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Marc Thörner ist einer der bei der US-Army "eingebetteten" Journalisten im jetzigen Irakkrieg und hat in den letzten zehn Jahren viele journalistische Reisen unternommen: nach Afghanistan, Marokko, Algerien, Ägypten, Tunesien, Pakistan. Dabei liegt sein Augenmerk auf den Verhältnissen hinter der Bilderwelt des Aktuellen: Wie lebt man unter den Verhältnissen, in die der Krieg auf die eine oder andere Weise eingezogen ist. Seine Reportagen leben von der Unmittelbarkeit der Beobachtung und seiner Kenntnis des Islams. Ein alarmierender Bericht!

Produktbeschreibung
Marc Thörner ist einer der bei der US-Army "eingebetteten" Journalisten im jetzigen Irakkrieg und hat in den letzten zehn Jahren viele journalistische Reisen unternommen: nach Afghanistan, Marokko, Algerien, Ägypten, Tunesien, Pakistan. Dabei liegt sein Augenmerk auf den Verhältnissen hinter der Bilderwelt des Aktuellen: Wie lebt man unter den Verhältnissen, in die der Krieg auf die eine oder andere Weise eingezogen ist. Seine Reportagen leben von der Unmittelbarkeit der Beobachtung und seiner Kenntnis des Islams. Ein alarmierender Bericht!
Autorenporträt
Marc Thörner: Jahrgang 1964. Studium der Geschichte und Islamwissenschaften, lebt in Hamburg und Rabat. Seit 1994 freier Journalist, überwiegend für ARD-Rundfunkanstalten. Berichtet aus dem Maghreb, den Golfstaaten, dem Irak, Pakistan und Afghanistan.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2008

Mit falschem Bart durch Mohammeds Reich

Marc Thörners verstörende Berichte aus den Zentren des "Kriegs gegen den Terror": Stimmen die Begriffe, mit denen die westliche Öffentlichkeit sich die Konflikte in den islamischen Ländern erklärt?

Camp Justice" ist ein von Amerikanern und Irakern gemeinsam betriebener Militärstützpunkt in der Nähe von Bagdad. Nach dem Strategiewechsel der Amerikaner im letzten Jahr wurden viele solcher kleinerer, gemeinsamer Camps und Polizeiposten geschaffen, um dezentraler operieren und die Terroristen besser in Schach halten zu können. Das Problem liegt nur darin, genau herauszufinden, wer im Land am Fortbestehen des Terrors ein Interesse hat. Ein amerikanischer Offizier berichtet etwas ratlos, dass man in einem Teil des Camps irakische Schiiten zu Offizieren ausbilde, von denen man annehmen müsse, dass sie in iranischen Diensten stünden und nach Feierabend die Milizen der Mahdi-Armee, wenn nicht gar die Todesschwadronen verstärken.

Also kümmern sich amerikanische Geheimdienste darum, dieselben Männer, die gerade mit amerikanischen Steuergeldern zu Offizieren ausgebildet werden, zu beschatten und zu überwachen. Eine Tatsache, die - so wird ein amerikanischer Ausbilder in diesem Buch zitiert - man im Unterricht aber verdrängen müsse, "weil man sonst, wie soll ich sagen, die Motivation verliert".

Der deutsche Journalist Marc Thörner, der seit Beginn der neunziger Jahre vorwiegend für deutsche Hörfunkanstalten aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie dem Maghreb berichtet, hat ein verwirrendes und darum besonders wichtiges Buch geschrieben. Es geht in diesen Texten aus acht für den "Krieg gegen den Terror" besonders wichtigen Ländern von Afghanistan bis Marokko stets um das gleiche Problem: Stimmen die Begriffe, mit denen die westliche Öffentlichkeit sich die Konflikte in diesen Ländern erklärt? Stehen sich, etwa in Pakistan, die laizistischen Militärs und die islamischen Terroristen gegenüber? Ist es wirklich im dauerhaften Interesse Europas, sogenannte "Reformer" oder "gemäßigte Islamisten" in Tunesien, Marokko und Ägypten zu unterstützen, in der Hoffnung, damit den Islamismus einzudämmen? So sehr haben wir uns an die einfachen Begriffspaare gewöhnt, dass wir uns gar nicht trauen, den mangelnden Fortschritt in der Sache - der Islamismus ist ja weiterhin auf dem Vormarsch - auf eine falsche Formulierung des Problems zurückzuführen.

Thörner tritt in diesem Buch sympathischerweise nicht als großer Geostratege, Islamexperte oder Orienthistoriker auf, sondern als eine Art Straßenjournalist, der selbst überrascht ist, wenn er irgendwo vorgelassen wird. Dass er sich nicht als Repräsentant eines großen Medienkonzerns ausweisen kann, ist dabei vielleicht von Vorteil. So kommt er mehr oder weniger ungehindert zu den Oppositionellen, hört abweichende Stimmen von Militärs der bescheideneren Ränge.

Im Kapitel über die Verhältnisse in Pakistan findet Thörner zahlreiche Indizien für seine im Übrigen auch vom französischen Autor Bernard-Henri Lévy vertretene These, wonach die Opposition zwischen Islamisten und Militärs ein für den Westen inszeniertes Schauspiel sei. Thörner nimmt das Bild vom falschen Bart auf, das viele seiner Gesprächspartner aus der Menschen- und Bürgerrechtsbewegung in islamischen Ländern benutzen: Die militärischen Machthaber würden ihren Geheimdiensten falsche Bärte ankleben, um mit dem manifesten Terror der angeblichen Islamisten ihre despotische Herrschaft begründen zu können. In manchen Ländern, etwa im Irak, funktioniert es - wie das eingangs zitierte Beispiel zeigt - aber auch umgekehrt: Da ist der schiitische Fanatismus die treibende Kraft und die von den Amerikanern gestellte Militäruniform Mittel zum Zweck.

Für deutsche Leser sind besonders jene Stimmen irritierend, die die Islamisten als Kämpfer gegen Korruption in jenen Regimes preisen, die wir als EU-Mitglied und Entwicklungshilfepartner direkt unterstützen.

Thörner hält sich gar nicht mit der üblichen Kritik an der amerikanischen Außenpolitik auf, er lässt lieber immer wieder Journalistenkollegen aus den jeweiligen Ländern zu Wort kommen. Im Irak-Kapitel fragt ein Kollege, welchen Preis das irakische Volk dafür zahlen musste, über so viele Jahrzehnte unter Saddam geschwiegen zu haben. Es ist eine rührende Selbstanklage: Immer noch, so der Iraker, gehörten Feigheit und Selbstverleugnung zu den wichtigsten Überlebensstratgien in Bagdad - ein nationaler, selbstauferlegter Fluch. Der Mann will Thörner nicht einmal seinen Namen nennen, zu viel Angst.

Thörners Berichte lösen die schlichten Vorstellungen vom Krieg gegen den Terror auf. Das gilt auch für die kleinen biographischen Skizzen, die in den einzelnen Kapiteln angefertigt werden. So ist es etwa in Marokko für junge Frauen überhaupt keine Seltenheit, sich mehrmals im Leben, je nach Neigung und Umgang, zu ver- und auch wieder zu entschleiern. Thörner beschreibt eine Studentin, die mal in Röcken, mal ganz verhüllt auftritt. Thörner interpretiert dies aber weniger als Zeichen maghrebinischer Liberalität denn als Symptom einer tiefgreifenden Verwirrung und Verunsicherung. Aus Marokko kommen überproportional viele Selbstmordattentäter. Thörner begibt sich auf deren Spuren und entdeckt keineswegs opake, fanatisierte Milieus, sondern eine tiefsitzende Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit des Lebens in der absoluten Monarchie mit ihrem dichten Polizeistaatsapparat.

Ebenso verblüffend liest sich der Besuch des Journalisten in einer der berüchtigten Koranschulen an der pakistanisch-afghanischen Grenze. Die jungen Männer, allesamt selbstbewusste Paschtunen, die mit den Arabern von Al Qaida wenig am Hut haben, umringen ihn strahlend und probieren ihr Englisch aus. Als er sie nach ihrer Frömmigkeit fragt, die sie doch sicher in die harte Koranschule getrieben habe, lachen sie ihn aus. Hier sei eben alles umsonst, Wohnen und Essen, und man lerne auch noch was, das sei der einzige Vorteil. Wesentlich lieber würden sie aber etwas Richtiges studieren, "was mit Computern und so".

Dass die Regierungen von Islamabad bis Rabat, unsere Verbündeten, aber kein großes Interesse daran haben, die Bildung, die freie Meinungsäußerung und ganz allgemein die Zivilgesellschaft zu stärken, das macht die Lektüre dieses wichtigen Buches mehr als deutlich. Es ist ihnen auch nicht daran gelegen, eine moderne Lesart des Korans zu propagieren. Die Islamisten sind ihnen zu wichtig, garantieren sie doch die kontinuierliche Unterstützung durch den Westen. Diese Logik setzt also auf eine doppelte Ignoranz: die der eigenen Bevölkerung wie der des Westens. Bücher wie dieses tragen dazu bei, die Letztere jedenfalls zu beenden.

NILS MINKMAR

Marc Thörner: "Der falsche Bart". Reportagen aus dem Krieg gegen den Terror. Edition Nautilus, Hamburg 2007. 160 S., br., 13,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchst aufschlussreich findet Rezensent Nils Minkmar diese Reportagen aus den Zentren des "Kriegs gegen den Terror" von Afghanistan bis Marokko, die Marc Thörner vorgelegt hat. Er hält das Buch für überaus "wichtig", gerade weil seine Botschaft irritierend ausfällt. Gefallen hat ihm, dass sich Thörner nicht als ein weiterer Islamexperte, Orientwissenschafftler und Geostratege geriert, sondern als eine Art "Straßenjournalist" auftritt. Seine Berichte etwa über die Situation in Pakistan oder im Irak, über Koranschüler und junge Frauen in Marokko werfen für Minkmar die zentrale Frage auf, ob die Begrifflichkeiten, mit denen sich der Westen die Konflikte in islamischen Ländern erklärt, wirklich angemessen sind. Bei der Lektüre der vorliegenden Texte gewinnt er eher den Eindruck, dass es sich dabei um zu einfache Kategorien und Oppositionen handelt. Thörners Reportagen lösten die "schlichten Vorstellungen" vom "Krieg gegen den Terror" auf. Besonders deutlich wird für Minkmar, dass die Regierungen von Islamabad bis Rabat nicht wirklich daran interessiert sind, in ihren Ländern Bildung, freie Meinungsäußerung und Zivilgesellschaft zu stärken, sondern die Konflikte mit den Islamisten aufrecht halten, um sich die Unterstützung durch den Westen zu sichern.

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