Produktdetails
  • Nachtbrenner
  • Verlag: Argument Verlag
  • Seitenzahl: 195
  • Abmessung: 180mm
  • Gewicht: 156g
  • ISBN-13: 9783886199860
  • ISBN-10: 388619986X
  • Artikelnr.: 08585247
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2000

Herz auf dem rechten Fleck
Sozialkitsch aus dem Ruhrgebiet
Das Ruhrgebiet. Zersiedelt, von stinkenden Fabrikschloten überragt; Menschen mit dem Herz auf dem rechten Fleck leben da, die immer „hömma”, „odda”, „getz” und ähnliches Kauderwelsch reden. So geht das Klischee. Die Autorin Anja Liedtke meinte es gut. Deshalb verfasste sie einen Ruhrgebiets-„Heimatroman”, in dem sie nicht nur mit alten Vorurteilen aufzuräumen gedenkt, sondern beiläufig auch noch um Verständnis für die Sorgen und Nöte Heranwachsender wirbt, sich der Drogenproblematik widmet sowie en passant das Thema Minderheiten streift. Das Ganze – geschrieben in einem holprig zu lesenden, den Fluss der Geschichte störenden, übertriebenen Ruhrgebietsidiom – richtet sich zwar vordergründig an jugendliche Leser, liest sich dann aber wie eine moralinsaure Aufklärungsfibel für ratlose Eltern und könnte mit seinen immer wiederkehrenden Landschaftsidyllen durchaus vom „Initiativkreis Ruhrgebiet” gesponsert sein.
Die Freundinnen Blacky und Blondi lernen die Mopedfans Bifi und Lola kenen. Schon bald hängen sie mit deren Clique im „Siepen” rum, knutschen und kiffen, träumen und ergehen sich in pubertären Platitüden über die spießige Erwachsenenwelt. Lolas Kumpel Bifi liebt Blacky, Blacky den langhaarigen Schönling Lola – die zwei werden ein Paar. Weiteres Personal: Ein Rocker-Fiesling namens Tacken, der Gelegenheitsdealer Hardy, Dürr, ein schwuler Bahnangestellter, schließlich noch Brauni auf ständigem Drogentripp.
Anja Liedtke verlangt zuviel von ihrem groß angelegten Stoff. In wechselnder Perspektive führt sie ihre Protagonisten ein, um sie schon kurz darauf zu vernachlässigen und sich im Verlauf der Geschichte nur noch auf Blacky und Lola zu konzentrieren. Der mutiert grob gezeichnet und nicht nachvollziehbar zum kurzhaarigen, erfolgreichen Geschäftsmann und verliert dabei alle liebenswerten Eigenschaften. Zwei von Liedtkes Helden sterben bei einem Verkehrsunfall, einer nimmt sich das Leben, Lola und Blacky aber bauen ein Haus im nostalgisch verklärten „Siepen”, einer baumumstandenen Wiese oberhalb des Ruhrtals bei Bochum. Wie es bei den beiden zu solch bürgerlichem Sinneswandel kommen konnte, bleibt ebenso im Ungefähren wie das Titelmotiv von „Grün Gelb Rot”. Im Slang artikulierte Befindlichkeiten ermöglichen noch keine Einfühlung. Und eine Aneinanderreihung von tolerant intendierten, bedeutungsvollen Geschichtchen (die vom Leser in ihrer Absicht zum Teil widersprüchlich erfahren werden) ergibt noch keinen Roman. In Echt nich! (ab 14 Jahre und Erwachsene)
MATTHIAS KUHN
ANJA LIEDTKE: Grün Gelb Rot. Ein Heimatroman. Argument Verlag 2000 (Ariadne). 196 Seiten, 13,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als gut gemeint erkennt Matthias Kuhn diesen im Ruhrgebiet angesiedelten Jugendroman, der trotzdem leider nur "Sozialkitsch" ist. In einem vernichtenden Verriss charakterisiert der Rezensent den Text als "moralinsaure Aufklärungsfiebel", die zu viele Themen aufgreift - die Sorgen Jugendlicher, Drogenproblematik, Minderheiten - und letztlich doch nur Klischees reproduziert. Zudem seien viele Wendungen in diesem Buch nicht nachvollziehbar und wirken unmotiviert, tadelt der Rezensent, der sich zusätzlich durch den "übertriebenen" Ruhrgebietsjargon irritiert sieht, der seiner Ansicht nach den "Fluss der Geschichte" erheblich stört.

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