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Die Biographie von Fritz Heine ist ein Spiegel der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie von ihren Anfängen im Kaiserreich bis zur modernen Staatspartei. Heine verkörpert die Hoffnungen und Vergeblichkeiten einer ganzen Epoche deutscher Geschichte: das Arbeiterkind aus der königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover; der junge Parteisekretär im Berliner "Vorwärtshaus"; der aus seiner Heimat verjagte Emigrant; der wagemutige Gegner des NS-Regimes; der Retter der Flüchtlinge von Marseille; der propagandistische Gegenspieler des CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauer und schließlich der Herr der…mehr

Produktbeschreibung
Die Biographie von Fritz Heine ist ein Spiegel der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie von ihren Anfängen im Kaiserreich bis zur modernen Staatspartei. Heine verkörpert die Hoffnungen und Vergeblichkeiten einer ganzen Epoche deutscher Geschichte: das Arbeiterkind aus der königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover; der junge Parteisekretär im Berliner "Vorwärtshaus"; der aus seiner Heimat verjagte Emigrant; der wagemutige Gegner des NS-Regimes; der Retter der Flüchtlinge von Marseille; der propagandistische Gegenspieler des CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauer und schließlich der Herr der sozialdemokratischen Zeitungen. Um den Untergang dieser Zeitungen ranken sich bis zum heutigen Tag Legenden. Häufig ist von einem "Imperium" die Rede, das von "unfähigen Funktionären" zugrunde gerichtet worden sei. Doch gab es dieses "Imperium" überhaupt?

"Ich möchte wünschen, daß viele der heute noch jüngeren Sozialdemokraten dieses Buch lesen ..."
(Helmut Schmidt, Alt-Bundeskanzler)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2000

„Wir haben uns den Menschen anders vorgestellt”
Held ohne Orden: Die Biographie des letzten noch lebenden Sozialdemokraten, der die Partei im Exil vertrat
STEFAN APPELIUS: Heine – Die SPD und der lange Weg zur Macht. Klartext Verlag, Essen 1999. 524 Seiten, 49,80 Mark
Fritz Heine, jüngst 95 geworden, ist der einzige noch lebende Sozialdemokrat, der die Partei während der NS-Diktatur im Exil vertrat. Nachdem der Vorstand 1933, von Heine über die „grüne” Grenze geleitet, unter dem Namen Sopade seinen Sitz nach Prag verlegt hatte, fungierte er als Verbindungsmann zur illegalen Reichsleitung in Berlin. In gefahrvoller Kuriertätigkeit koordinierte er die sozialdemokratischen Widerstandsgruppen im Reich.
Verrat an die Gestapo
Stefan Appelius, der eine Fülle neuer Quellen erschloss, weist nach, dass SPD-Mitglieder als V-Männer diese Unternehmungen der Gestapo verrieten, was Verhaftungen und die Zerschlagung der Widerstandsaktivitäten zur Folge hatte. Zudem unterminierten extreme Linke die Sopade. 1938 übersiedelte sie nach Paris. Dort musste die politische Arbeit mangels Geldes und auf Grund französischer Restriktionen bald eingestellt werden. Nach Beginn des Krieges verschlechterten sich die Lebensumstände der Emigranten katastrophal. Appelius beschreibt das Elend in den Internierungslagern, die Ängste vor Auslieferung an die Deutschen, die Flucht zu Fuß in das unbesetzte Südfrankreich.
In amerikanischen Archiven fand er bislang unbekannte Dokumente, die bestätigen, dass sich Fritz Heine trotz eigener Verfolgung durch Hitlers Schergen in Marseille unermüdlich um die dort angekommenen Flüchtlinge bemühte, ihnen Lebensmittel, Papiere, Ausreisevisen beschaffte, sie an die französisch-spanische Grenze brachte und so Hunderten das Leben rettete.
Über Lissabon gelangte er 1941 nach London, wo sich die Sopade inzwischen niedergelassen hatte. Die Labour Party gewährte den Vorstandsmitgliedern zwar materielle Unterstützung, verhielt sich ihnen gegenüber aber reserviert. Denn die Engländer verziehen der deutschen Bruderpartei nicht, dass die Reichstagsfraktion 1914 der kaiserlichen Regierung die Kriegskredite bewilligt hatte. Zugleich entbrannte unter den Emigranten ein erbitterter Streit über die „Mitverantwortung für den Aufstieg des Nationalsozialismus”, über die „richtige” Einschätzung der Volksmassen in Hitlerdeutschland und die Politik der Alliierten nach ihrem Sieg. Heine suchte in diesen Auseinandersetzungen zu vermitteln. Die von einigen SPD-Genossen geforderte Zusammenarbeit mit den exilierten Kommunisten, lehnte er indes eingedenk der Erfahrungen mit der KPD in der Weimarer Republik entschieden ab.
In der Nachkriegs-SPD wurde er Mitglied des geschäftsführenden Parteivorstands, zuständig für Presse und Propaganda. Die parteinahe Presse, der er eine pädagogische Aufgabe zuwies, sollte wie schon in der Weimarer Republik kapitalismuskritische Aufklärungsarbeit leisten. Heine träumte von Formen der Gemeinwirtschaft und der Genossenschaftsidee. Detailreich schildert Appelius den schwierigen Wiederaufbau der sozialdemokratischen Presse.
Erst kommt das Fressen
An Hand zahlreicher Beispiele analysiert er dann die Ursachen ihres Untergangs. Fritz Heine, der als Propagandachef nach den verlorenen Wahlen ohnehin Zielscheibe der Kritik geworden war, hält er nicht für verantwortlich, obwohl dessen Vorstellungen über eine „moderne Volkszeitung nicht zeitgemäß waren”. „Wir haben uns die Menschen wesentlich anders vorgestellt”, sagt Fritz Heine. So widerspiegelt seine Biografie ein Stück Parteigeschichte: „Hoffnungen und Vergeblichkeiten”, doch auch Erfolge auf ihrem „langen Weg zur Macht”.
FREYA EISNER
Die Rezensentin ist Historikerin in München
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2000

Geschätzt, gehasst und vergessen
Fritz Heine: Pressechef der SPD bis 1958 und dann Aufsicht über die parteinahe Presse

Stefan Appelius: Heine. Die SPD und der lange Weg zur Macht. Klartext Verlag, Essen 1999. 524 Seiten, 49,80 Mark.

"Er hat mich gehasst, ich habe ihn verachtet." So beschreibt Fritz Heine, der einstige "Propagandachef" der SPD, im Rückblick sein persönliches Verhältnis zu Herbert Wehner. Dabei hätte die Genossen einiges verbinden können: Beide hatten als Gegner der Nationalsozialisten 1933 Deutschland verlassen müssen. Beide stiegen nach dem Krieg in die Führung der SPD auf und gehörten zu den einflussreichsten Kräften der stärksten Oppositionspartei in den Aufbaujahren der Bundesrepublik. Doch beide verkörperten auch die spannungsreichen Gegensätze in der SPD der fünfziger Jahre: Heine galt als Repräsentant der in der Weimarer Republik geprägten "Traditionalisten", die ihre Partei auf eine Ablehnung der Marktwirtschaft und auf die strikte Konfrontation mit der Regierung Adenauer festlegen wollten. Wehner stand für die innerparteilichen Reformer, deren Ziel die Regierungsfähigkeit der SPD durch Öffnung gegenüber bürgerlichen Wählerschichten war. Als "Zuchtmeister" der SPD hat Herbert Wehner einen prominenten Platz in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Fritz Heine ist heute fast vergessen.

Der Sohn eines Orgelbauers, 1904 in Hannover geboren, trat 1925 der SPD bei. Sein Beruf als Werbeassistent eines Druckmaschinenherstellers führte ihn 1928 in die neu entstehende Werbeabteilung der Partei im Berliner "Vorwärtshaus". Ende 1931 übernahm er die Leitung der so genannten Terror-Abwehrstelle, die für den Ernstfall Waffen zum Schutz der Parteizentrale beschaffte und eine Sendeanlage zur Erhaltung der Kontakte mit den Parteigliederungen im Reich installierte. Doch nach der "Machtergreifung" Hitlers 1933 ließ der Parteivorstand den Sender demontieren, die Waffen wurden in der Spree versenkt. Freilich erwies sich die Hoffnung, die SPD durch strikte Wahrung der Legalität vor dem Zugriff der neuen Machthaber schützen zu können, bald als illusionär.

Im Mai 1933 emigrierte Fritz Heine mit dem SPD-Vorstand nach Prag. Er übernahm zunächst die Geschäftsführung des Parteiorgans "Neuer Vorwärts" und wirkte dann an der Herausgabe der "Deutschland-Berichte" der Sopade mit, die das Ausland über die wahren Verhältnisse im Dritten Reich informierten. Vor allem aber organisierte er das konspirative Kuriersystem über die deutsch-tschechoslowakische Grenze und wagte mit gefälschten Papieren selbst mehrfach lebensgefährliche Informationsreisen ins Reich.

Als die Regierung Benesch unter außen- und innenpolitischem Druck im Herbst 1937 den deutschen Emigranten die politische Betätigung untersagte, konnte die Sopade ihre Aktivitäten in Prag nicht fortsetzen. 1938 siedelte der Exil-Vorstand der SPD nach Paris über. Hier wurde Heine - nach dem Tod des SPD-Vorsitzenden Otto Wels 1939 - formelles Mitglied des Parteivorstands. Bei Kriegsbeginn entging er als "international bekannter Antifaschist" zunächst der Internierung. Doch nach dem deutschen Angriff auf Frankreich geriet er im Mai 1940 in Lagerhaft. Die Widerstandstätigkeit der Exil-SPD brach vorerst zusammen.

Nach der französischen Niederlage gelang es Heine, von Paris aus den unbesetzten Teil Frankreichs zu erreichen. In Marseille, dem Fluchtort Hunderttausender Emigranten, die von hier verzweifelt ihre Ausreise in die Freiheit zu organisieren suchten, wurde er zur Schlüsselfigur bei der Rettung verfolgter Sozialdemokraten. In Zusammenarbeit mit der amerikanischen "German Labor Delegation", später auch dem "Centre Américain de Secours", gelang es ihm, zahlreichen Genossen Visen und Schiffspassagen für die Vereinigten Staaten zu verschaffen. Im März 1941 trat er schließlich selbst die gefährliche Reise durch Spanien nach Lissabon an, von wo aus die letzten Dampferverbindungen nach New York bestanden. Heine nahm jedoch sein amerikanisches Visum nicht in Anspruch. Er folgte dem Exil-Vorstand seiner Partei nach London.

In Großbritannien befanden sich die Flüchtlinge in Sicherheit, doch trafen ihre Aktivitäten nicht auf besonderes Wohlwollen. Sogar führende Labour-Politiker machten die SPD für den kriegerischen deutschen Nationalismus mitverantwortlich. Darüber entstand unter den Emigranten eine erbitterte Auseinandersetzung. Heine bezog eine mittlere Position: Er räumte ein, dass die große Mehrheit der Deutschen den Krieg unterstützte, wollte jedoch die Ursache dafür nicht in einem Versagen der Arbeiterbewegung sehen. Er sehe nicht ein, schrieb er 1942, "dass das Spiel von 1918 in einer wenig veränderten Auflage wiederholt werden soll, dass nämlich die Linke auslöffelt und die Schläge bezieht, die der Rechten mit Zins und Zinseszins gebühren".

Erst im Februar 1946 konnte Fritz Heine nach Deutschland zurückkehren. Er wurde in den Geschäftsführenden Vorstand der SPD gewählt und übernahm im "Büro Schumacher" die Zuständigkeit für Presse und Propaganda. Über 12 Jahre sollte Heine zum engsten Führungszirkel der SPD gehören. Dann wurde er im Mai 1958 abgewählt. Seine innerparteilichen Widersacher, und vor allem ihr Wortführer Wehner, machten ihn für die Erfolglosigkeit der SPD verantwortlich. Viele Sozialdemokraten hatten geglaubt, ihrer Partei würde nach Zulassung freier Wahlen die Macht zufallen. Doch stattdessen erlebten sie bei den Bundestagswahlen 1949, 1953 und 1957 eine Niederlage nach der anderen. Heine sperrte sich gegen die Einsicht, dass den Deutschen die greifbaren Erfolge der Marktwirtschaft ganz offensichtlich näher lagen als die Verheißungen eines demokratischen Sozialismus. Er sah sich als Hüter des "sozialdemokratischen Grundgesetzes", zu dem er eben auch "eine vernünftige Planung" in der Wirtschaft zählte. Seine unzeitgemäße Propaganda verharrte deshalb bei der Ablehnung der Politik Adenauers und verschaffte der SPD das unattraktive Image einer "Neinsager-Partei".

Nach seiner Abwahl zog sich Heine auf die Beaufsichtigung der parteinahen Presse zurück. Die SPD hatte nach dem Krieg unter seiner Regie eine größere Zahl von Tageszeitungen gegründet, zu denen verschiedene Druckereien als parteieigene Betriebe gehörten. Doch schon in den fünfziger Jahren gerieten die Unternehmen angesichts der unvereinbaren Zwänge parteiideologischer Gängelung und marktwirtschaftlicher Notwendigkeiten in die Krise. Bis weit in die siebziger Jahre dauerte der Todeskampf, dem so namhafte Blätter wie der Berliner "Telegraf", die "Hamburger Morgenpost" und die "Hannoversche Presse" zum Opfer fielen. Heine hat den Untergang der sozialdemokratischen Presse mit allen Kräften zu verhindern gesucht. Doch die ökonomischen Bedingungen, zu denen auch der ständige Kapitalabfluss an die Parteikasse der SPD gehörte, ließen eine Gesundung nicht zu.

Die Darstellung dieses bislang wenig bekannten Kapitels sozialdemokratischer Parteigeschichte ist zweifellos der für die Forschung interessanteste Teil des Buchs von Stefan Appelius. Um so bedauerlicher ist es, dass dem Autor diesbezüglich wichtige Materialien des SPD-Archivs versperrt blieben. Auch zur Geschichte der Exil-SPD enthält das Buch manches unbekannte Detail. Vor allem aber gewinnt die bewegte Lebensgeschichte Heines Kontur. Dennoch ist - entgegen dem etwas zu vollmundigen Titel - weder eine Biografie im eigentlichen Sinn noch eine umfassende Geschichte der SPD auf dem langen "Weg zur Macht" entstanden, sondern ein quellennaher, mitunter spannend zu lesender Beitrag zu beidem.

DANIEL KOSTHORST

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fritz Heine, einst wichtiger Funktionär der Vorkriegs- wie der Nachkriegs-SPD, ist heute so gut wie unbekannt. Dabei ist sein Lebenslauf, wie Rezensent Daniel Kosthorst konstatiert, von mehr als nur privatem Interesse. Appelius` Buch stellt diesen vor: von einer ersten Berührung mit der SPD als Mitarbeiter der Werbeabteilung des "Vorwärts" über das Exil in London und die Rolle als Presse- und Propaganda-Beauftragter im Büro Schumacher bis zur vom Intimfeind Herbert Wehner betriebenen Abwahl aus den Führungsgremien. Über diesen Teil der Parteigeschichte, so der Rezensent, war bisher wenig bekannt, ebenso erfahre man Neues über die Exil-SPD. Die Mischung aus Biografie und Parteigeschichte lobt Kosthorst als "quellennah" und "mitunter spannend".

© Perlentaucher Medien GmbH