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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2011

Naturalwirtschaft

Wer einen Ratgeber schreibt, sucht sich mitunter eine prominente Figur, die Pate steht für die Ratschläge. Dolly Freed hat für ihre "Faultiermethode" Diogenes gewählt. Immer wieder greift die Amerikanerin auf den griechischen Philosophen in der Tonne zurück, wenn sie ihren Lesern erklärt, wie man mit wenig bis gar keinem Geld auskommt. Denn das ist der Kern der "Faultiermethode": Arbeite möglichst nicht, und lebe trotzdem glücklich mitten in der wenig sinnstiftenden kapitalistischen Geldwirtschaft. Wasser, Nahrung, ein Dach über dem Kopf - mehr braucht die Autorin nicht, um zufrieden zu sein. Sie und ihr Vater züchten in ihrem Eigenheim Kaninchen und Hühner, angeln in öffentlichen Gewässern Barsche und Welse, pflanzen in ihrem Garten Getreide an - und für Dinge, die es doch nur gegen Geld gibt, verrichten sie kleine Dienste für die Nachbarn. Freeds Ratgeber ist mal Rezeptsammlung (Kaninchenwurst, Schildkrötensuppe, Löwenzahnwein), mal Bauanleitung (Destillierapparat), und immer ist er ein Aufruf zur Konsumverweigerung. Ende der siebziger Jahre hatte die Autorin das Buch geschrieben, in der nun auf Deutsch erschienenen Neuauflage hält sie fest, dass die Prinzipien seitdem nichts an Gültigkeit eingebüßt hätten. Nietzsches Empfehlung, mit "dem Hammer zu philosophieren und die Götzen auszuhorchen, ob sie hohl klingen", findet man immer noch. Diesen Ratschlag könnte man auch auf die "Faultiermethode" anwenden. Mit dem Ergebnis: Klingt oft recht hohl, bleibt aber immer amüsant. (Dolly Freed: "Die Faultiermethode". Ein Manifest gegen die alltägliche Diktatur des Geldes. Rogner & Bernhard, Berlin 2010. 220 S., geb., 19,90 [Euro].)

magr.

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.03.2011

Das Geheimnis der
Schnappschildkröte
Aussteigen und Papa bewundern:
Dolly Freeds „Faultier-Methode“
Ein Autor ist unter Umständen der beste Einwand gegen sein Buch. So im Falle der „Dolly Freed“ (Pseudonym) und ihrem „Possum living“, das 22 Jahre nach seinem Erscheinen in den USA nun als „Faultier-Methode“ auf Deutsch vorliegt. „Dolly“ schrieb den Band – angeblich ein „Bestseller“ und „Klassiker“ – im Alter von 18 Jahren, um aller Welt vom glücklichen Mikrokosmos des Aussteigertums zu berichten, in dem sie und ihr Vater seit Mitte der Siebziger Jahre lebten. Kein Konsum, keine Schulden, keine Arbeit. Selbstversorgung, Autonomie, Freiheit.
„Dollys“ Schrift ist eine Werbung um Gleichgesinnte. Daher ist das lockere Geplauder mit allerlei Hinweisen und Erkenntnissen durchsetzt, die den Leser animieren sollen, der kalten Konsumwelt zu entsagen. Etwa: „Im Keller halten wir drei Hennen zum Eierlegen.“ Oder: „Wir haben seit Jahren kein Auto mehr und das ist manchmal lästig.“ Oder: „Heutzutage wird viel über Nährwerte geschrieben.“ Oder: „Ein eigenes schuldenfreies Haus zu besitzen – das ist der Schlüssel zu allem anderen.“ Oder: „Schildkröten sind äußerst interessante Kreaturen, finde ich zumindest. Ich wurde praktisch mit Schildkrötenfleisch abgestillt“ – worauf Rezepte für „Schnappschildkrötensuppe“ und („Schnappschildkröten lassen sich gut einlegen“) „Schnappschildkröten-Pickles“ folgen.
Woher zum Teufel nimmt der Mitteleuropäer, der die Aussteigetipps dieses Buches befolgt, „Schnappschildkröten“? Soll er den örtlichen Zoo überfallen, um die angeratene Diät einzuhalten? Das beliebig gewählte Beispiel zeigt, wie nutzlos „Possum living“ als Ratgeber ist – zumal es aus der Sicht von Nordamerika und mit dem Zahlenmaterial von 1977 argumentiert. Mehr Kreativität, mehr Gegenwartsbezug hätte man sich vom deutschen Verlag gewünscht. Wozu sonst die Neuausgabe? Sicher, die Finanzkrisenkaterstimmung beschert aussteigeraffines Lesepublikum. Allein, wie kommt man da ran? Wer bereits auf den Bankberater reingefallen ist und nun zur Rache durch Systemflucht gebracht werden soll – der braucht doch realistische Anreize! Und er sollte nicht verschreckt werden, durch den Verdacht etwa, im Wald neben „Dolly“ säßen die Lehman Brothers und vertickten Aktien eines Dosensuppenkonzerns.
Hätte man nicht, um die heikle Sache zu umgehen, einfach „Schnappschildkröten“ durch „Singdrosseln“ ersetzen können? Auch sie sind „äußerst interessante Kreaturen, finde ich zumindest.“ Und vielleicht begann manche Sängerkarriere, weil die betreffende Person „praktisch mit Drosselfleisch abgestillt“ wurde.   Nein, ernsthaft kommt man der „Faultier-Methode“ nicht bei. Dazu ist das Buch zu blöd. Doch auch als Parodie gelesen bietet es keinerlei Befriedigung. Die Absurditäten sind zu banal. Die Phantasie der Autorin ist zu schnell erschöpft. Was „Dolly Freed“ beschreibt, mag wohl eher jener tumbe Urzustand gewesen sein, den sich weiße nordamerikanische Mittelklassespießer nach der Ölkrise erträumten. Das erklärt auch den Erfolg des Buchs, interessiert in der Sache aber allenfalls Soziologen. Zudem zelebriert „Dolly“ den Stolz auf ihren Vater derart penetrant, dass die Lektüre Erinnerungen an die Fernsehserie „The Waltons“ (nicht zu verwechseln mit „Walden“) weckt. Da kam auch ständig „Dad“ zu „Jim-Bob“ und „John-Boy“, hielt Händchen oder Steigbügel, entgrätete die Schnappschildkröte, legte mit verständnisvollem Lächeln seine Hand auf schwache Schultern. Und so sicher wie das Amen in der Kirche machte am Schluss jeder Folge irgendwer das Licht aus.
So auch im Falle der „Dolly Freed“ – sie selbst. Denn nach ein paar Jährchen „Possum living“ ist sie wieder „eingestiegen“. Sie studierte und ergriff – so verrät der Klappentext mit spürbarem Unbehagen – „mehr oder weniger ‚bürgerliche‘ Berufe. Sie wurde Raumfahrtingenieurin bei der Nasa, Umweltpädagogin und Unternehmensgründerin.“ Ei verbibbsch, das klingt richtig „systemrelevant“. Wie schrieb der Rezensent der Süddeutschen Zeitung? „Ein Autor ist unter Umständen der beste Einwand gegen sein Buch.“ Wenn das stimmt, dann ist „Die Faultier-Methode“ vor allem eines: Humbug. CHRISTIAN WELZBACHER
DOLLY FREED: Die Faultiermethode. Ein Manifest gegen die alltägliche Diktatur des Geldes. Aus dem Englischen von Yamin Rauch. Verlag Rogner & Bernhard, Berlin 2010. 300 Seiten, 19,90 Euro.
Können Sie sich noch
an die Fernsehserie
„The Waltons“ erinnern?
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als Ratgeber fürs Aussteigerleben kann Christian Welzbacher dieses Buch nicht ernst nehmen, und zu seinem Kummer taugt es nicht einmal dazu, als "Parodie" gelesen zu werden. Die unter dem Pseudonym "Dolly Freed" auftretende Autorin plädiert in ihrem vor 22 Jahren im amerikanischen Original erschienenen Leitfaden dafür, sich dem Konsumleben zu entziehen und schwärmt von ihrem glücklichen Aussteigerleben als autonome Selbstversorgerin, erklärt der Rezensent. Davon abgesehen, dass die Tipps zur Lebensführung hierzulande nicht denkbar sind (wer kommt schon an Schnappschildkröten für die Ernährung heran?) und die Zahlen und Fakten absolut veraltet sind: das Buch liest sich vor allem als die Beschreibung des "tumben Urzustands" weißer spießiger Mittelklasse-Amerikaner, die versuchen, der Ölkrise der 1970er Jahre etwas entgegenzusetzen, spottet der Rezensent, der das Buch schlicht als Blödsinn abtut.

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