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"Eine Sprache, die die Menschen nicht von oben herab, sondern von innen heraus beschreibt." Martin Lüdke, Die Zeit "Am Schluss ist dem Herrgott die Schöpfung etwas aus der Hand geglitten", dachte Lotta, als sie die Schnabeltassen durch das Pflegeheim trug.
Eher durch Zufall gerät Lotta, Mitte zwanzig, als Stationshelferin in ein Pflegeheim. Dort sorgt sie mit ihren Kollegen für alte Menschen, die zu krank oder zu verwirrt sind, um diesen Ort jemals aus eigener Kraft wieder zu verlassen. Der Tod ist allgegenwärtig und spaziert so zufällig über die Station, als müsste er sich überlegen, wen…mehr

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Produktbeschreibung
"Eine Sprache, die die Menschen nicht von oben herab, sondern von innen heraus beschreibt." Martin Lüdke, Die Zeit "Am Schluss ist dem Herrgott die Schöpfung etwas aus der Hand geglitten", dachte Lotta, als sie die Schnabeltassen durch das Pflegeheim trug.

Eher durch Zufall gerät Lotta, Mitte zwanzig, als Stationshelferin in ein Pflegeheim. Dort sorgt sie mit ihren Kollegen für alte Menschen, die zu krank oder zu verwirrt sind, um diesen Ort jemals aus eigener Kraft wieder zu verlassen. Der Tod ist allgegenwärtig und spaziert so zufällig über die Station, als müsste er sich überlegen, wen er diesmal mitnimmt.

Annegret Held gelingt das Unglaubliche: ein höchst lebendiges Buch über das Leben und Sterben mitten unter uns, und ein leidenschaftliches Plädoyer für eine barmherzigere Sicht der Dinge, die alle Komik, alle Weisheit und allen Trost umschließt. Mit mitreißender Sprachkraft und voller Sympathie für ihre Figuren schildert sie die raue Wirklichkeit dieses vergessenen Ortes und nennt das Liebenswürdige und das Problematische, das Harmlose und das Bedrohliche beim Namen.
Autorenporträt
Annegret Held, geb. 1962 in Pottum im Westerwald, besuchte die Polizeischule in Wiesbaden. Darauf folgten drei Jahre Streifendienst in Darmstadt. Sie studierte Ethnologie und Kunstgeschichte in Heidelberg. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin mit ihrer Tochter in Frankfurt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2005

Idyllische Misere
Die Autorin Annegret Held und ihr Roman über ein Pflegeheim

Früher war Jewgeni Schiwrin Ingenieur. Damals hat er Tunnel für die Transsibirische Eisenbahn gebaut. Heute liegt er im Pflegeheim - ein abgemagerter Mann mit einem Tumor im Kopf, der seine Nase tief im Sofa vergräbt und sich doch noch ein wenig freut, wenn Pflegerin Nadjeschda ihn auf ihre ruppige Art aufheitert. In ihren Händen stirbt er schließlich auch, genau in dem Moment, als sie ihm den Rücken einseift.

Es gab ihn tatsächlich, diesen Schiwrin, wenn auch sein Name anders lautete, und er ist wirklich auf eine solch gnädige Weise gestorben - geborgen wie ein Baby, während er gewaschen wurde. Eine Szene, die Annegret Held in ihrem Herzen trug und die sie schließlich inspirierte, ihren gerade bei Eichborn erschienenen Roman "Die letzten Dinge" zu schreiben, der von einem Pflegeheim und seinen Insassen handelt. Einblicke hat Annegret Held genug, denn sie arbeitete bis vorigen Sommer selbst zwei Jahre lang als Pflegerin in einem Seniorenheim - irgendwo im Rhein-Main-Gebiet.

Und deshalb verschont sie ihre Leser auch nicht mit unangenehmen Details. Sie erfahren, wie ein Katheter gelegt wird und wie die eingefallenen Körper der Alten aussehen, die von den Pflegern so sorgfältig eingecremt werden. Sie werden mit Herrn Wickerts faulenden Beinen konfrontiert oder mit dem langsamen Sterben von Frau Wissmar, mit Herrn Kurtackers Wutanfällen und Frau Eisbrenners Wunden, weil sie immer wieder aus ihrem Bett auf den Kopf stürzt. Und natürlich geht es um die Misere in der Pflege, denn alle auf der Station leiden - wie auch anders - unter Zeitnot und Überbelastung, das System droht jederzeit zu kollabieren. Nur "satt und sauber" müssen die Pfleger ihre Alten daher halten, zu mehr reicht es so gut wie nie. Händchen am Bett halten ist nicht möglich, selbst wenn einer noch so darum bettelt, selbst wenn er im Sterben liegt.

Daß man von dem Elend hören möchte, liegt daran, daß Annegret Helds Roman trotz allem heiter und unterhaltsam und stellenweise sehr komisch ist, was auf ihrer Fähigkeit beruht, die Figuren überaus plastisch und mit Sympathie zu beschreiben - in unbefangenem Ton. Mit ihren geduldigen und selbstlosen Helfern wird die Station dabei zu einem geradezu idyllischen Ort der Solidarität, an dem man einander beisteht und für den verrückten Kurtacker schon mal heimlich eine Prostituierte ins Heim schleust. Oder die Gebisse wieder austeilt, die das alte Sotzbacher Mädchen in seiner Handtasche gesammelt hat. Einige negative Erfahrungen habe sie allerdings bewußt ausgespart, gibt Held zu - wohl, um das Thema erträglich zu machen: Denn sie habe sich nicht vorstellen können, wie "würdelos und schlimm" es in vielen Altenheimen mitunter zugehe, erzählt die Autorin. Gleichwohl habe sie sehr gerne gepflegt. Und auch viel gelacht.

Nicht zum ersten Mal verarbeitet die 1962 im Westerwald geborene Schriftstellerin, was sie zuvor im Berufsleben beobachtet hat. Und das war eine ganze Menge, denn sie habe sich stets "mit Wollust ins Leben gestürzt", berichtet sie: "Ich habe in einer atemberaubenden Kombination aus Geldnot und leidenschaftlichem Interesse in allen möglichen Jobs gearbeitet." Nach dem Abitur absolvierte sie ein freiwilliges soziales Jahr in der Lebenshilfe, später fuhr sie als Polizei-Hauptwachtmeisterin in Darmstadt und Frankfurt Streife - woraus etwa das Tagebuch "Meine Nachtgedanken" entstand.

Ihr Debütroman "Die Baumfresserin" (1999), an dem Robert Gernhardt der "liebevolle Realismus" gefiel, zog seine Informationen wohl aus ihrem Job in einer Kistenfabrik. Nach einigen Semestern Ethnologie und Kunstgeschichte arbeitete sie außerdem bei einem Anwalt, als Buchhändlerin und später in diversen Pflegeberufen. "Nahezu jeder Roman - außer ,Hesters Traum' - entspringt eigener Erfahrung", sagt Held.

Schon als Jugendliche wollte sie soviel wie möglich erleben, um darüber schreiben zu können. Ihr Hauptaugenmerk gilt dabei den sozialen Randgruppen, für deren Angehörige sie Verständnis und Mitgefühl aufbringt. Sich in einem neuen Beruf oder einer Gruppe frei zu bewegen werde allerdings von Buch zu Buch schwieriger, vermutet die Autorin: "Ich werde bestimmt erkannt." Gerade plant sie, gemeinsam mit Heimleiter Manfred Röser ein Sachbuch über dessen Seniorenzentrum Altes Brauhaus in Koblenz zu schreiben - als ein Beispiel dafür, wie man es besser machen kann. Denn Veränderungen seien dringend nötig, sagt Held: "Da muß ganz schnell etwas passieren. Das ist unser aller Zukunft."

KATHARINA DESCHKA-HOECK

Annegret Held liest am 15. September um 20 Uhr, begleitet von Frank Wolff, in der Frankfurter Stalburg und am 22. Oktober im Lesezelt der Frankfurter Buchmesse.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

"Die letzten Dinge" befinden sich im Altenheim, auf einer Pflegestation, die die Autorin wundersamerweise, so Petra Kohse, nicht als Endstation begreife und beschreibe, sondern als Lebensraum. Trotz des traurigen Ambientes bewahre Held einen leichten, hellen Ton, hebt Kohse hervor, und erzähle ihre Geschichte aus wechselnden Perspektiven ganz unsentimental. Held "schleicht" sich sozusagen an die Figuren heran, fängt deren individuellen Jargon ein, meint die Rezensentin, belauscht die Bewohner des Heims und das Pflegepersonal, drei Altenpflegerinnen, die im Mittelpunkt des Romans stehen und die Welt der Alten beschreiben und zu verstehen versuchen. Das Ende hebe "in ironischer Zuspitzung" auf ein Happy End in Seifenoper-Manier ab, das den "Echtweltgehalt" aber in keinster Weise mindert. Für die Rezensentin ein Unterhaltungsroman bester Güte.

© Perlentaucher Medien GmbH