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Mit Karen Duve, Georg Kleine, Julia Franck, Tanja Langer, Christoph Peters, Katrin Röggla, Steffen Kopetzki, Marcus Braun, Kathrin Schmidt und vielen anderen hat sich in den letzten Jahren eine neue Generation in die Öffentlichkeit geschrieben, selbstbewusst, respektlos und intelligent. Die Creme der jungen deutschen Literatur hat für Bitte streicheln Sie hier... erotische Geschichten geliefert. Ob Karen Duve einen universitären Hörsaal in einen Sklavenmarkt in Tanger verwandelt, bei Georg Klein Mizzis Zunge untergründige Verwirrung auslöst oder Julia Franck einen höchst vieldeutigen…mehr

Produktbeschreibung
Mit Karen Duve, Georg Kleine, Julia Franck, Tanja Langer, Christoph Peters, Katrin Röggla, Steffen Kopetzki, Marcus Braun, Kathrin Schmidt und vielen anderen hat sich in den letzten Jahren eine neue Generation in die Öffentlichkeit geschrieben, selbstbewusst, respektlos und intelligent.
Die Creme der jungen deutschen Literatur hat für Bitte streicheln Sie hier... erotische Geschichten geliefert. Ob Karen Duve einen universitären Hörsaal in einen Sklavenmarkt in Tanger verwandelt, bei Georg Klein Mizzis Zunge untergründige Verwirrung auslöst oder Julia Franck einen höchst vieldeutigen Bewerbungsbrief auf die Post befördert - diese Geschichten loten das Genre aus, sind sinnlich und haben dennoch doppelten Boden.
Autorenporträt
Susann Rehlein, geboren 1971 in Leipzig, lebte in Heidelberg und Moskau. Seit 1994 als Journalistin und freie Lektorin in Berlin. Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der weibliche Unterleib auf dem Schutzumschlag sowie der "wunderbar zarte" Name der Herausgeberin Susanne Rehlein haben Rezensentin Kristina Maidt-Zinke mehr Eindruck gemacht, als die ganze erotische Anthologie. Mit ironischem Unterton ist deshalb wohl immer nur von "Frau Rehlein" die Rede, während die einzelnen Autoren korrekt mit Vor- und Nachnamen genannt sind. Der "Leseeffekt" der meisten Texte ist für die Rezensentin "entschieden anti-erotisch" und mit milder Häme präsentiert sie uns ein paar verbalerotische Kostproben der "sogenannten Grass-Enkel-Generation". Soll heißen: was das Orten von Geschmacksgrenzen und Gürtellinien betrifft, haben die Autoren und Autorinnen wohl das ein oder andere Orientierungsproblem. Ja, und wer Texte "mit echtem Erregungswert" suche, würde doch eher bei den Urgroßvätern als bei den Enkeln fündig.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2000

Nase im Nabel
Junge deutsche Erotik · Von Kristina Maidt-Zinke

Auf dem Schutzumschlag lockt ein edel fotografierter weiblicher Unterleib, dessen Feigenblattzone von schlanker Hand so züchtig wie verheißungsvoll bedeckt wird, während die Titelzeile "Bitte streicheln Sie hier!" den Nabel kokett umkurvt. Verführerisch verpackt sind sie allemal, die erotischen Geschichten von zweiundzwanzig Autoren der so genannten Grass-Enkel-Generation, die sich eigens für diese Anthologie in einem Genre versucht haben, das laut Klappentext und sowieso "ganz gewiss kein charakteristisch deutsches ist".

Zur kulturellen Hypothek gesellt sich die biografische: Fast alle Teilnehmer des Experiments haben ihre Pubertät nach der sexuellen Revolution erlebt; etliche wurden erst nach der großen Befreiung gezeugt, vor der sich, wie selbst die Wegbereiter später wehmütig einräumten, Gott Eros erschreckt in die Wälder zurückzog. Ist er doch, so belehrt uns die Herausgeberin, die auf den wunderbar zarten Namen Susann Rehlein hört, "nicht Gott von Brunft und Fortpflanzung. Geschlechtsverkehr könnte ihn umbringen."

Das immerhin scheinen die nachgeborenen Wort-Erotiker sich hinter die Ohren oder sonstige Körperteile geschrieben zu haben: Der nackte Akt bleibt in ihren Erzählungen Mangelware. Dafür haben sie die Aufgabe sehr ernst genommen. "Erotik zu buchstabieren", die Grenzen des Begriffs auszuloten, was vermutlich ein charakteristisch deutscher Ansatz ist. Sie tun es nach den Regeln des Zeitgeistes, der vor allem Ironie verlangt, das parodistische Spiel mit bekannten Mustern und den karikierenden Umgang mit Konventionen, ein kühles Interesse an körperlichen Vorgängen und das demonstrativ abgebrühte Wissen um die "Permanenz von Lust und Frust". Gelöste Sinnlichkeit, unbeschwert ausschweifende Genussfreude ist dieser denkfleißigen Schriftstellergeneration nicht gegeben; sie kompensiert den Mangel durch verblüffenden Einfallsreichtum im Hinblick darauf, welche Art von Text als "erotisch" durchgehen oder gar jene erotisierende Wirkung ausstrahlen kann, die uns Frau Rehlein im Vorwort verspricht.

So ziehen die ersten vier Geschichten den Leser in "Hirn-Passionen" hinein, die zwar originell, aber nicht unbedingt appetitanregend sind: Bei Karen Duve verwandelt sich ein reichlich verklemmter Student in seinen Tagträumen in den "größten und niederträchtigsten Sklavenhändler Tangers", bei Kathrin Schmidt wird ein deutsch-russisches Liebespaar durch widerwärtige Anhäufungen von roher Schweineleber zusammengeführt; Silke Andrea Schuemmer lässt eine Braut zwischen krepierenden Pferden und einem insektenquälenden Vater über die bevorstehende Vermählung meditieren, und John von Düffel schwelgt ausgiebig in Jugenderinnerungen an die "fleischthekenhafte Üppigkeit" und den "Bierschinkengeruch" der familieneigenen Köchin.

Da kommt Tanja Langers Titelerzählung, die tragikomisch und wollüstig die Liebeswallungen eines alternden Bibliothekars schildert, der Rehlein'schen Definition schon viel näher, nach der Erotik "das spielerische Übertreiben und Steigern einer Hoffnung" sein soll. Kerstin Hensels Heldin geht zwischen Lieberose, Blasdorf und dem Spitzberg auf Pilzsuche, findet "Wulstlinge, Dickstielritterlinge und die sonderbaren Drüslinge" und treibt darauf noch mit einem polnischen Waldschrat handfeste mykologische Studien: Das ist ein wenig manieriert, aber amüsant.

Christoph Peters zelebriert im Supermarkt, "bei den Feigen, den Litschis, den Kumquats", die klassische, leicht schwüle Männerfantasie, die sich an der Rückenansicht einer jungen Türkin entzündet, an ihrem "Scheherezade-Haar" und ihrem "Araber-Hintern". Nach dieser Überdosis an Koriander, Safran und Wüstenglut mutet Kathrin Rögglas schnoddrig-coole "Bettgeschichte" in Grautönen trostlos oder auch erfrischend an, je nach erotischer Disposition. Offen bleibt die Frage, was unter einer "90er-Jahre-Erektion" zu verstehen sei, aber die durchgehende Kleinschreibung spricht für sich.

Ins Monströse tendiert Anne Webers "Sexualsubjekt" mit dem Namen Ida, am ganzen Körper behaart, mit Schwimmfüßen und Walbauch ausgestattet sowie mit einer Libido, die für Milliarden von Beischläfern reicht: Der Leseeffekt ist aber entschieden anti-erotisch, und das lässt sich auch von den Schokoladenexzessen und den Geruchserkundungen des Alterssex-Spezialisten Arne Roß sagen. Marcus Jensen steuert zwei semipornografische Miniaturen bei, verliert dabei jedoch im unkontrollierten Alliterationsrausch ("die Zunge ziehts von den Zitzen tiefer runter, schon ist die Nase im Nabel") und auf dem "drei, vier Meter" langen Bauch seiner Geliebten die Orientierung.

Dass Erotik und Entsagung mit demselben Buchstaben anfangen, machen uns die Protagonisten bei Marcus Braun und Arno Geiger mehr als plausibel. Der Erste verpatzt einen Biergartenflirt, weil ihn im entscheidenden Moment die Frage beschäftigt, ob Kellerasseln mit Gürteltieren verwandt sind, der Zweite "sitzt zu Hause am Küchentisch und leidet darunter, dass er seiner Lebensgefährtin, die seit über sechs Wochen in den Vereinigten Staaten ist, wieder einmal schreiben sollte". Das ist für eine erotische Geschichte ein denkbar ungeschickter Einstieg, und genauso verhält sich der Held, als er jäh mit einem entblößten Damenpopo konfrontiert wird. Der skrupulöse Gedankenstrom, den die Begegnung auslöst, erklärt erschöpfend, warum der deutsche Mann nicht selten als "sein eigener Konkursverwalter in Geschlechterfragen" auftritt.

Stephan Krawczyk, einer der Senioren in dieser west-östlichen Sammlung, legt dann noch eins drauf: Er kann mit seiner Herzdame nach dem Karnickelbraten "keine Kurve kriegen", weil er "erst gestern ein Buch über Konzentrationslager ausgelesen" hat. Auch in Geschmacksfragen, so scheint es, besteht akute Konkursgefahr.

Georg Klein, 1953 geboren und damit der älteste unter den neuen erotischen Literaten, zeigt sich insofern auf der Höhe der Zeit, als er seinen Beitrag in dem Milieu spielen lässt, das bei Frau Rehlein schick "mediatisierte Lebenswelt" heißt: unter Programmierern. Lustgefühle kommen dort erwartungsgemäß nicht auf, eher schon unter den Liegewagenschaffnern, die der mehr als zwanzig Jahre jüngere, doch offenbar weit gereiste Steffen Kopetzky uns als "Onans zuckende Wiedergänger" vorstellt.

Frank Jakubzik erforscht in seiner keuschen Anbetungsgeschichte "Vor Martas Haus" die erotischen Dimensionen des Winters, und Julia Franck setzt im Monolog einer einsamen Toilettenfrau auf die Erotik des Ekels, falls es so etwas gibt. Die Erotik des Rätsels darf man bei Alex Capus suchen, der nicht verraten will, warum der Ex-Matrose Johnny den verführerischen Künsten des Mädchens Laura so eisern widersteht, oder bei Olaf Müller, der auf einem sinistren "Kongress zum Ewigen Leben" undurchdringliche Wände zwischen den Geschlechtern aufrichtet.

Bleiben zwei kleine Dialogszenen von Jens Nielsen und Aglaja Veteranyi, die an Ronald D. Laings Psycho-Dramolette aus den Siebzigern erinnern. Da ist dann auch jeweils Loriot nicht weit. Dessen These, dass Männer und Frauen einfach nicht zusammenpassen, hat diese Autorengeneration längst verinnerlicht, wie man seinerzeit zu sagen pflegte. Das aber hebt einen Großteil der Spannung auf, aus der sich Erotik als "Denken einer Möglichkeit" (Frau Rehlein) speist. Gleichgeschlechtliches kommt, das ist merkwürdig genug, nicht vor. Und wer Texte mit echtem "Erregungswert" sucht, wird immer noch eher bei den Urgroßvätern als bei den Enkeln fündig werden.

Susann Rehlein (Hrsg.): "Bitte streicheln Sie hier!" 22 erotische Geschichten. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2000. 192 S., geb., 29,80 DM.

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