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"Sich damit zu trösten, dass ein Armer größere Chancen hat, in den Himmel zu kommen, als ein Reicher, genügt uns nicht. Wir wollen mit unserem Buch beantworten, wie er schon vorher des paradiesischen Lebens teilhaftig werden kann - nicht mehr, aber auch nicht weniger", so das Credo dieses Werkes. Bernd und Luise Wagner zeigen, wie es geht: kreativ, frech und mit einer Prise zivilem Ungehorsam.
Und so erfährt man wie man sich bei Botschaftsempfängen den Bauch vollschlagen kann und kostengünstig in die Kulturtempel der Hauptstadt kommt, wie man auf seine tägliche Zeitungslektüre nicht
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Produktbeschreibung
"Sich damit zu trösten, dass ein Armer größere Chancen hat, in den Himmel zu kommen, als ein Reicher, genügt uns nicht. Wir wollen mit unserem Buch beantworten, wie er schon vorher des paradiesischen Lebens teilhaftig werden kann - nicht mehr, aber auch nicht weniger", so das Credo dieses Werkes. Bernd und Luise Wagner zeigen, wie es geht: kreativ, frech und mit einer Prise zivilem Ungehorsam.

Und so erfährt man
wie man sich bei Botschaftsempfängen den Bauch vollschlagen kann und kostengünstig in die Kulturtempel der Hauptstadt kommt,
wie man auf seine tägliche Zeitungslektüre nicht verzichten muss,
wie man für wenig Geld gut isst oder sich von der Natur den Tisch decken lässt (mit Lageskizze für Obstbäume, Pilzstellen und Fischgebiete),
wie man dem Berliner Winter entkommt,
wie man sich von Behörden und Arbeitsämtern nicht kleinkriegen lässt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2008

Der Spleen von Berlin

Von Boheme spricht schon lange niemand mehr. Das Wort hat einen unguten Geruch, der ebenso an dem hängenbleibt, der es gebraucht, wie an denen, auf die es gemünzt ist. Es riecht nach Spießermoral und ihrem Gegenteil, der plumpen, als Nonkonformismus getarnten Schnorrerei. Aber vielleicht ist es Zeit, an die Würde zu erinnern, die der Begriff einmal besaß. In Henri Murgers "Szenen aus dem Leben der Boheme", die im selben Jahr wie "Moby Dick" erschienen, bezeichnet er die Verschmelzung von Künstlertum und Armut. Dass Puccini und seine Librettisten Murgers Roman ein halbes Jahrhundert später zur Erfolgsoper verkitschten, steht auf einem anderen Blatt. Heute erinnert man sich an Murger nur noch wegen Puccini. Das sollte sich ändern.

Der Berliner Schriftsteller Bernd Wagner hat gemeinsam mit seiner Tochter Luise ein viel beachtetes Ratgeberbuch geschrieben ("Berlin für Arme". Ein Stadtführer für Lebenskünstler. Eichborn Verlag, Berlin 2008. 144 S., br., 8,95 [Euro]). Das Wort "Boheme" kommt darin nicht vor. Und doch liest man es auf jeder Seite unsichtbar mit. Denn auch bei Wagner geht es um Würde - die Dignität eines Daseins, das von den Segnungen der Wohlstandsgesellschaft ausgeschlossen ist; und den Eigensinn eines Ästheten, der sich seinen Geschmack nicht von seinem Kontostand vorschreiben lassen will.

Das hat etwas Heroisches. Und so führt Wagner seinen Lesern nicht ohne Stolz vor, wie er sich gegen die Arroganz der Sachbearbeiterin im Jobcenter brieflich zur Wehr setzt ("Bevor Sie jetzt wieder den falschen Knopf auf Ihrer Maschine drücken, überlegen Sie einen Moment") und sich dem Modediktat der Unterschichten verweigert ("Überlassen Sie die Arbeitskleidung den Besserverdienenden und kleiden Sie sich nach der Devise ,Nobel geht die Welt zugrunde'"). Auch von Billigschirmen rät er ab: Stilvoller sei es, sich beim Fundbüro ein schönes verlorenes Stück auszusuchen. Und für fast jeden Ratschlag hat er eine passende Reminiszenz. Mal zitiert er den Ungarn Sándor Márai, mal den chinesischen Weisen Lao-tse oder den mittelalterlichen Mystiker Meister Eckhart. Es sind Bildungsfrüchte, mit denen Wagner zeigen will, dass er nicht zu jenen Armen gehört, denen ihr Elend den Geist vernebelt; sein Buch heiße ja nicht "Berlin für Dumme", hat er einen Interviewer beschieden.

Dann aber kommt er zur Sache. "Die Natur deckt uns den Tisch" und "Von Kladow nach Padang Bai" heißen die beiden Kapitel seines Buchs, aus denen vorab am meisten in den Berliner Zeitungen zu lesen war. Es geht darum, wie man das Nahrungsangebot der großstädtischen Brachen und Grünflächen optimal nutzt und wie man auch als Hartz-IV-Empfänger Urlaub auf Bali machen kann. Beides sind vergessene Kulturtechniken - das Entdecken und Pflücken von Bärlauch, Schirmpilzen und Holunderbeeren wie das Reisen mit geringem Budget. Aber Bernd Wagner redet darüber, als dichte er fürs Feuilleton: "Wollen Sie gern Opfer einer Entführung mit kostenloser Beköstigung werden, empfehlen wir den Jemen oder Kolumbien." Die Walderdbeere belohnt ihren Finder "mit zartester Süße", und dem erfolglosen Eis-Angler bleibt das "befriedigende Bewusstsein, in den vergangenen 5 Stunden kein Geld ausgegeben zu haben". Das klingt, als wollte Wagner nicht ganz wahrhaben, was und für wen er da schreibt. Die Armut, die er schildert, soll nach Erdbeeren schmecken, nicht nach Demütigung und Not.

Es liegt eine große Traurigkeit unter der gutgelaunten Ironie dieses Buchs, die Melancholie eines Schriftstellerlebens, dessen Hoffnungen sich nicht erfüllt haben. Wagner, Jahrgang 1948, debütierte in der DDR mit Gedichten und Erzählungen, er war Mitherausgeber der Untergrundzeitschrift "Mikado" und Mitunterzeichner des Protestbriefs gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Nach seiner Ausbürgerung 1985 schrieb er Romane ("Paradies"), die von der Literaturkritik gepriesen wurden. Das Publikum beachtete sie nicht. Vor drei Jahren zwang eine Erkrankung den Autor, der zuvor als Vermessungshelfer gearbeitet hatte, Arbeitslosengeld II zu beantragen. Vor einem Bild, zitiert er Schopenhauer, habe jeder sich hinzustellen "wie vor einen Fürsten, abwartend, ob und was es zu ihm sprechen werde". Wenn man Wagners Buch lange genug lauscht, hört man darin den Gesang einer gekränkten Seele.

Bernd Wagners Ratgeber ist nicht der einzige Versuch, der neuen sozialen Wirklichkeit eine sprachliche Form zu geben. Die Glossen und Geschichten, in denen der Kolumnist und Schriftsteller Uli Hannemann seinen Alltag im Problemkiez von Neukölln beschreibt ("Neulich in Neukölln. Notizen von der Talsohle des Lebens". Ullstein Verlag, Berlin 2008. 184 S., br., 8,- [Euro]), verkaufen sich in Berlin zur Zeit wie warme Semmeln. Doch anders als Hannemann legt Wagner Wert darauf, dem Milieu, das er beschwört, nicht anzugehören. Zwar fotografiert er Straßenmagazinverkäufer, Parkbankschläfer und Blumenhändler, aber ihre Welt ist nicht die seine. Lieber sitzt er wie Murgers Bohèmiens auf einem Balkonplatz in der Oper und lässt sich von Mozart-Arien in den Schlaf wiegen. Sein Buch endet mit einer Anleitung zur Sterbevorsorge: "Setzen Sie sich mit Ihren Lieben zusammen und flechten Sie eine Urne aus den Zweigen des japanischen Schnurbaums." Danach folgt die Literaturliste.

ANDREAS KILB

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.03.2008

Willkommen in der Hauptstadt der Schnorrer
Der Ratgeber „Berlin für Arme” ist kein Buch für wirklich Arme, sondern für Gesinnungsschwaben
Man sieht in Berlin auf jeder Vernissage einen kurzen, dicken Mann mit ausrasiertem Stiernacken und Glubschaugen, der umherstehende Gäste beiseite boxt, um mit erprobter Systematik ans Buffet zu gelangen. Dort angekommen, stopft er sich die Taschen seines ausgebeulten Jacketts voll, schaufelt gleichzeitig Happen in den Mund, trinkt Bier und Wein, so viel es nur geht. Wenn er fertig ist und befriedigt, postiert er sich in einer Ecke des Raumes und blickt grimmig drein. Manchmal spricht er auch mit einem zweiten Mann. Der ist grauhaarig und verhuscht, trägt einen Parka und eine Plastiktüte und erscheint auf derartigen Veranstaltungen eher unregelmäßig. Da stehen sie dann, abseits der Menge, wechseln ein paar Worte, erregt der kleine Dicke, beschwichtigend der schüchterne andere. Sie stehen und warten. Auf den Beginn der nächsten Vernissage, an einem anderen Ort in der Hauptstadt, wo sich das Spiel wiederholt.
Jeder Besucher der Berliner Kunstszene kennt diese Gestalten. Sie sind so etwas wie „Eva und Adele” aus der Gosse, im Anspruch auf Selbstverwirklichung das ganze Gegenteil der künstlichen Glamourgirls: unprätentiös, gnadenlos, brutal. Sie haben sich nicht mühevoll verwandelt, sie sind einfach nur sie selbst. Das ist nicht nur ehrlich, sondern auch viel billiger. Blättert man in dem neuen Buch „Berlin für Arme”, so könnte man zunächst annehmen, die beiden dubiosen Herren hätten damit etwas zu tun. Beim näheren Lesen aber fällt bald auf, dass das gar nicht sein kann. Denn wer arm ist und was auf sich hält, braucht keine Legitimationsstrategie. Der schmale rote Band ist für wahre Lebenskünstler außerdem viel zu skrupulös und politisch korrekt. Schon die Einleitung beschreibt die „Armut als Weg”: zur Selbsterkenntnis, zum Wesentlichen des Lebens. „Reichtum bedeutet Schlaffheit, Überdruss und Langeweile; Armut die Anregung sämtlicher zur Selbstbehauptung notwendiger Lebensgeister.” Wer soll das glauben?
Das Leben im Dauer-Probe-Abo
Richtig ist sicher, dass Armut, vor allem, wenn sie plötzlich über einen Menschen kommt, die Wahrnehmung der Umwelt verändert. Wir nähern uns Mülltonnen, um etwas wegzuwerfen. Dieses Verhältnis kann sich unter bestimmten Umständen wandeln. Dann wird der Kehricht des Einen zum Mittagsmahl des Nächsten. In ihrem Cicerone durch das reiche Armenhaus der Hauptstadt plädieren die Autoren indes dafür, das vermeintliche Scheitern als Chance zu erkennen. Es gelte, stilvoll zu verarmen. Ein Hauch von Schlingensief, eine Prise von Schönburg, einen Schuss digitale Bohème. Das Ganze garniert mit ein paar schlauen Tipps, wo es wann was umsonst gibt, vom Essen über die Kleidung bis hin zum Kulturerlebnis.
Das ist „Berlin für Arme”. Mehr nicht. Bei der Lektüre des süffisant geschriebenen Texts fühlt man sich unweigerlich an die Erzählhaltung der neunziger Jahre erinnert. Es schwelt ein leicht blasierter Unterton, der jeden Sachverhalt, jede Beobachtung ins Reich der Ironie zerrt. Dennoch gibt es einige schöne Sätze, die das Zeug zum Aphorismus haben. Zwei Kostproben: „Man kann sich durch Überschwemmungen ruinieren, falls man nicht versichert ist, oder durch Versicherungen, wenn die Überschwemmungen ausbleiben.” Wunderbar! Oder: „Der Genuss warmer Speisen setzt ihre Zubereitung voraus.” Das gilt wohl auch für kalte Speisen, nimmt der Formulierung aber keineswegs die Schlagkraft.
Für wirklich arme Menschen ist „Berlin für Arme” jedoch keine relevante Neuerscheinung. Jenen Dauerbiertrinkern, die sich darauf verlegt haben, Straßenecken in sogenannte soziale Brennpunkte zu verwandeln, dürfte der lakonische Witz des Textes sehr egal sein. Er entspricht einfach nicht ihrem Lebenskonzept. Das Buch ist viel eher eine Gebrauchsanweisung für Gesinnungsschwaben. Und solche haben sich schon immer reichlich in der billigen Kapitale eingefunden und wohlgefühlt, vor allem in jenen wundersamen Jahren, da Berlin geteilt und seine Westhälfte von der Hauptstadt noch weit entfernt war.
Korrekterweise müsste der Band also „Berlin für Schnorrer” heißen. Diese Titelkorrektur sollte bei einer Neuauflage genau so berücksichtigt werden wie einige essentielle Ergänzungen. Die robustesten Plastiktüten von Berlin gibt es nicht bei der Supermarktkette „Reichelt”, sondern selbstverständlich in der Staatsbibliothek. Der Journalistenausweis wird erst auf Seite 54 erwähnt, weit in der zweiten Texthälfte. Das ist erheblich zu spät, da dieses Instrument das universelle Sesam-öffne-Dich ins Knauserparadies bedeutet. Es fehlt zudem der Hinweis auf einen Lesekniff, den beinahe jede Hauptstadt-WG beherzigt: durch die Probeabonnements, die es von beinahe sämtlichen Zeitungen gibt, lässt es sich leicht einrichten, dass man über das Jahr verteilt jeden Morgen mit aktueller Lektüre versorgt wird. Außerdem: Mit der Bahn kann man ziemlich komfortabel reisen, indem man auf die Frage des Schaffners „Noch jemand zugestiegen?” einfach nicht reagiert.
Bei diesen wohlfeilen Zusätzen versteht sich die Pointe fast von selbst. Denn natürlich sind die knapp neun Euro, die das Buch kosten soll, für den wahren Lebenskünstler eine unnötige Investition. Entweder man setzt sich in die Leseecke einer Buchhandelskette und schreibt, bewaffnet mit Stift und Zettel, die schönsten, bisher unbekannten Ideen einfach ab. Oder man macht es wie der Rezensent und besorgt sich ein Freiexemplar. CHRISTIAN WELZBACHER
BERND WAGNER, LUISE WAGNER: Berlin für Arme. Ein Stadtführer für Lebenskünstler. Eichborn Berlin, Berlin 2008. 143 Seiten. 8,95 Euro.
Entschuldigung, wo geht es denn hier zum nächsten Gratis-Buffet? An der Spree muss man sich zu helfen wissen. Foto: Regina Schmeken
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen zwiespältigen Eindruck hat Bernd und Luise Wagners "Berlin für Arme" bei Christian Welzbacher hinterlassen. Ein Buch für "wirklich" Arme sieht er darin nicht, eher einen Ratgeber "Gesinnungsschwaben", weshalb ihm der Titel "Berlin für Schnorrer" auch zutreffender schiene. Das Ganze kommt ihm ein wenig vor wie ein Mix aus Schlingensief, von Schönburg und digitaler Boheme, versehen mit Tipps, wie, wo und wann man in Berlin was - Essen, Kleidung, Kultur - umsonst kriegt. Er attestiert dem Text, eine ironisierenden, süffisanten Tonfall, der ihn an die Erzählhaltung der neunziger Jahre erinnert. Andererseits findet er immer wieder wunderbare Sätze, die ihn fast aphoristisch anmuten.

© Perlentaucher Medien GmbH