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Ende der sechziger Jahre erhält ein junger Emigrant aus Osteuropa privaten Sprachunterricht von einer vierunddreißigjährigen Frau, die den Lehrerberuf nach der Geburt des ersten Kindes aufgegeben hat. Sie wird zum wichtigsten Bezugspunkt im neuen Leben des Studenten. Über das elementare Erlernen der deutschen Sprache entsteht eine Nähe, der sich weder Lehrerin noch Schüler entziehen können. Jahrzehnte später macht sich der Sohn der Lehrerin auf die Suche nach ihrem einstigen Geliebten ...

Produktbeschreibung
Ende der sechziger Jahre erhält ein junger Emigrant aus Osteuropa privaten Sprachunterricht von einer vierunddreißigjährigen Frau, die den Lehrerberuf nach der Geburt des ersten Kindes aufgegeben hat. Sie wird zum wichtigsten Bezugspunkt im neuen Leben des Studenten. Über das elementare Erlernen der deutschen Sprache entsteht eine Nähe, der sich weder Lehrerin noch Schüler entziehen können. Jahrzehnte später macht sich der Sohn der Lehrerin auf die Suche nach ihrem einstigen Geliebten ...
Autorenporträt
Alain Clauder Sulzer, geb. 1953, lebt als freier Schriftsteller in Basel, Berlin und im Elsass. Er hat zahlreiche Romane veröffentlicht. Seine Bücher sind in alle wichtigen Sprachen übersetzt. Seine letzte Auszeichnung war der Hermann-Hesse-Preis, der ihm 2009 verliehen wurde.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2008

Das Schweigen
Alain Claude Sulzer berichtet von stiller Liebe

Ende der sechziger Jahre in der Schweiz: Martha ist vierunddreißig, hat zwei Kinder und einen Ehemann. Sie ist zuständig für das Haus und die Mahlzeiten, ansonsten ignoriert ihre Familie sie. Leo ist Anfang zwanzig und gerade als Flüchtling aus Osteuropa in die Stadt gekommen. Er sucht eine Deutschlehrerin, findet Martha und in ihr noch einiges mehr. Denn in den "Privatstunden", wie der Schweizer Alain Claude Sulzer seinen Roman genannt hat, kommen sich die beiden über Konversationsübungen näher.

Die ältere Frau, der jüngere Mann: Man muss Sulzer dafür loben, dass er diese Konstellation nicht als amour fou hinstellt, bei der man sich zum Narren macht. Die sich sacht entwickelnde Beziehung zwischen Martha und Leo ist anders. Während Martha in den letzten Jahren Kartoffeln in Auflaufformen geschichtet hat, hat Leo die Repressalien in seinem Heimatland durchlebt und scheint der Stärkere zu sein. Seine Lehrerin dagegen ist ganz Hausfrau der Sechziger. Gerade durch ihre zurückhaltende Art wird Leo ermuntert, sich zu öffnen. Bei Sulzer heißt das: "Verständnis und Schweigen, ein unzertrennliches Paar, waren bei ihr gut aufgehoben."

Die beiden Liebenden stehen im Mittelpunkt der Erzählung, doch hin und wieder wirft Sulzer einen Blick in die Lebenswelten anderer. Eine davon ist Leos Großmutter, die wie eine Einsiedlerin auf dem Land lebt und nur durch Briefe ihrer Tochter erfährt, dass ihre beiden Enkel nun die Heimat verlassen haben. Auch Marthas halbwüchsiger Sohn Andreas, der von der Affäre seiner Mutter frühzeitig erfährt, kommt zu Wort. Die schillerndste Figur ist Marthas Vater, der in einem Heim lebt und aufgehört hat zu sprechen. Sowohl für seine Tochter als auch für deren Sohn ist er ein diskreter Beichtvater.

Als Leo die Schweiz verlässt, ist Martha schwanger. Um dem Halbbruder Aufklärung bieten zu können, sucht Andreas den ehemaligen Nachhilfeschüler später in den Vereinigten Staaten auf. Für das uneheliche Kind kommt die Begegnung zu spät, und sowieso scheint es, als habe Andreas vor allem seine Neugier befriedigen wollen. Diese Rahmenhandlung hätte der Autor sich jedenfalls schenken können.

Manchmal beschreibt Sulzer, was hätte passieren sollen, anstatt es einfach passieren zu lassen. "Um Marthas Sprache zu erlernen, habe er seine eigene Sprache verlassen, habe sich der neuen angedient und ausgeliefert wie einer unbestreitbaren Autorität und habe nicht bemerkt, wie sich dadurch die alte Sprache allmählich entfernte, während die neue von ihm Besitz ergriff, mitsamt der Lehrerin." Das ist schön gedacht, aber fast wertlos, wenn es nicht durch die Handlung transportiert wird. So merkt der Leser nur: Die frustrierte Hausfrau und der einsame Flüchtling mögen sich, verlieben sich und finden zueinander. Das erzählerische Vehikel des Sprachunterrichts bleibt ertragslos. Das ist schade für ein Buch mit vielen überzeugenden Ideen.

JULIA BÄHR

Alain Claude Sulzer: "Privatstunden". Roman. Edition Epoca, Zürich 2007. 237 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Alain Claude Sulzers "Privatstunden" ist nach Ansicht von Rezensentin Julia Bähr nicht wirklich gelungen. Dabei attestiert sie dem Roman über die außereheliche Beziehung der 34-jährigen Hausfrau Martha, die von ihrer Familie mehr oder weniger ignoriert wird, und dem 20-jährigen Flüchtling Leo, dem sie Deutschunterricht gibt, durchaus gute Seiten. Sie schätzt etwa, dass Sulzer ohne Klischees auskommt und die Beziehung zwischen den beiden sich vorsichtig entwickelt. Allerdings hält sie dem Autor vor, bisweilen zu beschreiben, "was hätte passieren sollen, anstatt es einfach passieren zu lassen". Immer wieder fehlt ihr schlicht die Umsetzung in Handlung, was sie um so mehr bedauert, als das Buch in ihren Augen mit "überzeugenden Ideen" aufwartet.

© Perlentaucher Medien GmbH