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Ein Dichter wie ein Feuerwerk, das unter Blitzen und Knattern abbrennt und Staunen erregt. So beschrieb Joseph von Eichendorff den Dichter E. T. A. Hoffmann. Ein Blocksbergreiter, von Hexentrank berauscht, so schilderte ihn Ludwig Börne. Ungelöste Rätsel, exzentrische Geschichten und unerhörte Begebenheiten, das waren die Zündfunken, die dieses Feuerwerk lostreten konnten. Hoffmann fürchtete kaum etwas mehr als den"Dämon der Langeweile". Und entsprechend überraschend, phantastisch, grotesk und unerhört spannend sind die Geschichten, die sich die Serapionsbrüder bei Wein und Punsch erzählen.

Produktbeschreibung
Ein Dichter wie ein Feuerwerk, das unter Blitzen und Knattern abbrennt und Staunen erregt. So beschrieb Joseph von Eichendorff den Dichter E. T. A. Hoffmann. Ein Blocksbergreiter, von Hexentrank berauscht, so schilderte ihn Ludwig Börne. Ungelöste Rätsel, exzentrische Geschichten und unerhörte Begebenheiten, das waren die Zündfunken, die dieses Feuerwerk lostreten konnten. Hoffmann fürchtete kaum etwas mehr als den"Dämon der Langeweile". Und entsprechend überraschend, phantastisch, grotesk und unerhört spannend sind die Geschichten, die sich die Serapionsbrüder bei Wein und Punsch erzählen.
Autorenporträt
E. T. A. (Ernst Theodor Amadeus) Hoffmann kam am 24. Januar 1776 als Sohn eines Hofgerichtsadvokaten in Königsberg zur Welt. Nach der Scheidung seiner Eltern blieb der Junge bei der Mutter und besuchte die Burgschule in Königsberg. Als er das Jurastudium beendet hatte, heiratete er die Polin Maria Thekla Michaelina Rorer, mit der er später seine Tochter Cäzilia bekam. Der Jurist und Richter war ein künstlerisches Multitalent: Er arbeitete unter anderem als Komponist und Kapellmeister, Zeichner und Literat. Hoffmann starb am 25. Juni 1822 an einer schweren Krankheit in Berlin.
E. T. A. Hoffmann hat mit seinen tiefenpsychologisch geprägten Erzählungen der deutschen Romantik Weltgeltung verschafft.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Die sieben Kronen der Mäusehydra
Der Regisseur Klaus Buhlert hat E.T.A. Hoffmanns „Serapions-Brüder” in ein vorzügliches Hörspiel verwandelt: Nur zirpt dazu eine allzu rachitische Spieluhr Von Wilhelm Trapp
Zu den großen Kunstwerken, die nie entstehen durften, gehört Andrej Tarkowskijs Film über E.T.A. Hoffmann. Nur ein Drehbuch existiert, „Hoffmanniana” (1975). Vage kann man sich vorstellen, was daraus geworden wäre, wenn Tarkowskij, der in einer Einstellung mehr zeigen konnte als andere in einem ganzen Film, das Lebens von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann bebildert hätte, des Juristen und Zeichners, Regierungsrats und Opernkomponisten, preußischen Staatsbeamten und phantastischen Schriftstellers: Zwischen das repressive Grau der Restauration nach 1815, der Hoffmann diente, hätte Tarkowskij wohl Sequenzen geschoben, die wie Sekundenträume ganze Erzählungen Hoffmanns in ein oder zwei grandiose Bilder eingeschlossen hätten.
Nun wäre es unsinnig und ungerecht, ein neues Hoffmann-Projekt am unrealisierten Plan eines Genies zu messen. Aber wenn „Die Serapions-Brüder”, eine zwölfstündige Hörspielproduktion des Bayerischen Rundfunks (der sie im Dezember sendet) und des Hörverlags als Haupt- und Staatsaktion um einen deutschen Klassiker daherkommt, dann darf man schon daran denken, wieviel Kunst, besonders Musik, von Hoffmann inspiriert wurde. Denn natürlich nähren Offenbachs Erzählungen, Schumanns Kreisleriana, Tschaikowskijs Nusskna-cker oder Hindemiths Cardillac die Erwartung an eine E.T.A. Hoffmann-Einspielung.
Tschaikowskijs und Hindemiths Werke gingen aus den vier Bänden der Serapions-Brüder (1819-21) hervor, einer Sammlung von 28 älteren Erzählungen, die Hoffmann in einen neuen Rahmen steckte: Da treffen sich sechs Freunde an punschbeflügelten Abenden, um sich Geschichten zu erzählen (sie heißen Sylvester, Vinzenz etc., die Germanistik kennt die realen Dichter- und Saufkollegen, die Pate standen.) Auf jedes noch so kühne Stück folgt ein literarisches Werkstattgespräch voller Kritik, Lob, Kunst- und Wissenschaftstheorie. Diese kurzen Reden sind noch in heutigen Serapions-Brüder-Ausgaben oft gestrichen, so dass man dann gar nicht weiß, warum das Buch eigentlich so heißt. Ein erstes, großes Verdienst des Hörspielmachers Klaus Buhlert ist es, die Brüder tatsächlich erzählen zu lassen.
Denn Hoffmanns Größe, Modernität und Raffinement liegt nicht zuletzt in seinen Erzählschichten, liegt darin, wie er seinen Lesern mitunter den Boden unter Füßen wegzieht, weil sich ein traulicher Erzähler als wahnsinnig entpuppt – wenn wir nicht doch an die Geister glauben wollen, die er plötzlich sieht. Die Serapions-Runde bleibt zwar im Realen. Aber auch sie multipliziert Hoffmanns Schema, die Dinge so ineinander zu schachteln, bis der Leser sich in einem Erzählkabinett verirrt, wo ihn das eigene Spiegelbild erschreckt und die Wirklichkeit aus morschen Bohlen gezimmert scheint.
Der Eremit Serapion gibt das Vorbild: In einem Wald bei Bamberg lebt ein freundlicher Alter, der dem vermissten Grafen P. gleicht, aber fest behauptet, er sei der frühchristliche Märtyrer Serapi-on. Einem, der ihn heilen will, erklärt der Alte folgendes: Das Argument, Serapion sei lange tot, gelte nichts, denn „die Zeit”, die nur Gott begreife, „ist ein ebenso relativer Begriff wie die Zahl”. Wenn er aber wirklich verrückt sei, so wäre es noch viel verrückter, ihn mit Vernunftreden heilen zu wollen, denn „wäre dies möglich, so gäb es bald keine Wahnsinnigen mehr auf der ganzen Erde”. Serapion hat sich also in einem knallharten Relativismus verschanzt, der zeigt, wie Hoffmanns Welt beschaffen ist: Die Naturgesetze sind relativ und der Wahn des Subjekts absolut. Wahn? Eben.
Die sechs Freunde wählen den Einsiedler als idealen Patron ihrer literarischen Maxime, jedes innere Bild „recht zu erfassen mit allen seinen Gestalten, Farben, Lichtern und Schatten”. Kurz: Die erzählten Geschichten müssen gut erfunden und konsistent sein – was freilich auch der Kontingenz ihren Platz einräumt. So wird man im Nussknacker-Märchen immer wieder beruhigt, der Mausekönig sei nur ein böser Traum der kleinen Marie – bis am Ende die sieben Kronen der Mäusehydra im Morgenlicht liegen, wie ausgehärtete Alptraumsplitter. Es muss Hoffmann diabolischen Spaß gemacht haben, seine Leser so zu stechen.
Das Serapions-Hörspiel beschränkt sich auf zwölf gekürzte Geschichten. Doch hat Buhlert klug gekürzt und das bunte Gesamtbild bewahrt, vom historischen Fräulein von Scuderi bis zur Nussknacker-Mär, von den trostlosen Bergwerken zu Falun bis zum leichfüßig-ironischen Artushof.
Hoffmann „entdämonisieren” wollte der Regisseur, was in der Wahl der Schaupieler bestens gelang. Recht unterscheiden kann man die Brüder ja auch im Buch nicht, und so bieten Manfred Zapatka, Felix von Manteuffel, Herbert Fritsch, Werner Wölbern, Stefan Wilke-ning und Bernhard Schütz genau die richtigen Variationen der immergleichen Melodie: eines lockeren, klassischen Erzähltons, der niemals raunt und vieles klar macht. Etwa das „innere Feuer”, das in Hoffmanns Figuren so oft lodert. Die Trockenheit, mit der Buhlerts Spieler die ewiggleichen Herzbrände schildern, zeigt, worum es sich handelt: um Formeln. Denn Hoffmanns Erzählungen laufen wie gut geschmierte Unterhaltungsautomaten, deren Bauteile – der Jüngling zwischen Künstler- und Bürgertum, das Mysterium Weib, deren alter Wächter – er je neu zusammenschraubt. Eine nüchterne Technik.
Dass das dennoch reißerisch spannend ist, zeigt, wie automatenhaft die menschliche Wahrnehmung funktioniert. Und weckt den Verdacht, dass auch unsere Begeisterung, womöglich unser ganzes Innenleben nur ein psychomechanischer Effekt ist. Das ist das tief Unheimliche dieses Autors. Der helle, geläufige Ton der Schauspieler legt eine höhere Ironie darüber.
Hoffmanns Helden suchen ihren Weg aus dem einsturzgefährdeten Hier und Jetzt meist in der höheren Wahrhaftig-keit der Kunst, in unbeschreiblichen Gemälde und Musiken, die trickreich der Imagination der Leser überlassen sind. Auf dem Höhepunkt von „Die Automate” spielen Musikautomaten „im Fortissimo, dass alles zitterte und bebte”. Regisseur Buhlert, einst Professor für Elektronische Musik, hat das komponiert: Es klingt wie eine rachitische Spieluhr. Die Musik ist das Problem dieses Hörspiels. Kurze, schlichte, monotone Melodien gliedern es, Lully oder Mozart variierend – man hört es kaum, nur ein Computer macht so künstliche, stechende Töne. Und nachdem in „Rat Crespel” eine überirdisch begabte Sängerin aufgetreten ist, pfeift es in Buhlerts Musik, ähnlich einer hohen Frauenstimme. Das ist fatal.
Hoffmann, der mit „Undine” die erste romantische Oper schrieb, hat Musik vielleicht tatsächlich als etwas Erlösendes gesehen. Immerhin löst sie bei seinen Figuren Krisen aus, gute wie schlechte. Das hätte das Hörspiel umsetzen müssen, wie auch immer. Es hätte unsere Ohren überwältigen, mit Trugbildern verwirren müssen, hätte uns Synthesizer-Kreisleriana für Glenn Gould am Steinway, eine Computerkomposition für eine Corelli-Sonate und den Gesang der Gibbonaffen für die Callas verkaufen sollen, hätte im Stile Hofmanns die Bänder durcheinander geraten lassen können. Oder irgendwas anderes machen müssen, das heutige Hörkunst hergibt. Aber nicht dieses läppische Gezirpe. Gut, es stört nicht überall gleich, und man gewöhnt sich ein wenig daran. Aber begreiflich ist die Musik in dieser ansonsten vorzüglichen Produktion nicht.
„Ich bin, sagte Graf P., der Märtyrer Serapion, und die Zeit ist ein relativer Begriff”
„Man hätte unseren Ohren Synthesizer-Kreisleriana für Glenn Gould verkaufen sollen”
E.T.A. Hoffmann
Die Serapions-Brüder
Der Hörverlag, München 2006, 10 CDs, 750 Min., 69,90 Euro.
Aus E.T.A. Hoffmann „Die Serapions-Brüder”: Die Fermate, illustriert von Wilhelm Stumpf
Abb.: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Zwölf Stunden E.T.A. Hoffmann, dieses nicht ganz einfache Unterfangen ist dem Regisseur Klaus Buhlert auf "vorzügliche" Weise gelungen, notiert Wilhelm Trapp. Zum einen freut er sich darüber, dass Buhlert die Nachreden der Erzähler bewahrt hat, die in anderen Ausgaben oft weggelassen werden, um an anderer Stelle mit Umsicht zu kürzen. Die Sprecher verstünden es außerdem, durch ihrer Variationen des Im Grunde immergleichen "lockeren" Erzähltons die recht einfache Konstruktionsweise des Hoffmann'schen Erzählens bloßzulegen. Das eigentlich Unheimliche an Hoffmann ist für Trapp nämlich die Tatsache, dass die eigentlich simplen Rezepte immer noch und immer wieder so gut wirken. Was ebenfalls wirkt, aber zum Leidwesen des Rezensenten, ist die Musik, seiner Beschreibung nach nicht mehr als ein "läppisches Gezirpe".

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