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Seit Edouard Manet Velázquez' Malkunst als eine Vorwegnahme der impressionistischen Sehweise entdeckte, gilt die Bewunderung des großen Publikums dem Malergenie, dem es wie keinem anderen gelang, das Sichtbare in den Farben und Formen seiner Bilder zu fassen. Der manchmal ins Schwärmerische abgleitenden Kunstbetrachtung ebenso zu begegnen wie den Verstrickungen des modernen kunsthistorischen Ratemarathons mit dem Ziel, die komplexen Bildthemen des Velázquez endgültiger Klärung zuzuführen, ist die schwierige Aufgabe eines neuen Blicks auf den geschichtlichen Velázquez.
Martin Warnkes
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Produktbeschreibung
Seit Edouard Manet Velázquez' Malkunst als eine Vorwegnahme der impressionistischen Sehweise entdeckte, gilt die Bewunderung des großen Publikums dem Malergenie, dem es wie keinem anderen gelang, das Sichtbare in den Farben und Formen seiner Bilder zu fassen. Der manchmal ins Schwärmerische abgleitenden Kunstbetrachtung ebenso zu begegnen wie den Verstrickungen des modernen kunsthistorischen Ratemarathons mit dem Ziel, die komplexen Bildthemen des Velázquez endgültiger Klärung zuzuführen, ist die schwierige Aufgabe eines neuen Blicks auf den geschichtlichen Velázquez.

Martin Warnkes konzentrierte Studie schildert aus genauester Kenntnis der Quellen- und Forschungslage die wichtigsten Lebensstationen des bedeutendsten Malers Spaniens und würdigt durch Beschreibungen der Hauptwerke in höchster sprachlicher Dichte das Werk des Malers, ohne dass je die konsequent verfolgte Fragestellung vernachlässigt würde, die Ausgangspunkt dieser Studie ist: Wie war es möglich, dass ein Künstler, der in seiner Geburtsstadt Sevilla vor allem als Gassen- und Küchenmaler bekannt geworden war, an den hochkultivierten Hof König Philipp IV. berufen wurde und dort sein Leben verbrachte? In einem krisengeschüttelten Spanien - so die These - hatte sich im Zuge rigider Spar- und Reformanstrengungen der Hof ein neues, geradezu asketisches Image zugelegt, dem der realistische Stil des Velázquez gut entsprach. Seiner Kunst kam ein Erziehungsauftrag zu, dem der Maler mit wandelnden Themen und malerischen Mitteln zu genügen suchte.
Autorenporträt
Martin Warnke wurde 1937 in Ijui (Brasilien) geboren. Nach dem Studium in München, Madrid und Berlin unterrichtete er Kunstgeschichte in Marburg und Hamburg. Seit 2001 ist er emeritiert. Er war Mitglied des Wissenschaftskollegs zu Berlin, des Getty Centers in Santa Monica und einer der Gründungsdirektoren des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen. 1991 erhielt er den Leibniz-Preis. 2006 wurde ihm der Gerda-Henkel-Preis für herausragende akademische Leistungen verliehen. Seine Monographie zu Peter Paul Rubens (1977) und der Titel "Hofkünstler" (1985) sind bei DuMont erschienen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Fallstricke vor der Erotik einer Rückenansicht
Rückkehr an den Anfang: Martin Warnkes Studie über den spanischen Maler Velázquez / Von Bettina Erche

Francisco Pacheco, Hofmaler des spanischen Königs, hat seinem Schüler und Schwiegersohn Diego Velázquez (1599 bis 1660) in seinem Traktat "Arte de la Pintura" 1649 ein Denkmal gesetzt. Damals hatte Velàzquez seine eigentliche Aufgabe als "pintor del rey" - er war am 6. Oktober 1623 in diese Position berufen worden - schon weit hinter sich gelassen. Die steile Karriereleiter führte ihn hinweg von Pinsel und Palette zum "ayuda de camera", der Türen im Palast bewachte und bei den Mahlzeiten des Königs anwesend sein mußte. Er erhielt die Schlüssel zu den königlichen Gemächern, wurde zum Verwalter der neu zu erbauenden "Sala ochavada" und schließlich zum Schloßmarschall befördert. Gemalt hat er nur noch wenige Bilder.

Sein zweiter Biograph Antonio Palomino widmete 1724 Velázquez' höfischen Ämtern ein ganzes Kapitel, um zu resümieren, daß sie einer Bestrafung seiner Kunst gleichkämen. Für Velázquez selber eröffnete sich jedoch das langersehnte Ziel, wie einst sein großes Vorbild Tizian vom König geadelt zu werden. Denn die Voraussetzung adeligen Daseins war es, nicht mit Geldverdienen seinen Lebensunterhalt bestreiten zu müssen. 148 Zeugen mußte Velázquez benennen, die wußten, daß der Maler niemals einen Lohn für seine Arbeit erhalten habe. 1658 wurde er in den hochadeligen Santiago-Orden aufgenommen. Mit dem roten Kreuz des Ordens auf dem schwarzen Wams stellt er sich in seinem Spätwerk "Las Meninas" vor. Velázquez habe in der kraftvollen Art Tizians gemalt, lobt Palomino. Es sind hingehauchte Farbtupfer, die die Grenzen zwischen Sein und Schein verwischen.

Widersprüchlichkeiten und Gegensätze kennzeichnen Spaniens "Goldenes Zeitalter", das Jahrhundert seiner Vormachtstellung. Unter Philipp II. erlangte das Reich, in dem "die Sonne nicht unterging", seine größte Ausdehnung. Doch es war erschüttert von langwierigen Kriegen, die die Ressourcen aufzehrten. Dreimal erklärte Philipp II. den Staatsbankrott, um gleichzeitig seiner Hofhaltung durch italienische Künstler Glanz zu verleihen. Tizian malte die "Poesie", Szenen aus Ovids "Metamorphosen". Unverhohlen ist die Erotik der nackten Körper von Diana, Venus und Europa. Doch diese Freizügigkeit war nur dem Adel vorbehalten, und nur ausländische Künstler durften solche Bilder malen. Die Doppelmoral sollte sich auch unter Philipp IV. nicht ändern. Es verwundert deshalb nicht, daß Velázquez 1650, als er die "Venus vor dem Spiegel" während seines zweiten Italienaufenthaltes malte, alle Vorsicht walten ließ, wie Andreas Prater 2002 herausfand. Er malte die Venus "nur" als Rückenakt und ließ das Bild an seinen spanischen Auftraggeber, den Minister Don Luis de Haro, verschiffen. Denn Importe waren von moralischen Restriktionen ausgenommen.

Daß die spanische Krone sich ihrer einheimischen Künstler wieder besann und neben Velázquez auch Zurbarán und Murillo zumindest zeitweise an den Hof berief, ist das Ergebnis eines rigiden Sparprogramms, das der stete politische und finanzielle Niedergang auslöste. Schon Philipp III. hatte die Last der Regierung einem "privado" (Günstling) übergeben. Philipp IV. wählte seinen Erzieher Caspar de Guzmán, Graf - später Herzog - von Olivares, als er 1621 mit sechzehn Jahren den Thron bestieg. Dieser erkannte die hohe Staatsverschuldung und die Unzufriedenheit der Spanier, die Eingaben an die Regierung mit Vorschlägen machten. Diese Meinungsäußerungen haben das Reformbewußtsein erst wachgerufen. In Velázquez fand Olivares den Maler, der in seinen Bildern das Leben der kleinen Leute erforscht hatte und der zugleich die Gegensätze zwischen Arm und Reich, Religion und Alltag zu vereinen wußte. Olivares habe Velázquez einen Erziehungsauftrag erteilt. Martin Warnke stellt diese These seinem Buch voran, das das Wechselspiel zwischen Kunst und Politik untersucht.

Der Weg an den Hof war für Velázquez verschlungen, wie Pacheco berichtet. Doch zwei Gründe waren für den Erfolg entscheidend.Velázquez stammte aus Sevilla wie sein Entdecker, der Domherr Juan de Fonseca y Figueroa, der im Dienst der Hofkapelle stand. Auch hatte Olivares, dem Fonseca Velázquez empfahl, länger in Sevilla gelebt. Außerdem versprach der junge Maler nicht nur im Sinne der Politik zu malen, sondern er kannte auch die neuesten Errungenschaften seines Metiers: die Küchenstilleben mit einer biblischen Szene im Hintergrund, wie sie die Antwerpener Manieristen erfunden hatten, aber auch die Kompositionen von Caravaggio. Warnke streift das Thema "Caravaggio" nur kurz, indem er auf die ähnliche Lichtführung hinweist. Doch die Vielzahl der Übereinstimmungen ist eindrücklich. Nicht nur die verhaltene Farbigkeit mit ihren Rot- und Brauntönen spricht für Velázquez' Kenntnis von Caravaggios Bildern, auch die Reduktion der Figuren, die aus dem Dunkel aufzutauchen scheinen. Caravaggio holt die Heiligen auf die Erde, Velázquez tut es ihm gleich. In seiner "Anbetung der Könige" (1619) sind die Dargestellten Menschen aus dem Volk. Allein das Licht macht die Hierarchie deutlich. Das Gemälde "Der Wasserträger von Sevilla" (1620/22), das für Velázquez der Schlüssel zum königlichen Hof war, ist eine Summe caravaggesker Studien. Es macht auch den Standesunterschied zwischen dem ärmlichen alten Mann und seinen beiden Kunden deutlich. Dem jüngeren reicht er ein Glas Wasser mit einer Feige, damit es frischer schmecke. Das Bild kaufte Velázquez' Entdecker Fonseca. Wie lebhaft und ausführlich es am Hof diskutiert wurde, davon berichtet Palomino, der dem Wasserträger in seinem "verdreckten und zerlumpten Arbeitskittel" eine ausführliche Beschreibung widmete.

Es ist bezeichnend für Velázquez' Erziehungsauftrag, daß er die Malweise änderte, den Blick auf eine Welt der Gegensätze aber beibehielt. Seine Reise nach Italien 1629 war der Auslöser, seinen Pinselstrich Tizian anzunähern. José Lopez-Rey entdeckte 1979, daß Velázquez erstmals die tizianeske Impasto-Technik in seinem Gemälde "Die Schmiede des Vulkans" 1630 ausprobierte. Der Kopf des Apoll erscheint wie ein Verkündigungsengel, von einer Aureole umgleißt. Skizzenhaft locker ist der Pinselduktus. Die Lichtgestalt bricht in die erdverbundene Werkstatt Vulkans ein, wo dieser und die Zyklopen verschwitzt das Eisen schmieden. Ungläubig hören sie die Nachricht, daß sich Vulkans Gattin Venus gerade mit Mars vergnüge. Velázquez' Interpretation entbehrt nicht des ironischen Untertons. In seinem Gemälde "Bacchus" versetzt Velázquez den jugendlich-schönen Weingott in eine derbe Gegenwart. Zerlumpte, betrunkene Bauern umlagern ihn.

Das Augenzwinkern, das Velázquez seinen mythologischen Bildern abgewann, sucht man in seinen höfischen Porträts vergebens. Philipp IV. zwang ihn in ein Korsett der Konvention und ließ viele andere Bildnisse, die nicht von seiner Hand stammten, übermalen oder vernichten. 1624 malt Velázquez das ganzfigurige Porträt des Königs und als Pendant dasjenige von Olivares. Er entrückt Philipp IV. dem Betrachter. Bläßlich ist das Inkarnat, schwarz die Kleidung. Vornehmheit und eine gewisse Arroganz signalisieren die Gesichtszüge. Nur die Kette mit dem Goldenen Vlies erinnert daran, daß er der König ist. Olivares ist hingegen der Tatmensch, dekoriert mit den Insignien seiner Macht. Seine Gesichtsfarbe ist lebhafter, schwerfällig stützt er sich auf einen Tisch. Diese Charakterisierung hat Velázquez' im Lauf der Jahre aufgebrochen. Philipp IV. ist immer noch distanziert, doch lebhafter und farbiger. Die Askese der ersten Regierungsjahre weicht allmählich dem Prunk der 1640er Jahre, als der Verfall der spanischen Großmacht nicht mehr aufzuhalten war und Olivares gestürzt wurde. Philipp IV. ist nicht länger nur eine Symbolfigur des spanischen Königtums, sondern läßt seine Macht feiern. Velázquez hat einen "Typus" entworfen, der sich der politischen Lage anpaßte. Die Porträtforschung der letzten Jahre hat dieses Phänomen auch bei anderen Herrscherbildern beobachtet und bis in die Antike zurückverfolgt.

Warnke verharrt bei dem frühen Porträt des Königs. Er nennt es einmal "Image", ein anderes Mal "Idealbild". Während der umgangssprachliche Begriff "Image" nicht etwa das Bildnis eines Menschen meint, sondern die Vorstellung anderer über eine Person, drückt das "Idealbild" nur eine Facette des "Typus" aus. Es ist, als ob der Autor seinen Leser mit der Zeitmaschine in die siebziger und achtziger Jahre entführen würde, als die Vorstellung vom Herrscherporträt als "Idealbild" noch wach war. Damals schrieb Warnke seine entscheidenden Bücher: "Peter Paul Rubens" (1977) und vor allem "Hofkünstler" (1985). Es sind Reflexionen zur "Politischen Ikonographie", die der Autor maßgeblich prägte. Die Kunstgeschichte hat sein Instrumentarium aufgegriffen - und weiterentwickelt. Warnke hat es aber nicht verstanden, die neuen Impulse für "Velázquez" zu nutzen. Auch seine Interpretation der "Venus vor dem Spiegel" berücksichtigt nicht Praters erhellenden Beitrag.

Warnke kehrt wieder an den Ausgangspunkt der Forschung zurück und stellt sich die Frage, wie es möglich gewesen sei, daß ein spanischer Maler angesichts der Inquisition einen Frauenakt malte. Die Antwort glaubt er im Geschmack des Hofes gefunden zu haben, der den Rückenakt der Venus als etwas Überraschendes bewundert und als Pendant einer Vorderansicht erkannt habe: "Danach konnte etwa einer Bronzestatue Karls V. die Rüstung abgenommen werden, so daß er als sein eigenes Pendant nackt dastand, oder es konnte eine Hofzwergin nackt und gekleidet dargeboten werden." Das absurd-skurrile Gedankenspiel macht eines deutlich: Velázquez' Erziehungsauftrag war damals schon längst beendet.

Martin Warnke: "Velázquez". Form & Reform. DuMont Verlag, Köln 2005. 175 S., 20 S/W-Abb., 70 Farbtafeln, geb., 39,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Durchaus anfreunden kann sich Andreas Beyer mit der Interpretation des Malers Diego Velazquez, die der Kunsthistoriker Martin Warnke vorgelegt hat. Warnke stelle einen Zusammenhang zwischen der steilen Künstlerkarriere des Sevillaners und der Krise der spanischen Krone her, die unter Philipp IV. ein Reformprogramm aus Sparsamkeit und Luxusverzicht einführte. Die royale Bescheidenheit korrespondiere mit Velazquez' frühen Motiven, die er dem Alltagsleben entnahm, ebenso wie mit der stilistischen Einfachheit, die "lokale Traditionen mit flämischen und italienischen Einflüssen amalgamierte", informiert der Rezensent. Diese Umstände hätten den Aufstieg Velazquez vom Straßenmaler zum Hofmarschall befördert. Warnkes zentrale These ist laut Beyer die Verflechtung von Politik und Kunst, der sich kein vormoderner Maler entziehen konnte. Nicht die "innere Notwendigkeit" habe das Motiv bestimmt, sondern die "anfallenden Bestellungen oder der Tagesbedarf", wie an der motivisch weit auseinander liegenden Produktion abzulesen sei.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Undogmatisch, quellengesättigt, mühelos elegant: Das große Werk des Emeritus Warnke über das Malerleben des Velázquez im 17. Jahrhundert."
DIE ZEIT - Bestenliste

"Warnke ist schon lange ein Apologet künstlerischer Freiheit bei Hofe und hat damit die Geschichte der Kunst in einem ihrer zentralen Bereiche von hinderlichen Ideologemen befreit. Sein Velázquez zieht noch einmal die Summe; in einer Haltung und Sprache, wie sie erst die Unabhängigkeit von akademischer Form freizusetzen vermag: in sprezzatura des Emeritus eben."
DIE ZEIT

"Eine brillante neue Studie (...). In einer dichten, mit kriminalistischer Genauigkeit von den Werken aus argumentierenden Analyse zeigt Warnke, welche Rolle Velázquez (...) zukam. Wobei es unbedingt zu den Vorzügen von Warnkes erstaunlich kompakt geratenem Band gehört, dass er auch fachfremde Velázquezbewunderer nicht verschreckt: Die literarische Art, in der schlaglichtartig Sachverhalte (...) beschrieben werden oder auch der untergründige Humor in der Aufbereitung der ideologischen Volten des frühen 17. Jahrhunderts verhalten sich selbst wie ein Beleg zu der These, dass die Form vom Inhalt bestimmt wird und dass Strenge zugleich leicht aussehen kann."
FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG

"Der Kunsthistoriker Martin Warnke hat in seiner eindringlichen Studie über den spanischen Maler Velázquez dessen Ringen um eine Formensprache am spanischen Hofe untersucht, wo der Phantasie auf der Leinwand Grenzen gesetzt waren."
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Literaturbeilage

"Am Ende dieser detailreichen Hof- und Bilderstudie steht das Bild eines Malers, der die Anforderungen seiner Zeit wie kein zweiter in Porträts übersetzte (...)."
DIE WELT
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