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Waldemar, genannt Putin, ein mäßig ambitionierter Schreiber in den Dreißigern, hat sich in seiner gemütlichen Existenz eingerichtet, Entscheidungen und ihre dämonischen Implikationen vermeidet er tunlichst. Doch als seine Freundin erst fremd- und dann auf Abstand geht, ist es mit Putins Seelenruhe vorbei: Er denkt über Liebesalternativen nach - und zwar über diejenigen, die er hatte, als diese Alternativen noch zögernd vertagte Gelegenheiten waren. Wo wäre er heute, wenn er damals mehr Mut gehabt hätte? Und wer wäre er jetzt? Putin begibt sich auf die Suche nach seinen Beinah-Vergangenheiten:…mehr

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Produktbeschreibung
Waldemar, genannt Putin, ein mäßig ambitionierter Schreiber in den Dreißigern, hat sich in seiner gemütlichen Existenz eingerichtet, Entscheidungen und ihre dämonischen Implikationen vermeidet er tunlichst. Doch als seine Freundin erst fremd- und dann auf Abstand geht, ist es mit Putins Seelenruhe vorbei: Er denkt über Liebesalternativen nach - und zwar über diejenigen, die er hatte, als diese Alternativen noch zögernd vertagte Gelegenheiten waren. Wo wäre er heute, wenn er damals mehr Mut gehabt hätte? Und wer wäre er jetzt? Putin begibt sich auf die Suche nach seinen Beinah-Vergangenheiten: Mareike, mittlerweile Psychotherapeutin mit Glücksdefizit; Marie, Ehefrau und Mutter in der Provinz; Mimi, deren Spur ihn bis nach Finnland führt. In seiner zaghaften Neugier trifft Putin das, was ihn erwartet, um so überraschender: Er wird von den Frauen einiges erfahren - und über sich selbst lernen müssen ... Stefan Gärtner erzählt komisch und hintersinnig von guten und schlechten Gründen, großen Fehlern und großer Liebe - und von der Schwierigkeit, vorher schlauer zu sein.
Autorenporträt
Gärtner, Stefan
Stefan Gärtner, geboren 1973, war von 1999 bis 2009 Redakteur der "Titanic", für die er nach wie vor schreibt, heute arbeitet er als Schriftsteller und freier Journalist. Er veröffentlichte mehrere satirische und zeitkritische Bücher. "Putins Weiber" ist sein literarisches Debüt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2015

Herrengedeck mit Damengedöns

Leben ist die Summe von Fehlern, die wir Erfahrung nennen: Stefan Gärtners Roman "Putins Weiber" schickt einen Gagschreiber auf Wiederbegegnungstour mit den verflossenen Geliebten.

Der Titel war vor dem Buch da. "Putins Weiber" ist natürlich der Hammer, aber auch doppelt irreführend. Zum einen ist Putin bloß der Spitzname von Waldemar Winkelhock, einem höflich beflissenen, entscheidungsschwachen Gebrauchstexter und Gagschreiber aus Bielefeld. Nur Dr. Raimund aus Wien hält ihn für ein verkanntes Genie; nur in seinen Kolumnen für eine Fernsehzeitschrift wütet Putin wie Iwan der Schreckliche, aber die redigiert und liest ja auch niemand. Und dann ist "Weiber" ein viel zu grobes, pubertäres Wort für all die schönen, klugen, auf keusche Weise koketten Frauen, die Putin auf seiner sentimentalen Reise zurück in die Vergangenheit trifft.

Das ist nämlich die (schon von Nick Hornby in "High Fidelity" durchexerzierte) Grundidee von Stefan Gärtners erstem richtigem Roman: die Suche nach der verlorenen Zeit in ihrer weiblichen Gestalt als Verflossene. Nachdem Vera, seine aktuelle Freundin, ihn schamvoll betrogen und in eine längere Denk- und Beziehungspause entlassen hat, will Putin alle erinnerungswürdigen Ex-Freundinnen noch einmal besuchen, um mit sich und ihnen ins Reine zu kommen. Er muss herausfinden, welche Möglichkeiten und Alternativen er damals, vor fünfzehn Jahren in Frankfurt, versäumt, welche Fehler er gemacht hat, was aus ihm geworden wäre, wenn er nicht gekniffen, geschwiegen oder jedenfalls versagt hätte. Oder wie sein Männerfreund Georg es formuliert: "Kannst was nachholen. Oder wenigstens sehen, was du damals verpasst hast. Und ob überhaupt. Oder so."

Alle Ehemaligen stellen sich für Putins Rückführungstherapie zur Verfügung: Manuela, die so verknallt in ihn war, die Psychotherapeutin Mareike, seine große Liebe, Marie, inzwischen Lehrerin in Prüm; nur Mimi, die Putin auf einer Pornoseite im Internet ausgegoogelt hat, liegt bereits auf dem Friedhof. Bei dieser Tour tauscht man Erinnerungen, Vorwürfe und melancholische Bemerkungen aus, man lacht und weint miteinander, einmal ergibt sich sogar Sex im Wald. Aber es gibt kein Zurück. Das Leben ist die Summe von Fehlern, die wir begangen haben und Erfahrung nennen, und hinterm Horizont geht's weiter. Manchmal auch für den "Retrodepp" Putin: An Mimis Grab keimt unverhofft eine neue Liebe zwischen Matti, ihrem kaurismäkihaften Nachbarn aus Helsinki, und Mareike. "Aus der Geschichte lernen heißt nicht einmal verlieren lernen", erläutert Georg, "und so wir uns nicht sowieso verbieten wollen, in diesem Zusammenhang einen Sinn zu suchen, wo keiner ist, liegt er allenfalls darin, dass ich dir das jetzt erzähle."

Gärtner war zehn Jahre lang Titanic-Redakteur und hat sich in Werken wie "Guido außer Rand und Band", "Benehmt euch! Ein Pamphlet" und einem "erotisch-historischen Schelminnenroman" über Angela Merkel für sein Romandebüt warmgeschrieben. "Putins Weiber" hat Stil, Witz und Verstand, die Pointendichte ist erwartungsgemäß hoch, und viele von Gärtners satirischen Spitzen gegen Joggingbrötchen, Minicabrios, Hannelore Elsner und biodynamische Metzger treffen ins Schwarze. Außerdem wurde Gärtner nicht zufällig Sieger des Eckhard-Henscheid-Ähnlichkeitswettbewerbs 2014. Wenn Putin und seine Freunde beim Herrengedeck mit Bielefelder Luft und Detmolder Pilsener über Weiberkram und "Damengedöns" räsonieren, wenn Frührentner "Bei Olga" Fußballer- und Historikerwitze erzählen, zauberhafte Nachbarinnen anbaggern und Weisheiten wie "Was soll man machen?" und "Hört nie auf" absondern, fühlt man sich in die Zeit der "Vollidioten" zurückversetzt. Geht in Ordnung, sowieso, genau.

Gärtners Humor ist zwar eher an Seinfeld und den Simpsons geschult, aber er schöpft wie Henscheid aus einem breiten bildungsbürgerlichen Fundus und ist im Grunde ein hoffnungsloser Romantiker. Putin, der "Hans-Joachim Kulenkampff für das 21. Jahrhundert", beherrscht nicht nur die Kunst des Kalauers, sondern hat auch "perniziöse" Fremdwörter, preziöse Sätze ("Sie taumeln durch den Glast des Nachmittags") und gedrechselte Schwerenötereien drauf: "Ich habe keinen Grund zu der Annahme, ein Frauenversteher zu sein, aber die generelle Wirksamkeit eines sauber dosierten Kompliments ist nichts, was einem Zweifel unterliegt."

Verglichen mit dem maßlosen fränkischen Bruddler Henscheid, ist Gärtner erzählerisch relativ diszipliniert und ökonomisch, aber auch er zeigt Schwächen im Aufbau und in der Figurenzeichnung. Der Wechsel zwischen Innen- und Außenperspektive, Ich- und Er-Passagen ist wenig überzeugend; Spannung kommt beim serienmäßigen Weiber-Abklappern nicht auf. Alle, egal, ob junge Jurastudentin oder alter Bierdimpfl, reden im nämlichen Jargon ironischer Uneigentlichkeit und "spöttischer Jovialität", und dieses dauernde Frotzeln, Plänkeln und Sticheln kann einem schon auf den Geist gehen. Die komplizierten, geradezu adornitisch verschachtelten Satzbauten, die großflächig eingesetzte indirekte Rede, die gespreizten, wohlerzogenen Ausdrücke bilden einen aparten Kontrast zum banalen, bestenfalls sentimentalen Inhalt, und das ist vielleicht doch ein Fehler. Putin kommt sich mit seinem gepflegten Stil und seinen Prätentionen manchmal selbst vor "wie ein preußischer Offizier auf dem Ballermann". Karl Kraus kam nicht bis Bielefeld, Luhmann und Gärtner schon.

MARTIN HALTER.

Stefan Gärtner: "Putins Weiber". Roman.

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2015. 284 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2015

Herz auf halbmast
Stefan Gärtner schickt in seinem Debütroman „Putins Weiber“
einen glücklosen Helden auf eine sentimentale Reise
VON KRISTINA MAIDT-ZINKE
Es dauert eine Weile, bis man merkt, warum man sich in diesem Roman prinzipiell angenehm aufgehoben fühlt, obwohl er von nichts Besonderem handelt und nicht einmal ein spektakuläres Pointenfeuerwerk zündet: Stefan Gärtner, geboren 1973, benutzt die vorreformatorische Rechtschreibung. Und zwar dergestalt, dass er nicht nur dem alten „daß“ die Ehre erweist, sondern beispielsweise auch ganz selbstverständlich „morgen abend“ schreibt, was erstens vollkommen korrekt und zweitens ästhetisch eine Wohltat ist.
  Gärtner, der zehn Jahre Redakteur der Titanic war und bis heute für das Satiremagazin arbeitet, hat 2006 eine sprachkritische Hausputz-Anleitung veröffentlicht und 2014 den ersten und einzigen Eckhard-Henscheid-Ähnlichkeitswettbewerb gewonnen, dessen Namenspatron ja seinerseits als gnadenloser Geißler des Sprachverfalls gilt. In dieser Tradition verwurzelt, pflegt Gärtner einen unangestrengten Umgang mit der Hypotaxe, verwendet lustvoll Verbformen wie „lüde“ und „glomm“ und beherrscht die Zeichensetzung – die sinnvolle, die wir einmal gelernt haben – aus dem Effeff. Deshalb liest man sogar komplett redundante Sätze wie den folgenden noch gern: „Während Mareike ihm gegenüber Platz nimmt und sich geschäftsmäßig sortiert, muß Putin daran denken, daß das letzte, was er damals von ihr gesehen hat, ihr Ausschnitt war, und wie um den Kreis zu schließen, läßt er, während er versucht, durch ruhiges Atmen seinen Puls zu bremsen und so etwas wie Contenance zu gewinnen, den Blick auf ihrer Brust ruhen, von der er nur das obere Viertel kennt (na ja: mal gesehen hat) und die sich heute artig hinter einer zartrosa Bluse verbirgt.“
  Mareike ist erstens eine Frankfurter Psychotherapeutin und zweitens eine Verflossene von Putin. Putin wiederum ist nicht der aktuelle Herrscher aller Reußen, sondern Gärtners Romanheld, dessen Persönlichkeit, so steht zu vermuten, der des Autors in jüngeren Jahren ein wenig ähnelt. Putin heißt eigentlich Waldemar Winkelhock, und dreimal darf der geneigte Leser raten, ob er es hier mit einem willensstarken, entschlussfreudigen Macher-Typen zu tun hat. Freundlich, wie es seine Art ist, liefert der Autor die Auflösung frei Haus: „Wie alle schwachen Menschen glaubt Putin an die Winke des Schicksals, denn was das Schicksal entscheidet, braucht nicht selbst entschieden zu werden.“
  So hat er sich denn auch seinen Spitznamen, abgeleitet von einem druckfehlerbedingten Zeitungsauftritt des russischen Ministerpräsidenten als „Waldimir Putin“, mehr oder weniger widerstandslos zuteilen lassen. Eine halbherzige Autoren-Existenz als Gebrauchstexter und Fernsehkolumnist passt zu diesem weichgezeichneten Profil, ebenso die Tatsache, dass ausgerechnet ein schmierig-dubioser Dr. Raimund aus Wien, den wir nur telefonisch kennenlernen, immer wieder vergeblich versucht, den genialen Schriftsteller in ihm zu wecken.
  Aber der Roman, Gärtners erster (auch er hat sich offenbar lange nicht getraut), heißt ja „Putins Weiber“, was nahelegt, dass nicht Fragen des beruflichen Fortkommens im Zentrum der Handlung stehen, sondern vielmehr das, was hier im nostalgisch wiederbelebten Sound der Neuen Frankfurter Schule als „Damengedöns“ bezeichnet wird. Im dezidiert uneigentlichen Vokabular jener Herren waren Frauen, je nach Perspektive und Pegelstand, entweder Damen oder Weiber. In Frankfurt hat auch Putin Winkelhock, zu dem dieser Jargon nicht recht passen will, vor seinem Umzug nach Bielefeld gelebt, und dort spielt der Teil der Geschichte, den Gärtner in der dritten Person berichtet, während die Bielefelder Episoden in der Ich-Form erzählt werden. Das ist nicht ganz leicht zu durchschauen, und es kommt sogar noch unübersichtlicher – doch eins nach dem anderen.
  In Frankfurt also wird Putin von seiner Freundin Vera, mit der er sich in einer halbherzigen Beziehung eingerichtet hatte, unverhofft um eine Auszeit ersucht, verbunden mit der Lizenz zum Fremdgehen – aus Paritätsgründen, denn Vera hat es bereits getan. Freund Georg, Typ pragmatischer Lebenshelfer, empfiehlt dem Geschockten als Therapie die Suche nach der verlorenen Zeit, respektive nach verpassten Chancen in der Vergangenheit. Die infrage kommenden Frauen, es sind nur vier, tragen sämtlich Vornamen, die mit M beginnen: Manuela, Mareike, Marie und Mimi. Sind sie Inkarnationen einer Madonnen-Fantasie, der Vera, die Wahre, als Verkörperung der schwierigen Realität gegenübersteht? Wie dem auch sei, der Held begibt sich auf die Schwundstufe dessen, was im mittelalterlichen Epos die Queste gewesen wäre – und bleibt natürlich glücklos, was die Wiederbelebung alter Gefühle betrifft.
  Die erste M-Frau lässt sich nicht orten, die zweite hat als Seelenklempnerin zu viel Durchblick, die dritte ist als Ehefrau und Mutter in der Eifel gelandet, die vierte zunächst auf einer Internet-Pornoseite und dann in Finnland. Auf seinem Recherchetrip zwischen Frankfurt, Prüm und Helsinki begegnet Putin, dessen Kolumnen-Redakteurin übrigens Maria heißt, auch noch einer netten Studentin namens Mona, aber die Vergegenwärtigung der Tatsache, dass das Wort auf italienisch „Möse“ bedeutet, wäre für einen jungen Mann seines Schlages viel zu frivol, und so schweigt auch der Autor darüber.
  Wie überhaupt die ganze Kneipen-Philosophiererei und Küchentisch-Plänkelei nach dem Vorbild der unsterblichen „Vollidioten“ in diesem späten Neuaufguss irgendwie kraftlos, ja kastriert wirkt, obwohl an Geistreicheleien kein Mangel herrscht. An einer Stelle wird über Intimrasuren gescherzt, und sogleich denkt man: Ja, genau – hier haben wir eine Art intimrasierten Henscheid vor uns. Was als Fantasie schon wieder witziger ist als alles, was Gärtner an Szenen, Situationen und Dialogen aufbietet. Das liegt aber nicht nur am Epochenwandel, sondern auch daran, dass der Autor sein eigenes Projekt halbherzig betreibt: Er möchte einerseits satirisch schreiben, andererseits gepflegt sentimental, ein wenig poetisch gar und außerdem noch formal raffiniert – was ihn dazu drängt, die Erzählperspektive zwischendurch ziemlich sinnfrei an Vera in Berlin weiterzugeben oder, wie im Schlusskapitel, an einen eingeflogenen Finnen mit Kaurismäki-Allüre, der am Grab der früh verstorbenen Mimi auf Mareike trifft und sich zart mit ihr anfreundet.
  Vieles deutet darauf hin, dass dieser Matti, der mit Putins Weibern den Anfangsbuchstaben teilt, auch so ein Zauderer ist wie Putin. Und wie Stefan Gärtner, der womöglich ein sehr guter Romanschriftsteller wäre, wenn er nur einen tragfähigen Stoff hätte und mehr Mut zum Risiko.
Dieses Buch im Stil der
Neuen Frankfurter Schule wirkt
wie Henscheid mit Intimrasur
Auch Bill Murray klingelt in Jim Jarmuschs Film „Broken Flowers“ (2005) bei seinen Verflossenen an.
Foto: ARD Degeto
            
    
  
  
  
  
Stefan Gärtner: Putins Weiber. Roman. Rowohlt Berlin, 2015. 288 Seiten, 19,95 Euro.
E-Book 16,99 Euro.
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Ein unterhaltsamer, mit Pointen und feinen Beobachtungen aus den Widrigkeiten des Alltags gespickter Gegenwartsroman. HR