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Nach dem Umbruch in der DDR und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten kam es Anfang der neunziger Jahre in ganz Deutschland zu einem deutlichen Anstieg von Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund. Die Ausschreitungen von Hoyerswerda im Herbst 1991 zeigten eine neue Dimension von Fremdenfeindlichkeit und Gewalttätigkeit. In aller Öffent lichkeit, unter Anwesenheit der Polizei und von Beifallsbekundungen der Anwohner begleitet, griffen jugendliche Gewalttäter Asylbewerber und ehe malige Vertragsarbeiter an. Hatte es während der Nachkriegszeit durchgängig rechtsextreme…mehr

Produktbeschreibung
Nach dem Umbruch in der DDR und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten kam es Anfang der neunziger Jahre in ganz Deutschland zu einem deutlichen Anstieg von Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund. Die Ausschreitungen von Hoyerswerda im Herbst 1991 zeigten eine neue Dimension von Fremdenfeindlichkeit und Gewalttätigkeit. In aller Öffent lichkeit, unter Anwesenheit der Polizei und von Beifallsbekundungen der Anwohner begleitet, griffen jugendliche Gewalttäter Asylbewerber und ehe malige Vertragsarbeiter an. Hatte es während der Nachkriegszeit durchgängig rechtsextreme Erscheinungen wie Organisationen und Parteien in einem ab gegrenzten rechtsextremen Lager sowie relativ konstante Einstellungsdispo sitionen in der Bevölkerung gegeben, so war das Ausmaß und die Brutalität der Gewalt gegen Fremde, vor allem aber deren Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung, ein neues Phänomen, das das politische System besonders her ausforderte. Damit stellt sich die Frage, wie die maßgeblichen politischen Kräfte und Institutionen auf diese Erscheinungen reagierten, die im In- und Ausland Anlaß zu Empörung und Kritik waren.
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Autorenporträt
Die Untersuchung geht der Frage nach, wie die Vertreter der beiden großen Volksparteien und der Bundesregierung die fremdenfeindlichen Gewaltausschreitungen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre in den Bundestagsdebatten der 12. Legislaturperiode thematisieren.
Mit einer vergleichenden Diskursanalyse werden die Argumentationsmuster der CDU/CSU und SPD sowie die institutionellen Mechanismen der parlamentarischen Themenbearbeitung rekonstruiert.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß eine an parteipolitischen Interessen orientierte, selektive und unterkomplexe Thematisierung für die parlamentarische Bearbeitung des Rechtsextremismus charakteristisch ist.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.02.2001

Die anderen sind schuld
CDU/CSU und SPD instrumentalisieren den Rechtsradikalismus im Kampf gegen den politischen Gegner
HEINZ LYNEN VON BERG: Politische Mitte und Rechtsextremismus. Diskurse zu fremdenfeindlicher Gewalt im 12. Deutschen Bundestag (1990-1994), Verlag Leske + Budrich, Opladen 2000. 328 Seiten, 64 Mark.
Über die Herausforderung durch den Rechtsextremismus debattieren die demokratischen Parteien nicht erst seit dem Sommer 2000. Das explosionsartige Ansteigen rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten von 309 Delikten im Jahr 1990 auf 1 492 Taten 1991 warf schon dunkle Schatten auf das Vereinigungsglück der Deutschen. 1992 stieg die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten auf den damaligen historischen Höchststand von 2 639 Delikten an – fast das Neunfache der Delikte des Jahres 1990 und mehr als das Dreißigfache der Zahl von 1982.
Der Politikwissenschaftler Heinz Lynen von Berg untersucht, wie sich vor diesem Hintergrund die Bundestagsabgeordneten von SPD und CDU/CDU zwischen 1990 bis 1994 mit dem Rechtsextremismus auseinander setzten. Der Autor sieht die politische Vorstellungswelt der Bürger dabei wesentlich durch die Bundestagsdebatten modelliert. Darüber lässt sich streiten. Der Auftritt eines Guido Westerwelle im „Big-Brother”-Container erreicht jedenfalls mehr Bürger als alle „Phoenix”-Übertragungen aus den heiligen Hallen der deutschen Demokratie. Zumindest spiegeln die Parlamentsdebatten aber die wesentlichen politischen Positionen zu einer Thematik wider, die innerhalb und außerhalb des Bundestags aufeinander treffen.
Präzise meißelt Lynen von Berg die zentralen Argumente aus der Fülle des Materials heraus und vergleicht systematisch die politischen Profile der Abgeordneten von CDU/CSU und SPD. CDU/CSU wie SPD instrumentalisierten das brisante Thema parteipolitisch und versuchten, den politischen Gegner für das Aufkommen des Rechtsextremismus verantwortlich zu machen. So behauptete die CDU/CSU, eine Neuregelung des Asylrechts führe zu einem Abflauen fremdenfeindlicher Gewalttaten. Die SPD verhindere dies aber durch ihre Blockadehaltung. Den CDU/CSU-Abgeordneten wird dabei vom Autoren eine „Relativierung” des deutschen Rechtsextremismus unterstellt, weil sie darauf verwiesen, dass ähnliche Erscheinungen auch in anderen Ländern existierten und die Mehrheit der Deutschen nicht fremdenfeindlich seien. Dieser Vorwurf ist allerdings ungerecht, weil diese Aussagen sachlich zutreffen – und Lynen von Berg dies auch nicht bestreitet.
Auch die SPD bekommt den Vorwurf der „Relativierung” zu hören. Im Unterschied zu den CDU/CSU-Abgeordneten verharmlosten Sozialdemokraten den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden durch die Beschwörung von Parallelen mit fremdenfeindlichen Straftaten. Der „Moral- und Betroffenheitsdiskurs” der SPD sei gleichermaßen Ausdruck der politisch-moralischen Grundorientierung wie Waffe im Machtkampf gegen die Unionparteien.
Negativ stößt Lynen von Berg bei den Unionsparteien wie der SPD das Buhlen um das Potenzial rechtsextremer Protestwähler auf. Nun dürfen Demokraten sich um keinen Preis an rechtsextremistische Positionen anbiedern. Warum sollten sie aber nicht bei politisch Unzufriedenen für ihre Lösungen auf dem Feld der Asylpolitik wie der Inneren Sicherheit werben? Rechtsextremismus ist schließlich kein genetischer Defekt und keineswegs jeder, der einmal sein Kreuz bei einer rechtsextremistischen Partei machte, ist unbelehrbar.
Lynen von Berg bezichtigt die Parlamentarier von CDU/CSU und SPD der Verstärkung von fremdenfeindlichen Vorurteilen. Dieses harte (Vor-)Urteil wird durch seine Untersuchung jedoch nicht gedeckt. Auch wenn sich weder CDU/CSU noch SPD diesen Schuh anziehen müssen, so stellt ihnen ihre Neigung zur Instrumentalisierung des Rechtsextremismus in der politischen Auseinandersetzung kein gutes Zeugnis aus. Machen sie das heute besser als damals?
STEFFEN KAILITZ
Der Rezensent ist Politikwissenschaftler an der TU Chemnitz.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Steffen Kalitz lobt den Band für die Präzision, mit der der Autor die Argumente von CDU/CSU und SPD zum Rechtsextremismus aus Bundestagsdebatten der frühen neunziger Jahre herausschält. Den Analysen Lynen von Bergs mag er allerdings nicht immer folgen, denn wenn die CDU zum Beispiel behaupte, dass es Rechtsextremismus auch anderswo gebe, so sei das nicht als eine "Relativierung" des Problems aufzufassen. Schließlich entspreche diese Aussage der Realität. Auch die von Lynen von Berg behauptete Anbiederung der Volksparteien an eine rechtsextreme Wählerschaft mag Kalitz nicht erkennen. Triftiger findet der Rezensent da schon den Vorwurf der gegenseitigen Instrumentalisierung des Themas für parteipolitische Zwecke.

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