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Chile 1973. Der alte und kranke Pablo Neruda kehrt nach Jahren als Botschafter in seine Heimat zurück. Angesichts des nahenden Todes quält ihn eine tiefsitzende Ungewissheit. Er beauftragt Cayetano Brulé mit Nachforschungen über eine geheimnisvolle Frau. Die Suche nach ihr führt Cayetano von Mexiko nach Kuba, dann in die DDR. Immer wieder scheint sie ihren Namen, ihre Identität gewechselt zu haben Währenddessen spitzt sich die politische Lage in Chile dramatisch zu, Salvador Allende gerät zunehmend unter Druck, und ein Militärputsch wird immer wahrscheinlicher. In seiner Heimat avancierte…mehr

Produktbeschreibung
Chile 1973. Der alte und kranke Pablo Neruda kehrt nach Jahren als Botschafter in seine Heimat zurück. Angesichts des nahenden Todes quält ihn eine tiefsitzende Ungewissheit. Er beauftragt Cayetano Brulé mit Nachforschungen über eine geheimnisvolle Frau. Die Suche nach ihr führt Cayetano von Mexiko nach Kuba, dann in die DDR. Immer wieder scheint sie ihren Namen, ihre Identität gewechselt zu haben Währenddessen spitzt sich die politische Lage in Chile dramatisch zu, Salvador Allende gerät zunehmend unter Druck, und ein Militärputsch wird immer wahrscheinlicher. In seiner Heimat avancierte Cayetano Brulé rasch zur Kultfigur. Der Fall Neruda kündigt an, alle Erfolgserwartungen noch zu übersteigen - und ist schon jetzt das meistgelesene Buch über Pablo Neruda.
Autorenporträt
Roberto Ampuero, geb. 1953 in Valparaíso/Chile, lebt heute in den USA, wo er an der University of Iowa Creative Writing unterrichtet. Er ist einer der erfolgreichsten Autoren Chiles. Sein Werk, in zahlreiche Sprachen übersetzt, wurde mehrfach ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2010

Wie es sein
Genius befahl
Robert Ampuero lässt im Auftrag
des Dichters Pablo Neruda ermitteln
1973, in Chile rüsten Unternehmer und Generäle zum Putsch gegen Salvador Allendes Regierung. In Valparaiso weiß ein heimatloser Exilant aus Kuba nicht recht, was mit ihm geschieht: Die Linken im Land halten ihn für einen „Castro-feindlichen Wurm aus Miami“, die Rechten für einen kommunistischen Agenten, der sich als Flüchtling tarnt. Da lernt er zufällig einen Mann kennen, den alle kennen, nur er nicht, und der, sichtlich leidend an einer schweren Erkrankung, zu ihm Vertrauen fasst und ihn auf eine unmögliche Mission schickt: Der todkranke Dichter Pablo Neruda ist es, der den jungen Exilkubaner ersucht, für ihn einen alten Freund ausfindig zu machen. Angel Bracamonte, den er vor Jahrzehnten zum letzten Mal gesehen hat, soll schon damals die Leute geheilt haben, deren Krebs die anderen Ärzte gar nicht mehr zu behandeln versuchten. So macht sich, während rundum die Lage von Tag zu Tag chaotischer wird, Cayetano Brulé daran, im Auftrag eines Sterbenden einen Toten zu suchen.
Freilich geht es Neruda in Wahrheit nicht um diesen, sondern – um eine Frau. Wie sollte es auch anders sein bei ihm, der den Ruf zu verteidigen hat, der Liebesdichter des Sozialismus zu sein! Mit der Frau des Wunderarztes hatte er es vor Jahrzehnten getrieben, jetzt quält ihn die Hoffnung, sie habe nach dem Ende ihrer Affäre ein Kind geboren, dessen Vater er ist. Da er seine letzten Tage kommen fühlt, möchte er gerne sagen können: Es ist auch mein Kind. Als er noch bei Kräften war, wollte er von Kindern aus Fleisch und Blut nichts wissen: „Ich kann nur Vater meiner Gedichte sein, meiner eigentlichen Kinder.“
Das ist die Ausgangslage im neuen Roman des 1953 geborenen chilenischen Autors Roberto Ampuero, der in ganz Lateinamerika einen ausgezeichneten Ruf genießt, als melancholischer Erzähler, politischer Kolumnist und Verfasser einer Serie von Kriminalromanen, deren Detektiv jener heimatlose Cayetano Brulé ist. Dessen Lebensgeschichte bringt es mit sich, dass Ampuero mit jedem Krimi neuerlich die Geschichte der lateinamerikanischen Linken zur Verhandlung stellen kann, an der er umso mehr zu kritisieren hat, weil er sich ihr zugehörig fühlt.
Der Auftrag, den Cayetano annimmt, wird ihn nach Mexiko führen, nach Kuba, Bolivien und sogar in die DDR. Die Recherche ist spannend erzählt, wie es sich für das Genre gehört, aber spannender ist, wie Ampuero die frühen siebziger Jahre auferstehen lässt, als der Sozialismus sowohl die reale, wenig anziehende Gestalt eines Staatenblocks hatte, als auch eine Verheißung für Millionen war, die sich wider Unfreiheit und Ausbeutung empörten. Auf Kuba – wo Ampuero selbst im Exil war – lässt er seinen Detektiv kuriose Erfahrungen machen, unter anderem die, dass es im „Haus der Schriftsteller“ der vorgebliche Pförtner ist, der bestimmt, wer als Schriftsteller gilt und wer erst gar nicht das Haus betreten darf, um sein ungebührliches Anliegen vorzubringen.
Die DDR, in der Cayetano die Tochter Nerudas in einer Schauspielerin des Berliner Ensembles erkennen zu können glaubt, erscheint ihm als Domäne der Bürokraten, in der die wackersten Sozialisten am schärfsten observiert werden und der oberste Stasi-Beamte, mit dem er es zu tun bekommt, ein jüdischer Schöngeist mit erlesenem literarischen Geschmack ist. Im furiosen Finale findet Cayetano immerhin die verschwundene Frau, die einstige Geliebte des Dichters, eine geheimnisvolle, ja obskure Gestalt. Zum Schlussrapport kann der Detektiv jedoch nicht mehr bei seinem Auftraggeber antreten: Erstens übernehmen die Militärs die Macht im Lande, und zweitens liegt Neruda bereits im Koma.
Dieser erscheint im Roman übrigens weder als der geflügelte Heros der Linken, zu dem er einst verklärt wurde, noch als der opportunistische Schurke, den heute manch Ergrauter in ihm sieht, der vorgestern die Mädchen mit seinen Gedichten zu beeindrucken versuchte. Die Frauen hat Neruda nicht nur besungen, sondern immer auch benutzt, betrogen und verlassen, wie es ihm sein Genius befahl.
Was er zur ersten von ihnen sagte, gab das Maß vor, nach dem er lebte: „Wenn ich bleibe, werde ich nie der Dichter werden, der ich eines Tages sein möchte.“ Ampuero steht dicht bei seinen Figuren, aber so, dass er ihnen zuweilen einen befremdeten Blick von der Seite zuwerfen kann.
KARL-MARKUS GAUSS
ROBERTO AMPUERO: Der Fall Neruda. Cayetano Brulé ermittelt. Roman. Aus dem Spanischen von Carsten Regling. Bloomsbury Verlag, Berlin 2010, 378 Seiten, 22 Euro.
„Wenn ich bleibe,
werde ich nie der Dichter werden,
der ich eines Tages sein möchte.“
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Karl-Markus Gauß hat sich von Roberto Ampueros jüngstem auf Deutsch erschienenen Band um den Detektiv Cayetano Brule in den Bann ziehen lassen. Darin soll Brule - wir befinden uns im Jahr 1973, kurz vor dem Militärputsch gegen Salvador Allende - für den todkranken Pablo Neruda einen alten Freund finden, der ihn heilen könnte; in Wahrheit aber sucht der sterbende Dichter nach dessen Frau, seiner ehemaligen Geliebten. Die Suche nach dem Freund und dessen Frau, die Brule nach Mexiko, Kuba und in die DDR führt, findet der Rezensent ungeheuer fesselnd. Noch faszinierter allerdings ist Gauß von Ampueros Schilderung des real existierenden Sozialismus der frühen 70er Jahre. Und dass der chilenische Autor "dicht bei seinen Figuren" zu bleiben vermag und dennoch kritische Distanz zu wahren versteht - was sich insbesondere an der Figur des Dichters Neruda zeigt, die wahlweise als heroische Gestalt verehrt oder als Opportunist geschmäht worden ist - das lobt der Rezensent besonders.

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