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Botox war gestern. In Jeanette Wintersons schöner neuer Welt lässt man sich genfixieren. Frauen selten über dreißig, Männer oft kurz vor vierzig, und falls man beim eigenen Partner eine Vorliebe für junge Mädchen entdeckt, gibt es die Rückfixierung, notfalls auf zwölf Jahre. Die Ewigkeit ist Gegenwart geworden in Die steinernen Götter, der Traum von unvergänglicher Jugend Realität. Nur der geschundene Planet gibt Anzeichen, dem Jahrtausende währenden Raubbau einer immer rücksichtsloseren Menschheit nicht länger stand zuhalten. Mit hemmungslos verspielter Phantasie und Scharfsinn entwirft…mehr

Produktbeschreibung
Botox war gestern. In Jeanette Wintersons schöner neuer Welt lässt man sich genfixieren. Frauen selten über dreißig, Männer oft kurz vor vierzig, und falls man beim eigenen Partner eine Vorliebe für junge Mädchen entdeckt, gibt es die Rückfixierung, notfalls auf zwölf Jahre. Die Ewigkeit ist Gegenwart geworden in Die steinernen Götter, der Traum von unvergänglicher Jugend Realität. Nur der geschundene Planet gibt Anzeichen, dem Jahrtausende währenden Raubbau einer immer rücksichtsloseren Menschheit nicht länger stand zuhalten. Mit hemmungslos verspielter Phantasie und Scharfsinn entwirft Jeanette Winterson eine nicht allzu fern liegende Zukunftswelt, deren Trostlosigkeit erschreckend ist, doch sie wäre nicht Jeanette Winterson, wenn sie Zerstörung und Leere nicht eine ihrer leidenschaftlichen, idealistischen Heldinnen entgegensetzte. Billie, die sich der Fixierung widersetzt, dem Altern stellt und die alles besiegende Kraft der Liebe entdeckt. Eindringlich erzählt Jeanette Winterson vom Verschwinden der Welt und vom Bleiben der Liebe.
Autorenporträt
Jeanette Winterson wurde 1954 in Lancashire, England geboren. Für ihr literarisches Schaffen wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Whitbread Award und dem E. M. Foster Award der Ame rican Academy for Arts and Letters. Jeanette Winterson lebt als freie Schriftstellerin in London
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jeanette Winterson verwahrt sich gegen die Etikettierung ihres Romans "Die steinernen Götter" als Science-Fiction, doch Thomas Leuchtenmüller argumentiert in seiner Rezension, dass es sich dennoch um einen Science-Fiction-Roman handelt - und zwar um einen nur mäßig gelungenen. Ihr Bemühen, sich der Gattungszuschreibung zu entziehen, offenbare dieselbe "inhaltlich und ästhetisch verwirrende Unentschiedenheit", mit der Winterson in "Die steinernen Götter" versuche, zu viele disparate Elemente unter einen Hut zu bringen. Ausführlich nennt der Rezensent Publikationen der letzten Jahre, die einzelne Aspekte des Romans überzeugender darzustellen vermögen. Nur die etlichen eingestreuten "Oneliners" erinnern ihn an Wintersons außergewöhnliches Formulierungstalent und lassen ihn hoffen, dass sie dafür beim nächsten Mal wieder einen geeigneteren Rahmen finden möge.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2012

Der Zufall ist ein Teil der Gleichung
Leben, um unglücklich zu sein: Jeanette Wintersons Roman "Die steinernen Götter"

Ob es sich um Romane, Erzählungen, Filme, Hörspiele oder Comics handelt - Science-Fiction überzeugt meist dann, wenn sie dreierlei leistet. Erstens müssen die Personen das für uns Neue, das ihre Welt bestimmt, als selbstverständlichen Teil ihres Alltags erachten; es darf nie ausgestellt sein. Zweitens sollte das andere als nur kleine, aber folgenreiche Weiterentwicklung von etwas uns Vertrautem erscheinen. Und drittens möchten wir die Charaktere nicht als moralisierende Thesenträger erleben, mit deren Hilfe der Schriftsteller platt vor einem schrecklichen Morgen warnt. Vor allem weil Jeannette Winterson diese Regeln in ihrem Roman "Die steinernen Götter" zu wenig beherzigt, ist dieser nur bedingt empfehlenswert.

Aber ist es gegenüber der 1954 im britischen Lancashire geborenen, längst mit renommierten Preisen bedachten Autorin fair, wenn man "The Stone Gods", so der Originaltitel von 2007, als Science-Fiction bezeichnet? Ja, weil der Roman sich spekulativ mit eventuell eintretenden Wendungen der Historie beschäftigt. Weil es um Zeitreisen geht, zudem um die Entdeckung und Besiedlung ferner Planeten sowie die Begegnung mit deren partiell fremdartigen Bewohnern. Und weil im Zentrum der vier Kapitel veränderte Existenzbedingungen stehen: in politischer, sozialer, biologischer, ökonomischer und technologischer Hinsicht.

Winterson sagte in einem Interview, sie hasse Science-Fiction - und dementierte dies bald darauf. Dass sie nun auf ihrer Homepage das Etikettieren von Dichtkunst als solches hinterfragt, ist zur Kenntnis zu nehmen. Allein, solch ein Manöver führt zu nichts; vielmehr ist es typisch für die inhaltlich und ästhetisch verwirrende Unentschiedenheit, unter der auch "Die steinernen Götter" leiden.

Der Text will alles sein: die bewegende Liebesgeschichte zweier Frauen - Billie (Homo sapiens) und Spike (Roboter); das Horrorszenario einer teils versinkenden, teils versunkenen Sphäre, in der Menschen, Tiere, Natur geschunden sind und ein globaler Konzern sein autokratisches Unwesen treibt; dazu ein ausgeklügeltes, perspektivenreiches Spiel voller Zitate und Anspielungen - Daniel Defoes Roman "Robinson Crusoe" und James Cooks Logbücher sind bloß die offensichtlichsten Quellen und Bezugspunkte.

Große Literatur bringt derlei elegant unter einen Hut. Mediokre Werke wie "Die steinernen Götter" borgen dagegen ständig bei jüngeren, verwandten Fiktionen, die schlicht besser sind. Wenn es etwa um privilegierte oder ignorierte Wohnareale geht, um skrupellose Kontrollinstanzen und ausgetüftelte Geräte, um radikale Genmanipulationen und angeblich hehre Motive tonangebender Akteure: Dann sollte man gleich ein Original konsultieren, zum Beispiel Margaret Atwoods wunderbare Anti-Utopie "Oryx und Crake".

Welche Vorbilder sind Winterson nahezulegen? Wie stellt man etwa eine verwüstete Erde dar, in der kaum Hoffnung keimt? Nicht durch Anreißen geläufiger Fantasien, sondern durch exaktes Beschreiben vielsagender Details - T. C. Boyle hat dies im Roman "Ein Freund der Erde" (2001) vorgeführt. Wie schildert man den Verlust der Privatsphäre? Nicht durch Erwähnen technischer Finessen, sondern durch Nennen der Auswirkungen von Überwachung und Automatisierung - Hans G. Zeger offeriert dies in seinem Sachbuch "Mensch. Nummer. Datensatz" (2008). Und wie vermittelt man neben den Freuden die Schmerzen einer Liebesbeziehung der Zukunft? Nicht durch hölzerne Dialoge, sondern durch langes Betrachten der Figuren - Benedek Fliegaufs Spielfilm "Womb" (2010) über das Verhältnis zwischen Menschen und Klonen hat dies demonstriert.

Zum Glück hat die Schriftstellerin etliche Oneliners eingestreut - man könnte sonst "Die steinernen Götter" (der Titel bezieht sich unter anderem auf Skulpturen der Osterinsel) getrost ignorieren; hier jedoch erfreut reifer Formulierungsstil. Über das Dasein nach dem "Dritten Weltkrieg" sagt der Erzähler: "Ich habe Glück, lebendig genug zu sein, um unglücklich sein zu können." Die große Dummheit unserer Zivilisation sei offensichtlich: "Wir haben nie akzeptiert, dass der Zufall kein Fehler in der Gleichung ist - er ist Teil der Gleichung." Und alle Geschichten seien wahr. "Es sind immer nur die Fakten, die in die Irre führen."

In einer Welt, deren technische Möglichkeiten sich so rasant entwickeln wie in der unseren, scheint der Raum der Science-Fiction immer kleiner zu werden. Dieser Trend sollte Jeanette Winterson vielleicht motivieren, sich auf Stärken zu besinnen, die ihre Prosa seit 1985, seit "Orangen sind nicht die einzige Frucht", auszeichnen: die sensible Erforschung sexueller Identität, die innovative Entwicklung einer Gefühlssprache, die geschickte Verknüpfung von Sozialkritik und Humor - und dies alles vor eher realistischer Kulisse. In der Beschränkung zeigt sich erst die Meisterin.

THOMAS LEUCHTENMÜLLER

Jeanette Winterson: "Die steinernen Götter". Roman.

Aus dem Englischen von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2011. 270 S., geb., 22,- [Euro].

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