb er auf spanisch. Erst in den letzten Jahren kehrte er zu seiner Muttersprache zurück. Mit den zwölf exemplarischen Texten in dem neuen Erzählungsband versucht er die Stationen seines Lebens einzufangen. Den Vortrag, den er im Fürther Geschichtsverein gehalten hat, sollte man, als autobiographische Skizze, als erstes lesen. Er spiegelt ein Stück der deutschen Geschichte wider: das Versagen des liberalen Bürgertums, den Verfall von Recht und Anstand bis zu Verfolgung und Mord. Der Dreiundachtzigjährige gehört zu den letzten Zeugen, die authentisch nicht nur über die Verbrechen der Nationalsozialisten, sondern auch über die Schreckensherrschaft des argentinischen Militärs berichten können. Er klagt sachlich an und verschweigt nicht die wenigen, die den Gefährdeten geholfen und sich damit selbst gefährdet haben.

Ein Dorf oder eine Kleinstadt in Patagonien ist der Schauplatz der ersten vier Erzählungen. Ein alter Arzt, eine Klavierlehrerin oder eine orthodoxe Familie aus Rußland - sie alle trauern um etwas Verlorenes. Die jungen Leute gehen ihrer Wege und lassen die Alten mit ihren Erinnerungen an städtische Kultur oder die Geborgenheit des Schtetls allein. Schopflocher versteht es mit seiner schlichten klaren Sprache, Mitgefühl für diese in der Hitze und im Staub der Hochebene gestrandeten Fremdlinge zu wecken. Der stärkste Text ist "Morgen-Grauen", die beklemmende Geschichte von Hausdurchsuchungen, Verrat, Folter und Tod in Argentinien unter Perón. Es ist auch die Geschichte von jugendlichen Revolutionären, die an eine bessere Welt glauben und bereit sind, alles aufzugeben, was ihren Eltern heilig ist. Schopflocher hält uns einen dunklen "Spiegel der Welt" vor. Der Humor, der ihn früher auszeichnete, ist selten geworden.

MARIA FRISÉ

Robert Schopflocher: "Spiegel der Welt". Erzählungen. Herausgegeben von Thomas B. Schumann. Edition Memoria, Hürth 2006. 358 S., br., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ausgesprochen beeindruckt hat Rezensent Uwe Stolzmann diese dritte deutschsprachige Publikation des 1923 bei Nürnberg geborenen Argentiniers Robert Schopflocher beiseite gelegt. Besonderes Merkmal ist seiner Beschreibung zufolge Schopflochers "befremdlich schönes" Exilanten-Deutsch, sein "raumgreifender", detailverliebter Erzählstil und der Stoff selbst. In den Erzählungen konnte der Rezensent drei verschiedene Epochen der argentinischen Geschichte erleben: das Buenos Aires der Inquisition mit seinen Scheiterhaufen und den "Spalieren gröhlender Schaulustiger". Das Peronistische Argentinien mit seinen Schlägern in Lederjacken und dem "brüllenden Beifall" der Masse. Und schließlich das Land in den Siebzigern, zwischen Armee und Guerilla.

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