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Ausgehend von einer spezifischen Lesart eines gebräuchlichen Wortes geht dieser Band einer einzigartigen Konfiguration nach: dem "Denken eines sichtbaren oder unsichtbaren Bindestrichs zwischen Maschine und Papier". Versammelt werden Antworten auf Anfragen verschiedener "dem Papier und dem Buch gewidmeter" Institutionen.Der erste Teil enthält in der Französischen Nationalbibliothek gehaltene Vorträge, insbesondere Lektüren der "Bekenntnisse" Rousseaus (auch in Gegenlektüre zu den "Bekenntnissen" des Augustinus) sowie von deren Interpretation durch Paul de Man. Durchgängige Frage: "Werden wir…mehr

Produktbeschreibung
Ausgehend von einer spezifischen Lesart eines gebräuchlichen Wortes geht dieser Band einer einzigartigen Konfiguration nach: dem "Denken eines sichtbaren oder unsichtbaren Bindestrichs zwischen Maschine und Papier". Versammelt werden Antworten auf Anfragen verschiedener "dem Papier und dem Buch gewidmeter" Institutionen.Der erste Teil enthält in der Französischen Nationalbibliothek gehaltene Vorträge, insbesondere Lektüren der "Bekenntnisse" Rousseaus (auch in Gegenlektüre zu den "Bekenntnissen" des Augustinus) sowie von deren Interpretation durch Paul de Man. Durchgängige Frage: "Werden wir eines Tages das Denken des Ereignisses mit dem Denken der Maschine verbinden können?"Der zweite Teil dokumentiert eine situative "Erfahrung des Schreibens" und "riskierte Bahnung politischer Gesten". Unter der Leitfrage "Was findet statt zwischen dem Papier und der Maschine?" wird das Schicksal der "Schrift", des "Ereignisses", des "Archivs", des "Politischen" reflektiert, die sich heute mit "so vielen neuen Virtualisierungsmaschinen" konfrontiert sehen.
Autorenporträt
Jacques Derrida (1930-2004) lehrte Philosophie in Paris und den USA.

Peter Engelmann ist Philosoph, Herausgeber der französischen Philosophen der Postmoderne und der Dekonstruktion und Leiter des Passagen Verlages.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.09.2007

Im Fernsehen auf die Nase fallen
Jacques Derrida setzt auf die Erfahrung des Ereignisses
Der französische Philosoph Jacques Derrida galt als notorischer Vielschreiber. Dieser Eindruck konnte entstehen, weil er neben seinen gewichtigen Studien „Grammatologie” und „Glas” immer auch Vorträge und Interviews veröffentlichte. Deutschsprachige Kleinst- und Großverlage waren dem Meister dekonstruktivistischen Philosophierens stets auf den Fersen und publizierten flugs alles mehr oder minder Bedeutsame. Unter den neueren Derrida-Titeln befindet sich der Sammelband „Maschinen Papier”, ein kleiner Wälzer von 432 Seiten, dessen französische Ausgabe den Leser darauf hinweist, dass mit diesem Buch nun schon das 93. Werk des Pariser Dekonstruktivisten vorliegt. Bei der Lektüre von „Maschinen Papier” und „Echographien” – die Vorträge, Manifeste, Zeitungsartikel und Interviews aus den neunziger Jahren versammeln – fragt man sich, ob von diesen facettenreichen Texten neue Erkenntnisse ausgehen.
Doch vielleicht ist dies die falsche Erwartungshaltung. Derrida geht es nicht darum, eine Großtheorie à la Kant zu entwickeln, sondern sich zu aktuellen philosophischen Debatten sowie politischen und medientheoretischen Themen zu äußern. In unterschiedlichen Theoriefeldern erprobt er seine dekonstruktivistische Arbeitsweise. So zeigen beide Bücher wiederum, wie er in verschiedenen Kontexten der Produktion von Bedeutungen und Systemen nachspürt und Bruchstellen in vermeintlich kohärenten Zusammenhängen aufdeckt.
Die Dekonstruktion sollte sich ja als ein kritisches Denken bewähren, als ein Denken, das nicht nur in Frage stellt, sondern gleichsam auf die Praxis übergreift und die Herausbildung neuer institutioneller Formen begünstigt. Wenn „Maschinen Papier” neben einem Vortrag über Paul de Mans Rousseau-Lektüre auch einen offenen Brief an den US-Präsidenten Bill Clinton enthält, in dem sich der Philosoph im Auftrag des Internationalen Schriftstellerparlaments gegen die Todesstrafe für den schwarzen Bürgerrechtler und Journalisten Mumia-Abu Jamal ausspricht, dann hat dies einen plausiblen Grund: In der eigenen Theorie waren immer auch die politischen Implikationen lesbar, während die politische Praxis die aufklärerischen Ideen von Demokratie und Gerechtigkeit transparent machen sollte.
Derridas Ausführungen zu kulturellen und politischen Entwicklungen lassen sich niemals als einfache These resümieren, da er stets die widersprüchlichen, ja aporetischen Potentiale bedenkt, die ihnen innewohnen. In einem Vortrag, der einige Motive aus der „Grammatologie” von 1967 wieder aufgreift, bemerkt Derrida, die Vorstellung vom Buch als einem geschlossenen Medium sei wesentlich durch die digitalen Techniken aufgelöst: Während das Internet das traditionelle Medium desakralisiert und demokratisiert, gebe es gleichzeitig eine Gegenbewegung, die das Buch resakralisiert und fetischisiert. Die erste Tendenz ereignet sich derzeit in den nicht-demokratischen arabischen Staaten. Die zweite in Ländern, die sich gerade anschicken, ganze Bibliotheken zu digitalisieren.
Was alles zum Schweigen bringt
Als Derrida in den frühen neunziger Jahren mit dem Philosophen Bernard Stiegler einige Fernsehgespräche führte, wollte er wissen, ob die neuen Medien eine „kritische Kultur” eher behindern oder befördern. Ob das Internet, gerade auch in totalitären Staaten, die demokratische Kultur verstärkt oder rechtlose Zustände heraufbeschwört. Und ob die Medien zusehends auf gnadenlose Aktualität pochen oder vielleicht doch das Unvorhergesehene begünstigen können, mit einem Wort: das Ereignis. Derridas Ausführungen erinnern streckenweise an die Technologiekritik Martin Heideggers, besonders wenn er sich gegen den Medienlärm angesichts einer fetischisierten Aktualität wendet, „die alles zum Schweigen bringt, was spricht und handelt.”
Allerdings lässt Derrida keinen Zweifel daran, dass er Heideggers Kulturpessimismus strikt ablehnt, da die neuen Medien, wie es in einem Brief an die Zeitschrift Lignes heißt, stets auch die Möglichkeit bieten, neue Inhalte und Techniken auszuprobieren. Deswegen privilegiert der Pariser Kosmopolit gegenüber dem Todtnauberger Provinzler die „Erfahrung des Ereignisses”, nicht das „Denken des Seins”.
Bernard Stiegler fragte Derrida 1993, wo er angesichts der Kommerzialisierung des Fernsehens noch schöpferisches Potential erblicke. Derrida verwies auf den Kulturkanal Arte. Jenseits von Quoten- und Kommerzdruck erhoffte er sich, dass der deutsch-französische Sender
„eine Vielfalt von Idiomen entwickelt, die einander nicht ausschließen und nicht in einer homogenisierenden Übersetzung verschwimmen.” Gegen Ende des Interviews wandte er sich gegen den ökonomischen Common Sense der Programmmacher und beharrte darauf, die neuen medialen Möglichkeiten voll auszuschöpfen: „Man muß das scheinbar Unmögliche möglich machen. Man muß versuchen, im Fernsehen Dinge zu machen, mit denen man auf die Nase fallen kann.” KLAUS ENGLERT
JACQUES DERRIDA: Maschinen Papier. Das Schreibmaschinenband und andere Antworten. Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek. Passagen-Verlag, Wien 2006, 432 S., 49 Euro.
JACQUES DERRIDA: Echographien: Fernsehgespräche. Aus dem Französischen von Horst Brühmann. Passagen-Verlag, Wien 2006. 188 S., 28 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die französische Ausgabe dieses nun ins Deutsche übersetzten Buchs weist nicht ohne Stolz darauf hin, dass es sich dabei um die 93. Buch-Veröffentlichung von Jacques Derrida gehandelt habe. Kein Wunder, meint Klaus Englert, dass der Philosoph als "Vielschreiber" galt, was freilich auch viel damit zu tun habe, dass die Verlage auch Vorlesungen und Interviews immer gleich eilfertig zwischen zwei Buchdeckel zu packen bereit waren. Im Laufe der neunziger Jahre entstandene Texte finden sich denn auch in diesem Band - aufregend Neues, anderswo so noch nicht Gedachtes, sei freilich eher nicht darunter. Aber natürlich war das, meint Englert, auch gar nicht unbedingt Derridas Absicht. Der Philosoph mischte sich in Tagesaktuelles ein, engagierte sich, hier etwa in einem offenen Brief an den US-Präsidenten zugunsten des von der Todesstrafe bedrohten Mumia Abu-Jamal. Die genuin philosphischen Beiträge seien, da Derridas Denken tendenziell immer auf das "Aporetische" zusteuere, in der Kürze nicht ohne weiteres auf Thesen zu bringen. Ob er den Band nun lesenswert findet, teilt der Rezensent nicht explizit mit - dass es sich aber nicht um den Kernbestand von Derridas Philosophie handelt, wird klar.

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