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Amerikanisches Temperament begegnet europäischer Kultiviertheit: in brillanten, manchmal ungeheuerlichen Geschichten von Verführung und Selbstbehauptung, voll unterhaltsamer Ironie und ahnungsvoller Erotik. Sie sind schön und schick und tragen Namen wie Merope, Ariel oder Clay. Andrea Lees amerikanisch-coole Zeitgenossen haben angesehene Universitäten besucht, bevor sie nach Europa gegangen sind ? in die Werbe-, Mode- oder Zeitungsbranche. Als Ehefrauen leben sie in malerischen Wohnungen, haben frühreife Kinder oder machen bei aller ehelichen Hingabe ihren Gatten ein kostspieliges Geschenk:…mehr

Produktbeschreibung
Amerikanisches Temperament begegnet europäischer Kultiviertheit: in brillanten, manchmal ungeheuerlichen Geschichten von Verführung und Selbstbehauptung, voll unterhaltsamer Ironie und ahnungsvoller Erotik.
Sie sind schön und schick und tragen Namen wie Merope, Ariel oder Clay. Andrea Lees amerikanisch-coole Zeitgenossen haben angesehene Universitäten besucht, bevor sie nach Europa gegangen sind ? in die Werbe-, Mode- oder Zeitungsbranche. Als Ehefrauen leben sie in malerischen Wohnungen, haben frühreife Kinder oder machen bei aller ehelichen Hingabe ihren Gatten ein kostspieliges Geschenk: eine Nacht mit einem mailändischen Luxus-Callgirl. Als Singles sind sie Objekte der Begierde älterer oder jüngerer italienischer Männer ? wie in der Story Vollmond über Mailand.
Ihre psychologische Meisterschaft führen diese Geschichten unter dem Vollmond von Mailand in einer Prosa vor, die durchzogen ist von kühlem, fein nuanciertem Humor. Ungewöhnlich sind diese Frauen alle, als Schönheiten, meistens Schwarze, wissen sie um ihren Rang und stellen mit Raffinesse und Stil Fragen nach ihrer Identität. Es sind Storys über Schwarze und Weiße und über Männer und Frauen, die vor allem eines zeigen: die Rätselhaftigkeit im Umgang zwischen den Geschlechtern.

Autorenporträt
Angela Praesent übertrug u. a. Werke von E. L. Doctorow und Harold Brodkey. 1996 erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2003

Sei prickelnd, mein Schatz
Liebe aus falschen Gründen: Erzählungen von Andrea Lee

Der Klappentext verrät, daß Andrea Lee, Autorin des Erzählbands "Vollmond über Mailand", "aus einer afroamerikanischen Familie" stammt. Sollte der Hinweis Sympathie wecken wollen, so hat sie ihn nicht nötig; Andrea Lee spricht für sich selbst, und das sehr scharfzüngig und präzise. Will die Anmerkung hingegen den von dunkelhäutigen Amerikanerinnen handelnden Geschichten Authentizität verleihen, warum kommen diese dann als Fiktionen daher? So entsteht der Eindruck, als versuche der Verlag das Faszinosum des Exotischen zu nutzen, das Lees Stories desavouieren.

Wer von Lees Mailand das schwüle, halbseidene Milieu internationaler Callgirls erwartet, wird enttäuscht: Ihre Heldinnen sind bürgerlich verheiratet oder geschieden, und der prägnanteste Zug an ihnen ist ihr Gewissen. Zwar bewohnen sie Penthäuser, verkehren in Nachtklubs und auf Schlössern, doch psychologisches Feingefühl und weise Zurückhaltung machen ihre Erlebnisse zu moralischen Geschichten. Eine Ehefrau schenkt ihrem Gatten zum Geburtstag eine Nacht mit zwei Mailänder Edelhuren. Der Grund dafür ist weder nachlassende Liebe noch charakterliche Dekadenz, sondern die schlichte Hoffnung, den Ehemann auf diesem Wege noch stärker an sich zu binden: "Du mußt prickelnd sein, immer agil, auch eine Spur verrucht, wenn ich das sagen darf, mein Schatz", lehrt sie die Mutter: "Sonst gehen sie einfach woandershin." Nichts ist Ariel, der pragmatisch-nüchternen Tochter, ferner. Doch die Katholikin kompensiert das Manko durch die Bereitschaft, für das ihr Fehlende zu zahlen. Man könnte diese Lösung für sehr amerikanisch halten, aber im Grunde gleicht sie mehr einer Ablaßgabe. Verrucht ist daran nur die eines Choderlos de Laclos würdige Kaltblütigkeit der Regelung. Weil die ehelichen Reize nicht mehr mit Verdammnis drohen können, frischt Ariel das erotische Alltagsmenü durch sexuelles Catering auf.

Auch in "Nebel und Cappuccino" wird der Seelenruhe ein finanzielles Opfer gebracht. Eine Freundin stiftet die Erzählerin dazu an, einen Mann zu suchen, der sie einmal verehrte. Obwohl ihr nichts an ihm liegt, zahlt sie einem Detektiv ohne Zögern einen exorbitanten Betrag: "Es schien", reflektiert sie auf ihre Tat, "als hätte mit dem, was ich gerade getan hatte, der Wahnsinn seinen Höhepunkt erreicht und als könnten die Gespenster, die mich gepeinigt hatten, zur Ruhe kommen. Ich hatte der Hölle meinen Zehnten bezahlt."

Wie der Zehnte funktioniert auch die dunkle Haut der Leeschen Frauen. Zumindest unter italienischen Männern schützt ihre Farbe sie vor dem Verdacht der Biederkeit. So sarkastisch die Erzählerin in "Brüder und Schwestern überall auf der Welt" ethnische Vorurteile abserviert, so philosophisch verbucht sie die Vorteile, die sich durch sie ergeben. "Er liebt mich aus einer Reihe von falschen Gründen", bemerkt sie über ihren Gatten, der in den Ferien "sein Image des manikürten Werbemanns" abstreift und danach strebt, "sich in einen europroletarischen Tarzan zu verwandeln". Dabei dient seine Frau ihm als ideale Statistin, hat er nach acht Jahren Ehe doch "noch immer nicht begriffen, daß einer schwarzen Amerikanerin, wie exotisch sie auch erscheinen mag, ein protestantischer Stahlkern den Rücken stärkt". Daß man in der schwarzen Bevölkerung der Vereinigten Staaten nicht mehr naiver Sinnenfreude, sondern höchstens den traurigen Tropen klug gewordener Zivilisationsverlierer begegnet, verhandelt "Der goldene Wagen". Andrea Lee gebraucht das mit verteilten Rollen operierende Format der "Minstrel-Show", einer in Amerika einst populären Komödienform mit schwarzem Personal, um von einer Reise zu erzählen, die eine dunkelhäutige Familie 1963 in ihrem Auto zur Weltausstellung nach Seattle unternimmt. Weil im Fernsehen keine Vorbilder für lustige Urlaubsreisen von Afroamerikanern existieren, kommt es dem Sohn Richie so vor, "als ob uns keiner sehen kann". Für ihre eigentümliche Mischexistenz gibt es keine gängigen Mythen; und in den kursierenden Klischees erkennen Lees Figuren sich zwar nicht wieder, tun sich aber schwer, sie zu korrigieren. So hat die Heldin von "Ethnologie" in einer bekannten Zeitschrift einen Essay über das Milieu ihrer Kindheit publiziert und herbe Kritik geerntet, weil ihre afrikanisch-schottischen Verwandten darin umstandslos als "schwarz" bezeichnet wurden. "Sie haben sich entschieden, sich nicht so zu definieren", erklärt ihr ein Cousin.

Nicht zufällig ist Italien der Hauptschauplatz des Buches. Im katholischen Mentalitätscocktail von Sinnlichkeit und Schuldbewußtsein begegnen Lees Protagonistinnen ihrer eigenen, durch den amerikanischen Puritanismus verschütteten Vorgeschichte. In einer von der Jeunesse dorée Mailands handelnden Erzählung wird ein Traum berichtet, in dem jemand die hinterste Tür einer Brenta-Villa öffnet und auf einen Stein mit der Inschrift stößt: "Siete tutti maledetti" - "Ihr seid alle verflucht". Der Satz bleibt im Gedächtnis der Heldin haften, und er liegt wie der melancholische Staub der Gewissenhaftigkeit über dem geschliffenen Stil Andrea Lees, der in vielem an Virginia Woolf erinnert und es wie sie vollbringt, zugleich verblüffend schamlos und prüde zu sein.

Andrea Lee: "Vollmond über Mailand". Stories. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Angela Praesent. DuMont Buchverlag, Köln 2003. 253 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Was der Rezensent Martin Zingg zu Andrea Lees Erzählband zu sagen hat, hört sich durchweg wunderbar an: Es handele sich um "wunderbare Geschichten" über "Schwarze und Weiße" und "Männer und Frauen", größtenteils aus weiblicher Perspektive geschrieben. Lees Frauen-Figuren sind "erfolgreiche, gebildete und attraktive" Afro-Amerikanerinnen, leben in Europa, meistens in Italien, was sie wunderbar meistern, denn sind "zwar sehr amerikanisch, aber immer weltgewandt". Alles wäre also wunderbar, "wäre da nicht die gelegentliche kleine Sorge", die Erfahrung, dass die Hautfarbe immer irgendwann eine Rolle spiele und sei es bloß, wenn jemand sage, dass sie es nicht tue. Lees Erzählungen, so der Rezensent, zeigen, "was der Rassismus in den Köpfen der Menschen anrichtet" und erzählen von der Liebe auf eine "köstlich illusionslose Weise", die auch in der "meisterhaften", "wendigen" Übersetzung von Angela Praesent nicht verlorengeht.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Andrea Lee ist es. Mehr gibt es nicht zu sagen." (Philip Roth)