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Produktdetails
  • Verlag: Vistas
  • Seitenzahl: 1162
  • Deutsch
  • Abmessung: 230mm
  • Gewicht: 1803g
  • ISBN-13: 9783891584217
  • ISBN-10: 3891584210
  • Artikelnr.: 20750264
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2006

Wenn der Mantel fällt
Zeitungsverlage und ihr Angebot von 1949 bis 2004

In keinem anderen Land der Welt ist die Entwicklung der Tagespresse so genau und so vollständig erfaßt wie in Deutschland. Das liegt in erster Linie an den Untersuchungen des ehemaligen Leiters des Referats "Pressedokumentation, Archiv und Bibliothek" im Bundespresseamt, Walter J. Schütz. Er hat mit sieben Stichtagssammlungen in fünf Jahrzehnten - 1954, 1964, 1967, 1976, 1989, 1994 und 2004 - eine Zeitungsstatistik im Zeitverlauf zusammengestellt, die Grundlage für alle publizistikwissenschaftlichen Arbeiten und medienpolitischen Entscheidungen in der Bundesrepublik gewesen ist. Seine Analysen krönt er nun mit einem Werk, das die Zeitungsverlage und ihr Angebot seit 1949 vorstellt. Es bildet gleichzeitig die aktuellste Bestandsaufnahme der Pressekonzentration.

Als Zeitungen läßt Schütz alle Periodika gelten, die "mindestens zweimal wöchentlich erscheinen und einen aktuellen politischen Teil mit thematisch unbegrenzter Nachrichtenvermittlung" enthalten. Seine Leistung besteht darin, daß er nicht die Zeitung, sondern die Ausgabe als kleinste pressestatistische Einheit wählt. Sie ist durch "variierende inhaltliche Gestaltung (zum Beispiel Regionalseiten, lokaler Text- und Anzeigenteil) auf das jeweilige Verbreitungsgebiet abgestimmt". Ob sich Zeitungsinhalte ganz oder teilweise voneinander unterscheiden, geht nicht aus den oft variierenden bunten Titeln hervor. Man kann es nur feststellen, wenn man die Originalexemplare miteinander vergleicht. Daher läßt sich Schütz bei jeder Stichtagssammlung jede Zeitung mit allen (aber auch wirklich allen) Ausgaben schicken. Aus der Papierflut taucht er erst wieder auf, wenn er diejenigen Ausgaben, die einen gemeinsamen Mantel (allgemeinen Teil) besitzen, jeweils zu einem Berg auftürmt und mit Kennziffern versieht. Dabei stellt er regelmäßig fest, daß es viel weniger selbständig hergestellte Mäntel als Zeitungstitel gibt.

Die erstaunlich vielfältigen publizistischen und verlegerischen Verflechtungen entschlüsselt er mit den Kategorien "Publizistische Einheit" (Gesamtheit der Ausgaben, die in ihrem von einer Kernredaktion hergestellten Mantel übereinstimmen) und "Verlag als Herausgeber" (alle Ausgaben, die im Impressum denselben Herausgeber und/oder Verlag nennen). Um diese Zählbegriffe hat es anfangs heftige Auseinandersetzungen gegeben. Aber jede neue Stichtagssammlung lieferte den Beweis, daß der "Schütz-Schlüssel" sich am besten dazu eignet, das komplizierte Zeitungswesen transparent zu machen. Er erlaubt es auch, das publizistische Angebot anderer Länder (zum Beispiel Österreich, Spanien) zu analysieren.

Die dramatischen Umbrüche der letzten 50 Jahre beeinflußten auch die Pressestatistik. Der ersten Stichtagssammlung stellt Schütz ein Verzeichnis aller Lizenzzeitungen voran, die bis zur Aufhebung des Lizenzzwangs bei Gründung der Bundesrepublik (1949) erschienen waren. Die DDR blieb bis 1989 aus der Betrachtung ausgeschlossen. Die Stichtagssammlung von 1989 war noch nicht ausgewertet, als die Wende eine Untersuchung des Zeitungsangebots im Osten eröffnete. Schütz nahm sogleich eine Bestandsaufnahme an Ort und Stelle vor, die sich mit der Vollerhebung im Westen vergleichen läßt. 1994 sollte das Jahr der ersten gesamtdeutschen Stichtagssammlung werden. Doch fielen die Arbeitskämpfe im Druckgewerbe in den Erhebungszeitraum; Notausgaben und zusammengelegte Ausgaben lassen keinen vollständigen Überblick zu. Die erste vollständige Sammlung (vier Stichtage) ist daher die von 2004.

Im Herbst 2004 erschienen in ganz Deutschland 138 Publizistische Einheiten mit 1538 Ausgaben, die 359 Verlage als Herausgeber auf den Markt brachten. Die Zahl der Publizistischen Einheiten und der Verlage war in Westdeutschland schon bis 1989 um fast die Hälfte gesunken; seither hält sie sich annähernd konstant. Dagegen hat sich die Zahl der Ausgaben nur geringfügig verringert. Wesen der publizistischen Konzentration ist also die Auflösung oder Zusammenlegung von Kernredaktionen bei gleichzeitigem Bemühen, durch Teilredaktionen eine differenzierte, auf das jeweilige Verbreitungsgebiet abgestimmte Lokalberichterstattung aufrechtzuerhalten. Das heißt aber nicht, daß der Wettbewerb auf Lokalebene nicht gelitten hätte. Für die Stichtagssammlung 2004 hat Schütz den einzelnen Gebietskörperschaften alle Ausgaben zugeordnet, die über das jeweilige Gebiet berichten. Mehr als die Hälfte aller 440 Kreise (vor allem die ländlichen) sind mittlerweile "Ein-Zeitungs-Kreise", in denen die Leser nicht mehr zwischen zwei Ausgaben von verschiedenen Publizistischen Einheiten mit konkurrierender Lokalberichterstattung wählen können.

Die Originale aller Stichtagssammlungen - insgesamt 10 410 - werden vom Institut für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund aufbewahrt. Von ihnen hat das Mikrofilmarchiv der deutschsprachigen Presse e.V. Mikrofilme angefertigt, auf die jedermann zurückgreifen kann. Schütz' zweibändiges Werk ist auch ein Findbuch beim Zugang zu diesen Verfilmungen.

KURT REUMANN.

Walter J. Schütz: Zeitungen in Deutschland. Verlage und ihr publizistisches Angebot 1949-2004. 2 Bände. Vistas Verlag, Berlin 2005. 1162 S., 68,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kurt Reumann ist voller Achtung für die Untersuchungen des ehemaligen Leiters des Referats "Pressedokumentation, Archiv und Bibliothek" im Bundespresseamt, Walter J. Schütz. Das vorliegende Werk über die Zeitungsverlage und ihr Angebot seit 1949, erklärt er uns, kröne diese Arbeit und bilde zugleich "die aktuellste Bestandsaufnahme der Pressekonzentration". Die Leistung des Autors erkennt Reumann darin, "dass er nicht die Zeitung, sondern die Ausgabe als kleinste pressestatistische Einheit wählt". Einen Einblick in verlegerische Verflechtungen erhält Reumann durch die Kategorie der "Publizistischen Einheit". Der "Schütz-Schlüssel", statistische Erhebungen zu bestimmten Stichtagen, macht ihm das Zeitungswesen im In- und Ausland transparent und dokumentiere dessen dramatische Umbrüche. Auch dass das zweibändige Werk ein "Findbuch" ist zu den auf Mikrofilm gespeicherten Stichtagsammlungen des Walter Schütz, möchte der Rezensent erwähnen.

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