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Die fortschreitende Globalisierung der Kulturindustrie im Zeichen Hollywoods scheint den "Film als Kunst", als Medium des Guten, Schönen und Wahren, endgültig erledigt zu haben. Postmoderne Kulturtheorien mit ihrer wertfreien Vermischung von hoher und niederer Kultur holen dabei letztlich nur die Erfahrungswirklichkeit der meisten Kinogänger ein, die die moderne Populärkultur längst zu ihrer Basiskultur gemacht haben. Zur Diskussion stehen dann Fragen wie: Muss der Globalisierung eine Regionalisierung entgegengesetzt werden? Muss Europa der ökonomischen und kulturellen Übermacht der USA…mehr

Produktbeschreibung
Die fortschreitende Globalisierung der Kulturindustrie im Zeichen Hollywoods scheint den "Film als Kunst", als Medium des Guten, Schönen und Wahren, endgültig erledigt zu haben. Postmoderne Kulturtheorien mit ihrer wertfreien Vermischung von hoher und niederer Kultur holen dabei letztlich nur die Erfahrungswirklichkeit der meisten Kinogänger ein, die die moderne Populärkultur längst zu ihrer Basiskultur gemacht haben.
Zur Diskussion stehen dann Fragen wie: Muss der Globalisierung eine Regionalisierung entgegengesetzt werden? Muss Europa der ökonomischen und kulturellen Übermacht der USA explizit Eigenes entgegenstellen? Führt Hollywood zur Uniformierung der filmischen Ausdrucksweisen und sogar der Welt-Anschauung? Oder ist es eher umgekehrt: Ist es am Ende gar der Mainstream, der eine größere Vielfalt als erwartet aufweist und zugleich das Kino-Ereignis aufwertet, mithin zum "Kino der Attraktionen" zurückkehrt und so vielleicht das Kino fürs Erste rettet?
Autorenporträt
Mit Beiträgen von Christine Noll Brinckmann, Martin Roman Deppner, Stefan Drössler, Thomas Elsaesser, Achim Forst, Heinz-B. Heller, Andreas Hepp, Willi Karow, Carlos Losilla, Kaspar Maase, Winfried Pauleit, Irmbert Schenk, Alexandra Schneider, Ernst Schreckenberg, Jens Thiele, Kristin M. Thompson.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2006

Das Sichversenken

Der Fremdwörter-Duden definiert den Begriff "Mainstream" als "vorherrschende Richtung" und fügt in Klammern hinzu, daß dies "oft abwertend" gemeint sei. Mainstream im Kino wäre das, was viele Menschen sehen, aber die Kritiker nicht mögen. Daß sich diese Frontstellung zwischen den Verfechtern des Wahren, Guten und Schönen und den unterhaltungswilligen Massen nicht halten läßt, hat die intellektuelle Debatte mehr oder weniger seit den Anfängen des Kinos beschäftigt. Vor einem Jahr hat sich das 10. Bremer Symposium zum Film unter dem Titel "Experiment Mainstream?" der Sache angenommen - das Fragezeichen gilt der Verknüpfung zweier Begriffe, die gewöhnlich als gegensätzlich verstanden werden. Das Experiment gehört an den Rand, der Mainstream besetzt das Zentrum.

Die Vorträge von damals liegen nun als Buch vor. Der Untertitel weist die Richtung der Auseinandersetzung: "Differenz und Uniformierung im populären Kino". Die bedeutenden Filmindustrien haben es immer geschafft, die Anforderungen der Wiedererkennbarkeit so zu erfüllen, daß Spielraum für das Neue blieb. Anders als die bildende Kunst, die mit jedem neuen Werk auf den Unterschied zu allen anderen zielen muß, hat vor allem das klassische Hollywood-Kino auf Ähnlichkeit gesetzt. Die "Politik der Autoren" in der französischen Filmkritik hat zuerst darauf reagiert, indem sie "Handschriften" erkannte, wo herkömmliche Kulturkritik nur Anwendung bewährter Formeln sehen wollte.

Die Beiträge in "Experiment Mainstream?" können diese Umwertung schon voraussetzen, wie auch die postmoderne Relativierung der Opposition Kunst vs. Unterhaltung. "Die ästhetische Würde des Kassenerfolgs", die Kaspar Maase herauszuarbeiten versucht, manifestiert sich nicht in den nackten Zahlen des Einspielergebnisses, sondern vielleicht in "esoterischen Depots" (den Begriff entlehnt Maase bei Gert Mattenklott) - in einer Bedeutungsebene also, die bei einem unkomplizierten Genuß nicht stört, die aber "das unendliche Sichversenken in Komplexitätsbeziehungen erlauben und belohnen".

Thomas Elsaesser zeigt in seiner Untersuchung von "Forrest Gump" dagegen, daß endliches und unendliches "Sichversenken" einander nicht ausschließen. Der vielfach geächtete Erfolgsfilm aus dem Jahr 1994 hat einen Helden, dessen historischer Einfluß in umgekehrtem Verhältnis zu seinem Durchblick steht. Gerade darin liegt für Elsaesser aber die Pointe. Das Mainstreamkino entwickele hier "ein Krisenbewußtsein im Hinblick auf das ,Schwinden der Geschichte'". In der Aneignung des überlieferten und zur kollektiven Erinnerung gewordenen visuellen Materials, in das Forrest Gump ständig hineinstolpert, liegt für Elsaesser keine Enteignung des linken Engagements (für Bürgerrechte, gegen den Vietnamkrieg). Vielmehr wird der Held zu einer leeren Identifikationsfigur, die selbst auf die Seite wandert, der das Engagement gilt. Forrest Gump wird ein "schwarzer" Amerikaner, und bleibt dabei das traumatisierte weiße Subjekt, das sich der Geschichte gegenüber "auf Null" stellt.

Nicht viele Mainstreamfilme sind so ergiebig wie dieser. In "Experiment Mainstream?" geht nur Alexandra Schneider in ihrem Beitrag über das kommerzielle Hindi-Kino auf ein ähnlich dicht codiertes Feld ein. Kristin Thompson vergleicht Hollywood mit "Wellywood", dem Kinotechnologiepark, den Peter Jackson in Neuseeland mehr oder weniger im Alleingang am Laufen hält. Die meisten anderen Beiträge bleiben entweder ganz nahe an einem historischen Sujet, oder sie interessieren sich doch stärker für das Experiment (oder das, was dafür gilt) als für den Mainstream. Eine schlüssige Begründung dafür, daß das populäre Kino so häufig auch das experimentellere ist, kann der Band nicht geben. Er enthält aber hinreichend intellektuelle Depots.

BERT REBHANDL

"Experiment Mainstream?" Differenz und Uniformierung im populären Kino. Bertz+Fischer, Berlin 2006. 182 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass die beiden Begriffe des Titels längst nicht mehr einfach in eine Frontstellung zwischen Kunst und Unterhaltung gebracht werden können, ist für Bert Rebhandel nicht eben eine zwingend neue Einsicht. Überraschend ist da schon eher der Befund, dass "das populäre Kino so häufig auch das experimentelle ist". Dafür freilich, so der Rezensent, findet dieser Band als Ergebnis des 10. Bremer Symposiums zum Film keine schlüssigen Begründungen, schlägt sich die Mehrheit der Autoren zumindest in der Wahl des Themas doch auf die Seite des "Experiments" statt auf die des "Mainstreams". Eine der wenigen Ausnahmen bildet Thomas Elsässers Rettungsversuch des vielgeschmähten "Forrest Gump", der durchaus als komplexes Sinnbild einer entleerten Geschichte taugen könne und aufzeige, dass Zerstreuung und Kontemplation sich nicht ausschließen müssen.

© Perlentaucher Medien GmbH