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Erstmals auf deutsch: Die international gerühmten, ebenso gehaltvollen wie pointierten Essays zur Weltliteratur des großen ungarisch-kanadischen Autors und Literaturkritikers. Stendhal und Balzac, Tolstoi und Gogol, Herman Melville und Vladimir Nabokov, Kleist, Goethe und Thomas Mann - dies sind die Stars dieser Sammlung, aber unter dem gleichzeitig schwärmerischen wie unerbittlichen Blick Stephen Vizinczeys erscheinen einige von ihnen in einem ganz neuen Licht.

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Produktbeschreibung
Erstmals auf deutsch: Die international gerühmten, ebenso gehaltvollen wie pointierten Essays zur Weltliteratur des großen ungarisch-kanadischen Autors und Literaturkritikers. Stendhal und Balzac, Tolstoi und Gogol, Herman Melville und Vladimir Nabokov, Kleist, Goethe und Thomas Mann - dies sind die Stars dieser Sammlung, aber unter dem gleichzeitig schwärmerischen wie unerbittlichen Blick Stephen Vizinczeys erscheinen einige von ihnen in einem ganz neuen Licht.

Autorenporträt
Stephen Vizinczey, geboren 1933, erlitt das Schicksal vieler Ungarn im 20. Jahrhundert: Sein Vater wurde von den Nazis ermordet, sein Onkel von den Kommunisten. 1956 Flucht nach Montreal. Seit 1996 Veröffentlichungen. Der Autor lebt in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2004

Heiße Lesefinger
Im Lektürefeuer: Stephen Vizinczeys vitale Literaturkritik

Mußte Vladimir Nabokov einen Käfer zeichnen, als er seine Vorlesung über Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" vorbereitete? Ja, Nabokov mußte einen Käfer zeichnen. Die Zeichnung half ihm, die Erzählung besser zu verstehen. Er zeichnete auch den Grundriß eines englischen Landsitzes (für Jane Austens "Mansfield Park"), die Skizze einiger Straßen in Dublin (für den "Ulysses") und die Mütze von Charles Bovary. Ähnlich zwingend fallen dem ungarischen Schriftsteller Stephen Vizinczey seine Lieblingsbücher zu: Ihre Helden (Frauen wie Männer) müssen Individualisten, Kämpfer und Erotiker sein, exemplarische Freigeister und Menschen der Tat. Das mutet als Maßstab für literarische Qualität kurios an; aber für Vizinczey bleiben Bücher stumm, wenn sie nicht auf die eine oder andere Weise von Selbstbefreiung oder Selbsterschaffung handeln. Schlimmer, sie beleidigen seinen Lebensinstinkt, der Wagnis, heiße Gefühle und überwundene Katastrophen fordert.

Die Intelligenz des 1933 geborenen Autors, dessen gut übersetzte Essaysammlung "Die zehn Gebote eines Schriftstellers" seine Wiederbelebung in deutscher Sprache bedeutet, läßt sich daran ablesen, daß sein vitalistisches Prinzip ziemlich unterschiedliche Meister gelten läßt: zuallererst und immer wieder Stendhal; dann Balzac; und schließlich Heinrich von Kleist. Etwa die Hälfte der 280 Seiten gilt diesen drei Schriftstellern, und es sind die Seiten, auf denen Vizinczey am stärksten ist. Dort nämlich, wo ihn sein Enthusiasmus zu sehr detailliertem Lob verführt. Überflüssig in dieser Sammlung von achtzehn Essays und Rezensionen sind drei Totalverrisse offenbar nichtswürdiger Bücher. Sie haben dem Autor nicht gefallen, warum also müssen wir von ihnen lesen?

Vielleicht hat Stephen Vizinczey den meisten von uns ein paar Erfahrungen voraus. Seinen Vater verlor er durch die Nationalsozialisten, seinen Onkel durch die Kommunisten, und als er mit dreiundzwanzig Jahren nach Montreal kam, beherrschte er, wie es im Klappentext heißt, "rund fünfzig Wörter Englisch". Heute besitzt er einen ungarischen, kanadischen sowie einen britischen Paß und hat sich das Englische längst zum geschmeidigen Instrument seiner Literatursprache gemacht. So einer muß wissen, wer er sein will, um den richtigen Weg zu finden. Und es ist kein Zufall, daß der jugendliche Held seines erotischen autobiographischen Romans "In Praise of Older Women" (1966), dessen Neuübersetzung unter dem Titel "Wie ich lernte, die Frauen zu lieben" demnächst bei SchirmerGraf erscheint, ein eifriger Wiederleser von Stendhals Roman "Rot und Schwarz" ist, bevor er sich von einer reifen verheirateten Frau die Unschuld rauben läßt.

Nabokov fand, ernsthafte Leser brauchten nur vier Dinge: Vorstellungskraft, ein gutes Gedächtnis, ein Wörterbuch und ein gewisses künstlerisches Einfühlungsvermögen. Auch Stephen Vizinczey hat im ersten Essay des Bandes praktische Ratschläge bei der Hand, und zwar für angehende Schriftsteller. Er rät ab vom Trinken, vom Rauchen und von Drogen, warnt ebenso vor Eitelkeit wie vor Bescheidenheit, und dann erteilt er noch den preisenswerten Ratschlag: "Du sollst nicht London / New York / Paris anbeten." Überhaupt wimmelt es in seinen Essays von Empfehlungen, die man eher bei guten Freunden (oder älteren Frauen) erwarten würde als in landläufiger Literaturkritik. Aber das ist kein Nachteil, denn die eine oder andere Lehre steckt ja tatsächlich in den Büchern, die Vizinczey mit so viel Leidenschaft in sein Leben zerrt, daß er zwischen sich selbst und dem universalen Leser nicht mehr unterscheiden mag. "Die großen Schriftsteller sind nicht jene, die uns davor warnen, mit dem Feuer zu spielen, sondern jene, die unsere Finger verbrennen." Das ist mutig empfunden und hübsch gesagt; so spricht allerdings einer, der seine Finger noch hat.

Man will Vizinczey nicht (oder nicht lange) vorwerfen, daß er gegenüber Kafka, Goethe und Melville phänomenal ungerecht ist. Er versteht sie nicht, und die Frage ist nur, ob er über sie hätte schreiben müssen. Goethe habe vor der Macht gekuscht, lesen wir. Nun ja. Melvilles Erzählung "Billy Budd" verleihe "der ekligsten, böswilligsten Lüge in der gesamten Literatur Gestalt, der Lüge, daß ein Mensch seinen Scharfrichter lieben kann". Bitte, das klingt in Melvilles Erzählung um einiges komplizierter. Von einer duckmäuserischen Figur umstandslos auf einen duckmäuserischen Autor zu schließen, der nichts anderes im Sinn habe als die Apotheose zeitlosen Duckmäusertums, ist doch etwas stark. Hier bezahlt Vizinczey seinen strahlenden Vitalismus mit ästhetischer Knopfäugigkeit. Was sie rettet, ist nur, daß sie nicht antrainiert wirkt.

Nein, im Bewundern ist der Mann viel besser, und daß er für ein englischsprachiges Publikum schreibt, dessen Unkenntnis mit der unseren nicht deckungsgleich ist, nimmt dem Vergnügen kaum etwas. "Kleist macht eine Aussage, schildert eine Szene nur so lange, wie die schnellsten und phantasievollsten Leser brauchen, um das Gesagte zu erfassen. Doch ihnen verschafft er die Erregung, daß ihr Gehirn mit der Geschwindigkeit eines Genies denkt." Kann man über Erregung anders schreiben als so, nämlich erregt?

Stephen Vizinczey: "Die zehn Gebote eines Schriftstellers". Essays zur Weltliteratur. Aus dem Englischen übersetzt von Melanie Walz. SchirmerGraf Verlag, München 2004. 282 S., geb., 22,80 [Euro].

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"Stephen Vizinczeys Name ist schwierig zu buchstabieren und auszusprechen - aber es lohnt sich, ihn zu behalten, denn er gehört zu den Großen unserer Zeit."
Epoca, Madrid

"Das Eindrucksvollste an diesen Essays (abgesehen von ihrem Rang und ihrer Gelehrsamkeit) ist die Art und Weise, wie hier Literatur und Leben miteinander verschränkt werden. Mr. Vizinczey erkennt untrüglich das Gewicht der Erfahrung und legt diese in unerschrockenem, aphoristischen Englisch dar."
Mark Le Fanu, The Times, London

"Eine Herausforderung an jede Form der Halbherzigkeit oder Zaghaftigkeit. Vizinczeys Blick auf die Literatur gibt ihr all das zurück, was lebendig und bedeutungsvoll ist - und errettet sie vor jeglichem universitären Formalismus."
Christer Enander, Kvällsposten, Stockholm

"Ein intellektuell aufregendes und moralisch inspirierendes Buch."
Jesus Moreno Sanz, Madrid

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Recht angetan wirkt Rezensent Paul Ingendaay von den meisten Essays dieser Sammlung. Denn die Leidenschaft, mit denen der kanadisch-ungarische Schriftsteller die darin behandelten Bücher und Autoren in sein Leben gezerrt hat, scheint ausgesprochen ansteckend zu sein. Zwar findet Ingendaay Stephen Vizinczey gegenüber Kafka, Goethe und Melville "phänomenal ungerecht". Doch da die "ästhetische Knopfäugigkeit" die der Rezensent hier wirksam werden sieht, bei Vizinczey nie antrainiert wirkt, kann Ingendaay ihm nicht wirklich böse sein. Auch dass es in den Essays untypischerweise von Ratschlägen wimmelt, wie man sie eigentlich nur guten Freunde gebe, scheint die Lust des Rezensenten an diesem sehr subjektiven Zugriff auf die Weltliteratur nicht zu mindern. Am stärksten findet der Rezensent die Essays, wenn der Enthusiasmus des Autors ihn zu "detailliertem Lob" verführen würde, wie im Fall von Nabokov, Joyce oder Jane Austen.

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