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Produktdetails
  • Verlag: Konkret Literatur Verlag
  • Seitenzahl: 319
  • Deutsch
  • Abmessung: 200mm
  • Gewicht: 340g
  • ISBN-13: 9783894582135
  • ISBN-10: 3894582138
  • Artikelnr.: 10686861
Autorenporträt
Thomas Ebermann, geboren 1951 in Hamburg, ist Mitbegründer der Partei Die Grünen, für die er als Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft und im Bundestag saß. 1990 trat er unter Protest gegen die politische Entwicklung der Grünen aus der Partei aus. Seitdem analysiert Ebermann - mit oft satirisch-polemischen Untertönen - die gesellschaftspolitische Situation und betreibt die Vers- und Kaderschmiede im Hamburger Politbüro.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.12.2002

Lachend gegen den Strom schwimmen
Die beiden Ex-Grünen Rainer Trampert und Thomas Ebermann machen sich gern lustig über den Zustand der Republik
RAINER TRAMPERT, THOMAS EBERMANN: Sachzwang & Gemüt. Sarkastische und analytische Texte über die Republik, die Welt und unsere Nachbarn, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2002. 319 Seiten, 19,90 Euro.
Vorsicht: Dieses Buch ist geeignet, den Glauben an das demokratische Gemeinwesen der Bundesrepublik Deutschland zu zerstören. Es zerstört die Hoffnung, die NATO könne unsere Zivilisation vor dem Untergang retten. Es zerstört die Hoffnung, die Linke könne den Sozialstaat gegen die Anfechtungen der Globalisierung verteidigen. Es zieht in den Dreck, was den Wählern von SPD, Grünen und PDS heilig ist. Und die Autoren erwarten, dass wir darüber auch noch lachen.
Erinnert sich jemand? Rainer Trampert war 1979 Gründungsmitglied der Grünen und von 1982 bis 1987 deren Parteivorsitzender, was damals noch Vorstandssprecher hieß. Thomas Ebermann, ebenfalls Grüner der ersten Stunde, wurde 1987 in einer Kampfabstimmung gegen Otto Schily zum Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag gewählt. Beide, Trampert und Ebermann, traten 1990 aus der Partei aus, als sie merkten, dass ihre ökosozialistische Ausrichtung gegenüber den Anhängern Joschka Fischers an Boden verlor. Schily war da schon in der SPD.
Aus Nein mach Ja
Die Grünen sind ihren Weg zu einer etablierten Partei, die bejaht, was sie einst bekämpfte, konsequent zu Ende gegangen. Trampert und Ebermann sind ebenso konsequent dort geblieben, wo sie immer schon standen. Vor sieben Jahren erschien ihr letztes Buch, „Die Offenbarung der Propheten”, in dem sie „die Verwandlung linker Theorie in Esoterik” kritisierten, ebenso wie den zunehmenden Drang der Linken zur Teilhabe am Staatsapparat.
Mit „Sachzwang & Gemüt” unternehmen sie einen neuen Anlauf in gleicher Richtung. Diesmal allerdings soll die antikapitalistische Linke der 70er und 80er Jahre durch lautes Lachen wiederbelebt werden. An deren heutiger Unfähigkeit, überzeugende politische Lösungen jenseits der herrschenden Markt- Ideologie anzubieten, können und wollen die Autoren nicht rütteln. Ihr Credo formulieren sie so: „Die alles Denken erschlagende Frage ‘Wie würden Sie es denn besser machen?‘ hat sich einer Beantwortung zu entziehen, will man Kritik und befreiende Vision nicht dem Staatsetat, der Konkurrenzfähigkeit der Nation, den Mutmaßungen über Globalisierungszwänge, der Arbeitsbeschaffung, der Unbezahlbarkeit der Renten und tausend anderen Normen unterwerfen. Bei uns liegt die Lust in der sarkastischen Negation der Verhältnisse und in der Erkenntnis selbst.”
Das Buch zerfällt in zwei Teile. Die ersten zwei Drittel bestehen aus Texten, die für ein Bühnenprogramm geschrieben wurden. Seit 1998 tragen die einstigen Spitzenpolitiker in linken Buchläden und Universitätshörsälen ein Programm vor, dass sich irgendwo zwischen Kabarett und marxistischer Politik- Vorlesung bewegt. Jedes ihrer Kapitel beschäftigt sich mit einem Buch oder einer anderen Veröffentlichung, aus denen sie Originalzitate pflücken und diese mit eigenen Sätzen zu einem neuen Text zusammensetzen. Die Originalzitate sind im Buch kursiv gesetzt, alle anderen Passagen stammen aus der Feder der Autoren.
Ein kurzer Auszug aus der Verarbeitung von Henry Kissingers 2002 erschienenem Buch „Die Herausforderung. Amerikas Weltpolitik im 21. Jahrhundert”: Der Chinese denkt in Etappen und ist von Skepsis geprägt. Der Amerikaner ist eher offenherzig und von Optimismus geprägt. Der Chinese ist unpersönlich und reserviert. Der Amerikaner ist immer freundlich, weil für ihn persönliche Beziehungen eine große Rolle spielen. Der Chinese erwartet, dass Staatsmänner seine subtilen Anspielungen verstehen. Der Amerikaner ist frei heraus, weil für ihn der gute Wille eine große Rolle spielt. Chinesen sehen die Amerikaner als etwas sprunghaft und etwas leichtfertig.” Auf gleiche Weise kommen Originaltexte von Richard Wagner, Edzard Reuter, Oskar Lafontaine, Jürgen Trittin, Günter Grass, die „Anglizismen-Jäger” des Vereins „Deutsche Sprache” und viele andere Autoren unters Messer. Die meisten der so neu entstandenen Texte sind boshaft und humorvoll. Sie überzeichnen jeweils bis ins Groteske, was bereits im Original steckt: hohle Phrasen, Selbstverliebtheit der Autoren, Deutschtümelei, Rassismus und Herrenmenschentum.
Leider haben alle Texte die gleiche Schwäche: Wer, wie der Rezensent, die beiden staubtrockenen Norddeutschen auf der Bühne erlebt hat, wird beim Lesen enttäuscht. Wenn Trampert näselnd aus zwei zutiefst banalen Biografien Hannelore Kohls zitiert und Ebermann im Basston seine unterkühlten Kommentare dazwischen schiebt, ist das ein wunderbarer Stress für die Lachmuskeln. Ohne die Live-Interpretation der beiden Autoren entfalten die Texte allerdings den Charme eines Reclam-Heftchens, in dem man nach dem Ansehen der Hollywood- Verfilmung eines Shakespeare-Dramas den Inhalt nachlesen kann.
Im letzten Drittel des Buches halten die Autoren in zehn Essays der Linken in gewohnter Weise den Spiegel vor. Deren Gesellschafts-Kritik bewege sich nur noch in den engen Grenzen des Marktes. Das kapitalistische System habe seine einstigen Kritiker perfekt integriert. Warum die Linke nach 1989 an der „Macht der anderen und der eigenen Ohnmacht” zerbrach, können sie zwar schlüssig beschreiben. Im Vergleich mit der „Offenbarung der Propheten” ist Rainer Trampert und Thomas Ebermann jedoch kein wirklich neuer Gedanke geglückt.
Trotz alledem ist das Buch wichtig. Es hält die Erinnerung wach an ein gesellschaftliches Bewusstsein, das Mitte der 80er Jahre noch von einer relevanten Minderheit getragen wurde. Bis auf weiteres verdienen die Autoren deshalb Artenschutz.
LORENZ BECKHARDT
Der Rezensent ist Fernseh-Journalist in Köln.
Einer, der ins Wasser ging: Thomas Ebermann stieg nach dem Wahlsieg der Hamburger SPD 1983 in die Elbe. Er kam aber auch wieder heraus.
dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Vorsicht", warnt Lorenz Beckhardt, das Buch der Ex-Grünen Rainer Trampert, Gründungsmitglied, von 1982 bis 1987 Parteivorsitzender, 1990 aus der Partei ausgetreten, und Thomas Ebermann, auch Gründungsmitglied, 1987 Fraktionsvorsitzender und ebenfalls 1990 ausgetreten, nehme dem Leser jegliche Hoffnung auf ein positives Einwirken des Staates auf das Gemeinwesen und greife alles an, was Wählern der SPD, der Grünen und der PDS "heilig" sei. Die Autoren, die die Konsequenzen aus dem realpolitischen Kurs der Grünen gezogen hätten und seit 1990 lieber politisches Kabarettt betreiben und Bücher schreiben, wollen mit diesem Buch vor allem eins erreichen, meint der Rezensent: Die "antikapitalistische Linke" der 70er und 80er Jahre "durch lautes Lachen" wieder zum Leben erwecken. Dafür präsentiert das Duo, berichtet Beckhardt, in den ersten zwei Dritteln des Bandes Texte aus ihrem "Bühnenprogramm", die diejenigen Leser, die die beiden schon mal live erlebt haben, enttäuschen werden, denn deren Originalität lasse sich nicht aufs Papier bannen, findet der Rezensent. Im letzten Drittel, einer Essaysammlung, müsse die Linke in den Spiegel blicken. Dieser Teil präsentiere zwar nichts Neues, aber trotzdem, meint Beckhardt, erinnerten die Autoren an das gesellschaftliche Bewusstsein der achtziger Jahre und stünden allein schon deshalb unter "Artenschutz".

© Perlentaucher Medien GmbH
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